Für Michael Mäuser ist die im Raum stehende Flurneuordnung in der Gemarkung Kolitzheim ein Schritt in eine völlig falsche Richtung. Anders als etliche seiner konventionell arbeitenden Berufskollegen möchte der ortsansässige Bio-Landwirt verhindern, dass in der Flur größere, leichter und damit gewinnbringender zu bewirtschaftende Ackerflächen entstehen. Darunter würde zwangsläufig die Natur leiden, findet er.
Um für seinen Standpunkt zu werben, ruft an diesem Donnerstag um 16 Uhr zu einer Demonstration vor dem Kolitzheimer Rathaus auf. Dabei sah es vor nicht allzu langer Zeit schon einmal so aus, als sei ein Konsens gefunden, wie die Flurneuordnung in Kolitzheim einvernehmlich ablaufen könnte.
Gegner sammelten Unterschriften
Die Vorgeschichte der geplanten Kolitzheimer Flurneuordnung – früher war dafür der Begriff "Flurbereinigung" üblich – reicht einige Zeit zurück. Im Jahr 2017 hatten die Gemeinde und die örtliche Flurgenossenschaft eine solche bei dem dafür zuständigen Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) in Würzburg beantragt. Folgende Ortstermine, Besprechungen und Besprechungen verliefen anfangs "normal", wie sich der dort für den Landkreis Schweinfurt zuständige Abteilungsleiter Johannes Krüger erinnert. Doch dann wurden Bedenken laut. Es wurden auch knapp 60 Unterschriften gesammelt – gegen das Vorhaben.
Einwände gab es laut Krüger vor allem in drei Bereichen: Ortsnahe Spekulationsflächen für mögliche Baugebiete sollten von der Flurneuordnung ausgenommen werden. Die Naturschutzbelange sollten stärker hinterfragt werden. Und das Thema "Wasserrückhalt" und die Frage der Kosten, die auf alle Grundbesitzer umgelegt werden, standen im Mittelpunkt.
Vorhaben wurde bereits abgespeckt
Alle Beteiligten kamen schließlich Anfang 2020 in Klosterlangheim zusammen. Der dort gefundene Konsens zwischen Anhängern und Gegnern der Flurneuordnung war durchaus ein Erfolg, findet nicht nur Krüger, sondern auch Kolitzheims Bürgermeister Horst Herbert. Das erarbeitete Konzept, das wegen der Corona-Pandemie erst Anfang Juli 2022 in Kolitzheim öffentlich vorgestellt werden konnte, sieht - verkürzt dargestellt - wie folgt aus: Statt ursprünglich vorgesehener 5,6 werden nur 1,6 Kilometer Flurwege zu Kernwegen ausgebaut, Streuobstbestände werden erhalten, genauso wie viele Grünwegstrukturen, und der Wasserrückhalt soll vor der Ortschaft erfolgen. Statt zunächst veranschlagter Kosten von 700 Euro pro Hektar für die Grundbesitzer sind nun 400 Euro vorgesehen.
Dass dieser Konsens nun offenbar das Papier nicht mehr wert zu sein scheint, auf dem er geschrieben steht, bedauert ALE-Vertreter Krüger. Denn er sieht die Landwirte in Kolitzheim – wie überall – dem wachsenden Druck des globalen Marktes unterworfen. Und dieser erfordere es, in der Landwirtschaft noch wirtschaftlicher zu arbeiten als bisher, andernfalls seien landwirtschaftliche Betriebe vor Ort bedroht. Die Flurneuordnung sei ein hilfreicher Baustein, die hiesige Landwirtschaft konkurrenzfähig zu halten. Daneben gebe es weitere Vorteile, die allen vor Ort nutzten.
Alle Flächen wandern in einen Topf
Landwirt Mäuser sieht das genau umgekehrt. "Die Flurneuordnung ist für meine Ökolandwirtschaft eine existenzielle Bedrohung", sagt er. Seit fast 15 Jahren bewirtschafte er 20 Hektar als Bio-Betrieb im Nebenerwerb. Wenn nun im Zuge der Flurneuordnung insgesamt Flächen von 450 Hektar in einen Topf geworfen und die Äcker unter Landwirten neu verteilt werden, damit diese möglichst günstig wirtschaften können, dann dürfte er seine angestammten Flächen verlieren. Zwar sind für solche Fälle Ausfallgelder vorgesehen, die Bio-Landwirte übergangsweise erhalten, bis ihre neuen Flächen wieder biologisch zu bewirtschaften sind. Doch davon möchte Mäuser nichts wissen. "Ich möchte kein Geld", sagt er. Für ihn zähle das Herzblut, mit dem er seine Landwirtschaft bisher betrieben habe.
Zuschüsse für die Bewirtschaftung kleinster Parzellen
Überhaupt widerstrebt Mäuser die "Gewinnmaximierung", die seiner Ansicht nach hinter der beabsichtigten Flurneuordnung steckt. "Wachstum ist nicht alles", meint Mäuser. Gerade Nebenerwerbslandwirte wie er könnten auch ohne Flurneuordnung bestehen. Zumal das bayerische Kulturlandschaftsprogramm (Kulap) gezielte Förderungen für die Bewirtschaftung kleiner Parzellen vorsehe. Der Entwurf für das ab dem kommenden Jahr geltende Kulap sieht tatsächlich die Zahlung von jährlich 50 Euro für Flächen unter einem halben Hektar vor. Wenn das ALE mit Flurneuordnungen den Wegfall solcher Kleinstäcker vorantreibe, dann "ist es hintendran", findet Mäuser. Er erkennt einen entgegengesetzten Trend: den Erhalt kleingliedriger Landschaftsstrukturen.
