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Schweinfurt
Finanzmakler soll Konto seines Betreuten geplündert und nichts gegen Verwahrlosung getan haben
Um knapp 8200 Euro soll der Angeklagte einen über 70-Jährigen erleichtert und dabei dessen Obdachlosigkeit riskiert haben. Jetzt steht er in Schweinfurt vor Gericht.
Vor dem Schweinfurter Schöffengericht musste sich ein 48-Jähriger wegen Untreue und schwerer Aussetzung verantworten.
Foto: René Ruprecht | Vor dem Schweinfurter Schöffengericht musste sich ein 48-Jähriger wegen Untreue und schwerer Aussetzung verantworten.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 17.02.2025 02:31 Uhr

Aussetzung. So heißt ein äußerst selten vor Gericht verhandelter Straftatbestand. Der Paragraf 221 Strafgesetzbuch bedroht mit Freiheitsstrafe, "wer einen Menschen in eine hilflose Lage versetzt oder im Stich lässt, obwohl er ihn in seiner Obhut hat oder ihm beizustehen verpflichtet ist und ihn damit der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt".

Sogar wegen "schwerer Aussetzung" sitzt ein 48-jähriger Finanzmakler vor dem Schweinfurter Schöffengericht – und allein darauf stehen ein bis zehn Jahre Gefängnis. Der Angeklagte soll sich aber nicht nur um Pflege und Gesundheit seines über 70-jährigen Wirtshauskumpels, dessen ehrenamtliche Betreuung er im Dezember 2022 übernommen hat, so gut wie gar nicht gekümmert haben. Er soll auch die Vollmacht über dessen Konto vor allem genutzt haben, um sich selbst zu bereichern: 19 Fälle der Untreue mit einem Schaden von knapp 8200 Euro kommen dazu.

Nachbarn besorgt über Zustand des Betreuten

Nach nur neun Monaten "Betreuung" durch den 48-Jährigen fiel den Nachbarn in einem Dorf nahe Schweinfurt der völlig verwahrloste Zustand des Betreuten auf: In dreckiger Kleidung, teils in Unterhose, mit roten Flecken am Körper und eingekotet, habe dieser auf dem Hof die Mülltonne rausgeschoben, sagt eine Zeugin. Als "sehr schlecht und ungepflegt" beschreibt ein Nachbar das Erscheinungsbild des über 70-Jährigen. Ende August 2023, als er drei Tage nicht mehr gesehen worden war und die Tür nicht öffnete, rief der Nachbar die Polizei. Die ließ den alten Mann sofort mit dem Rettungsdienst ins Krankenhaus einliefern.

Der Befund laut Anklage: lebensbedrohliches akutes Nierenversagen durch Austrocknung des Körpers, Prellungen nach längerer Liegezeit und ein Harnwegsinfekt. Ferner: Bluthochdruck, feuchte Wunden und Verdacht auf Krätze. Und: Die Fußnägel des Betreuten seien derart eingewachsen gewesen, dass er kaum mehr laufen konnte. Gegen den Betreuer erging ein Haftbefehl. Anschließend bekam der alte Mann wieder eine Berufsbetreuerin, die alle Hände voll zu tun hatte, um die Zwangsräumung der Wohnung abzuwenden und dessen Gläubiger mit kleinen regelmäßigen Zahlungen zufriedenzustellen.

Angeklagter streitet Verwahrlosung ab

Dass er über 8000 Euro vom Konto des Betreuten für sich abgezweigt hat, räumt der Angeklagte ein. Von dessen Verwahrlosung will er aber nichts bemerkt haben. Zweimal die Woche habe er nach ihm geschaut. Ihm gehe es gut, habe er stets gesagt. Von dessen Bluthochdruck habe er nichts gewusst. Das glaubt ihm der Staatsanwalt nicht. Er sieht die Untreue, aber auch die schwere Aussetzung als klar erwiesen an – und plädiert unter Einbeziehung einer Bewährungsstrafe wegen Betrugs auf zwei Jahre und zehn Monate Haft. Für die Verteidigerin ist der Vorwurf der Aussetzung nicht erwiesen. Sie hält trotz etlicher Vorstrafen wegen Betrugs eine Bewährungsstrafe von 15 Monaten für ausreichend.

Das Gericht folgt dem Staatsanwalt: Zwei Jahre und neun Monate Haft für die schwere Aussetzung und Untreue in 19 Fällen. Der Angeklagte habe die Verwahrlosung seines Betreuten mit erheblichen gesundheitlichen Folgen einfach in Kauf genommen und diesem "einfach in die Tasche gegriffen". Normale Jobs anzunehmen, um zu Geld zu kommen und seine Schulden zu bezahlen – der Angeklagte spricht von 200.000 bis 300.000 Euro, die er vor allem mit Sportwetten verloren habe – sei für den einst selbstständigen Finanzmakler wohl "unter seiner Würde" gewesen.

Der Haftbefehl bleibt aufrecht erhalten. Gegen das Urteil ist Berufung oder Revision möglich.

 
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