Mitte 2020 erschreckte die Meldung, dass ein von der so genannten Salamanderpest befallener Feuersalamander im Steigerwald bei Ebrach gefunden wurden. Laboruntersuchungen des Kadavers an den Universitäten Braunschweig und Trier bestätigten die Infektion mit dem gefährlichen Salamanderfresser-Hautpilz. Inzwischen liegen erste Untersuchungsergebnisse vor, wie stark sich der Pilz im Steigerwald bereits ausgebreitet hat. Neu ist auch, dass es jetzt sogar eine Behandlungsmöglichkeit für erkrankte Tiere gibt. Doch die Zukunft für die Amphibien sieht nicht unbedingt rosig aus.
Der Pilz "Batrachochytrium salamandrivorans" (kurz: Bsal) ist vermutlich über den Tierhandel aus Asien nach Mitteleuropa eingeschleppt worden. Vor über zehn Jahren wurde der Hautpilz in den Niederlanden erstmals in Europa entdeckt und im Jahr 2013 zum ersten Mal wissenschaftlich beschrieben. Infektionen von Feuersalamandern traten nach den Niederlanden dann in Belgien auf, später auch in Deutschland. In der Bundesrepublik gibt es einen regelrechten Bsal-Hotspot mit über 50 bekannten Befall-Orten in der Eifel und im Ruhrgebiet. Für Bayern war der Fund bei Ebrach der erste Nachweis der Krankheit.
Großes Vorkommen im nördlichen Steigerwald
Der nördliche Steigerwald hat eines der größten Vorkommen des Feuersalamanders in ganz Deutschland. In über 40 kleinen Bächen zwischen dem Tal der "Rauhen Ebrach" und dem Nordrand des Steigerwalds wurden die hübschen Tiere im Rahmen einer wissenschaftlichen Master-Arbeit bereits nachgewiesen.
Erkennbar ist der Pilz an Schädigungen, Verletzungen oder anderen untypischen Veränderungen der Haut. Die Pilzinfektion beginnt damit, dass sich die Tiere zunächst häuten und die abgestoßene Haut teils noch am Tier hängt. Mit steigendem Infektionsgrad bilden sich Löcher oder auch Geschwüre in der Haut, weshalb der Pilz auch Salamanderfresser genannt wird. Die Infektion mit dem Erreger führt binnen weniger Tage zum Tod des Tieres.
Biologe wurde mit Untersuchung beauftragt
Der Biologe Jürgen Thein aus Haßfurt und sein Büro für Faunistik und Umweltbildung wurde vom Bayerischen Landesamt für Umwelt im vergangenen Jahr nach dem Fund des infizierten Tieres bei Ebrach beauftragt, den Gesundheitszustand der Feuersalamander-Population im nördlichen Steigerwald zu untersuchen. Auch heuer war Thein wieder im Steigerwald unterwegs. Das Ergebnis seiner Arbeit: Der Bsal ist tatsächlich im Steigerwald angekommen.
Vier Wochen lang waren Thein und sein Team heuer von Mitte April bis Mitte Mai im Steigerwald unterwegs und haben dabei 60 Tiere entdeckt und untersucht. So viel Glück hat man nicht immer, die Salamander in so großer Anzahl zu sehen. Im Sommer und bei Trockenheit machen sie sich eher rar und verstecken sich unter Totholz. "Im vergangenen Sommer nach dem Fund des toten Exemplars hatten wir acht Wochen lang gesucht und nur 13 Tiere gefunden." Damals war es schon zu warm und zu trocken. Jetzt aber, so Thein, im zeitigen Frühjahr "bei Sauwetter und zehn Grad Außentemperatur", war die Pirsch an den Bächen sehr erfolgreich. Denn jetzt setzen die Salamander ihre Larven in die kleinen Bäche, ehe sie sich wieder in ihre Verstecke zurückziehen. "Alle 60 entdeckten Tiere waren Weibchen."
Forscher gibt erste Untersuchungsergebnisse bekannt
Bei der Suchaktion im vergangenen Jahr hatte der Biologe neben lebende auch drei tote Tiere entdeckt. Von den 13 Salamandern, von denen er damals Abstriche machen konnte, waren 13 Prozent mit dem Hautpilz infiziert. In diesem Jahr wurden Abstriche von den 60 lebenden Tieren, die Thein gefangen hatte, und von einem toten Salamander, den ein Förster gefunden hatte, genommen und im Labor untersucht. "Von den 61 Proben war nur eine positiv, bei zweien gab es leichte Hinweise", teilt Jürgen Thein mit. "Das hat mich sehr erleichtert."