Dies möchte Krüger vom ALE so nicht stehen lassen. Schon heute würden mehrere kleine Flurstücke in der Praxis zu einem Feldstück zusammengefasst und von einem Landwirt bewirtschaftet. Als viel geeigneter, um den Naturschutz zu stärken, sieht für Kolitzheim das ebenfalls im Kulap vorgesehene Konzept der Feldvogelinseln. Zudem sei ja geplant, auch schmale Streifen mit Streuobstbäumen zu erhalten.
Bürgermeister: Mehrheit unterstützt die Pläne
Der Kolitzheimer Bürgermeister Horst Herbert spricht von "Träumereien", sollte man daran glauben, die Bedingungen für eine wirtschaftlich erfolgreiche Landwirtschaft hätten sich nicht geändert. Auf Kolitzheimer Gemarkung entspräche die Gliederung der Flurstücke teils noch Bedingungen, wie es sie bereits in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg gab. Er meint: Eine große Mehrheit der Landwirte möchte diesen Zustand ändern, "nur eine laute Minderheit ist dagegen". Auch die Dorfbevölkerung insgesamt würde von dem im Zuge der Flurneuordnung mit hohen Zuschüssen (75 Prozent) geförderten Ausbau der maroden Flurwege profitieren, so Herbert.
Für Mäuser sind verbreiterte Flurwege eines Kernwegenetzes nichts anderes als "Flurautobahnen". Diese lockten mehr Verkehr in den Naturraum, Fahrzeuge würden dort schneller fahren, die Tier- und Pflanzenwelt würde zusätzlich gestört. Das Gegenteil sei gefragt. "Wir müssen der Natur etwas zurückgeben", lautet sein Credo. Er möchte die vorhandenen Flurwege auf anderem Weg, in Gemeinschaftsleistung, sanieren. Auch Artenvielfalt sieht er viel effektiver durch kleine Projekte gefördert, beispielsweise in Form von Hecken, die er selbst auf einem seiner Äcker auf eigene Kosten bereits gepflanzt hat, oder durch Obstbaumbestände. Und für Wasserrückhalt gebe es eigene Fördermaßnahmen. Er bringt diese Punkte auch deshalb an, weil man seinen Worten nach, "nicht nur gegen die Flurneuordnung sein kann, man muss auch eigene Vorschläge bringen".
Kein fixer Zeitplan für die Flurneuordnung
Ein zeitliches Limit, bis wann die Flurneuordnung in Kolitzheim abgeschlossen sein müsste, gebe es nicht, erläutert Krüger von ALE. Allerdings erneuert er eine bereits früher getroffene Aussage: Auf Biegen und Brechen werde man eine Flurneuordnung nicht von Amts wegen ansetzen, auch wenn dafür rechtliche Voraussetzungen existierten. "Wir wollen kein Dorf spalten", beteuert Krüger und hofft, dass es am Ende doch noch einen tragfähigen Konsens für eine Flurneuordnung geben wird. Es gebe schließlich verschiedene Varianten einer Flurneuordnung, auch die einer Schmalspur-Maßnahme in Form eines beschleunigten Verfahrens. Dabei würden "nur" Grundstücke zusammengelegt, aber keine Wege saniert, auch an der Gewässersituation würde sich nichts ändern.
Kolitzheims Bürgermeister pocht dagegen auf den Gemeinderatsbeschluss, der eine Flurneuordnung im Regelverfahren vorsieht, also das Komplettpaket mit allen Maßnahmen umfasst.
Wie es weitergehen kann, darüber möchten ALE, Gemeinde und Flurgenossenschaft sich im Laufe dieses Winters austauschen, kündigt Krüger das weitere Vorgehen an.
Dem Bio-Landwirt geht es um seine Äcker, deren Qualität und die Zulassung als Bio (das dauert einige Jahre, bis die Reste von Düngemitteln und Pflanzengiften ausgespült sind - und er dich dann offiziell „bio“ nennen darf!
Auf der anderen Seite steht die konventionelle Landwirtschaft - die nunmal das Gros der Lebensmittel in Deutschland produziert - und die unter solch einem Preisdruck steht, dass nur kleine Gewinnmargen übrig bleiben. Hier kommt es einfach auf Effizienz an - und die ist bei großen Flächen nunmal größer, macht das Leben leichter.
Keine einfache Sache - nen Königsweg weiß ich nicht - aber es muss doch mal nen Kompromiss gegeben haben, laut Artikel.
Wie sah der aus - und was stört jetzt daran? Von welcher Seite wird dieser Kompromiss in Frage gestellt? Diese Information fehlt im Artikel (oder kommt mir zumindest nicht klar rüber)
Warum ist der getroffene Konsens nun nicht mehr gültig? Ein Konsens spricht dorch gerade dafür, dass mal sich über alle Dinge Gedanken gemacht hat und einen Mittelweg einvernehmlich gefunden hat. Ist dem etwas nicht so gewesen in Langheim? Wer seine Meinung danach immer noch ständig wie das Fähnchen im Wind ändert den kann man als Verhandlungspartner leider nicht wirklich ernst nehmen.
Kompromissversuch, jedes Entgegenkommen sofort ausschlägt, an der Nase herumführen lässt. Großbetriebe aus der Nachbarschaft warten schon darauf, sie werden sich die Flur in Kolitzheim dann selbst neu ordnen. Dann wird auch nicht mehr mit einem Herrn Mäuser diskutiert.