Der tote Salamander war nicht mit dem Pilz infiziert. Das eine lebende Tier, das den Pilz nachweislich auf seiner Haut trug, wurde in dem Bereich gefangen, wo Thein auch im vergangenen Jahr schon einen befallenen Feuersalamander gefunden hatte. "Nach dem Erstnachweis gab es hier wieder den positiven Fall." Dort scheint ein Hotspot zu sein, der aber glücklicherweise räumlich noch begrenzt ist. "Der Befall ist noch relativ lokal." Thein fasst seine bisherigen Suchaktionen so zusammen: "Es ist zwar bislang kein Massenverlust wie in Westdeutschland zu verzeichnen, aber trotzdem ist die Situation keineswegs glimpflich."
Neue Behandlungsmöglichkeit
Bisher ging man davon aus, dass der Hautpilz des Todesurteil für den Salamander bedeutet. Doch nun hat man entdeckt, dass Wärmebehandlung dem Tier helfen kann. Mark-Oliver Rödel vom Museum für Naturkunde/Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung in Berlin, der seit Jahren im Steigerwald an den Salamandern forscht, berichtet im Gespräch mit dieser Redaktion von ersten Erfahrungen bei der Behandlung des Hautpilzes: "Wenn die Tiere längere Zeit mit Wärme über 25 Grad behandelt werden, stirbt der Pilz ab."
Auf die Idee mit der Wärmebehandlung kamen Forscher aus Belgien, als man feststellte, dass ein mit dem Bsal eng verwandter Hautpilz in erster Linie nur die Frösche befiel, die in höheren und damit kühlen Gebirgslagen beheimatet sind. "Und dann sah man sogar, wie mit dem Pilz infizierte Frösche sich bewusst in die wärmende Sonne setzten", erzählt Forscher Rödel. Daraus schloss man: Der Hautpilz mag nur eine kühle Umgebung und verträgt keine höheren Temperaturen.
Nach Aufenthalt in Wärmekammer geheilt
Auch erkrankte Salamander aus dem Steigerwald wurden inzwischen erfolgreich mit Wärme behandelt, berichtet Rödel. Die Aktion fand im Tiergarten in Nürnberg statt in einem speziellen Hochrisiko-Container, damit der "Batrachochytrium salamandrivorans" sich auf keinen Fall weiter ausbreiten kann. Nach mehreren Wochen in einer Wärmekammer waren die infizierten Feuersalamander tatsächlich geheilt.
Doch die erfolgreiche Behandlung ist nur ein schwacher Trost. Die Tiere können nämlich nicht mehr in ihr angestammtes Revier im Steigerwald zurückgebracht werden, sagt Rödel vom Leibniz-Institut. "Denn die gefährlichen Pilzsporen befinden sich ja noch dort." Sie wurden vermutlich durch Erdanhaftungen an Auto- und Lastwagenreifen, Wanderschuhen oder an Reifen von Mountainbikes in den Steigerwald eingeschleppt. Aber auch Wildschwein-Rotten, die nachts große Entfernungen zurücklegen können, stehen im Verdacht, den Pilz mit ihren Pfoten weiterzutragen.
Auch der Biologe Thein sieht hier ein "großes ungelöstes Problem". Den eingeschleppten Hautpilz im Erdreich werde man wohl nicht mehr aus der Landschaft herausbringen, zumal der Pilz auch schon verschiedene Molcharten befallen habe. Die Molche kommen im Gegensatz zu den Feuersalamandern jedoch gut mit dem Hautpilz zurecht. Sie bilden aber zugleich ein großes Pilz-Reservoir, das man nicht tilgen kann.
Warten auf das Wirken der Evolution
So bleibt momentan nur die Hoffnung, dass die Natur das Problem selbst regelt – zum Beispiel, indem sich durch Mutation und Selektion Feuersalamander-Generationen entwickeln, die gegen den Bsal resistent sind. "Dann bleiben nur noch die Tiere übrig, die den Pilz vertragen", erklärt Thein.
Aber reicht diese kleine Zahl von Tieren dann noch aus für eine stabile Population? Und ist dann nicht der Genpool so klein, dass es zu Inzucht kommt? Oder kann der Mensch mit der Erhaltungszucht und dem Auswildern resistenter Salamander hilfreich zu Seite stehen? "Da gibt es noch viele Konjunktive", gibt Thein zu.
Das Ausbreiten der Pilzkrankheit kann zumindest gebremst werden, wenn die Feuersalamander einen idealen Lebensraum vorfinden, sagt Rödel. Die Amphibien brauchen einen dunklen, feuchten Laubwald mit möglichst vielen Mikrostrukturen, wie Totholz. Dann stehen ihnen ausreichend Winterquartiere zur Verfügung. Gibt es hingegen nur wenige geeignete Winterquartiere, bilden sich dort größere Gruppen von Feuersalamandern und es kommt leichter zur gegenseitigen Ansteckung mit dem Pilz.