Der Anblick, der sich am 1. Mai vor einem Jahr in der Oberndorfer Hauptstraße geboten hatte, musste für eine überzeugte und seit Jahrzehnten engagierte Demokratin wie Marianne Prowald unerträglich gewesen sein. Die rechtsextreme Kleinstpartei "Der Dritte Weg" veranstaltete damals einen "Tag der offenen Tür".
Vor ihrem Parteibüro in der Hauptstraße, das sie im Oktober 2022 eröffnet hatten, waren fast über die gesamte Straßenbreite Pavillons aufgebaut, drumherum wurden blickdichte Zäune aufgestellt. Gut 30 Rechtsextremisten, darunter Aktivisten der mittlerweile verbotenen militanten Neonazi-Gruppierung "Hammerskins", verbreiteten unter anderem mit Redebeiträgen und einer Theateraufführung ihre rechtsextreme Propaganda. Gut 250 Menschen demonstrierten gegen das Treffen der Neonazis.
Zeitsprung. Genau ein Jahr später ist das kleine gelbe Gebäude, in dem sich "Der Dritte Weg" eingemietet hat, fast nicht zu sehen. Direkt davor steht eine Bühne, auf der Marianne Prowald, die Ur-Oberndorferin und Schweinfurter SPD-Stadträtin, am Nachmittag mit dem Mikrofon in der Hand ruft: "Die Oberndorfer Hauptstraße gehört uns". Sie blickt dabei in die Gesichter von hunderten Bürgerinnen und Bürgern. Sie erinnert an die Geschehnisse vor einem Jahr und fügt kämpferisch an: "Wir brauchen die nicht in Oberdorf. Nicht in Schweinfurt. Nicht in Unterfranken und auch nicht in Deutschland."
13 Vereine, Organisationen und Institutionen beteiligten sich am Straßenfest
Von den Neonazis war diesmal nichts zu sehen. Dafür feierte die Bürgerschaft in der Hauptstraße "Ein Fest für alle – auf den Straßen der Vielfalt". Über tausend Menschen kamen verteilt über den Tag hinweg. Auf Initiative des Bürger- und Kultvereins Oberndorf und des Bürgerbündnisses "Schweinfurt ist bunt" beteiligten sich 13 Vereine, Organisationen und Institutionen am Straßenfest. "Alle Oberndorfer Vereine waren sofort dabei, als es hieß, gegen den 'Dritten Weg' zu demonstrieren", berichtete Prowald. Für das leibliche Wohl war genauso gut gesorgt wie für die Unterhaltung für Jung und Alt. Während die Kinder sich an Airbrush-Tattoos und Dosenwerfen erfreuten, konnten die älteren Gäste bei sommerlichen Temperaturen mit kühlen Getränken auf der Bühne den Songs von Steffi List lauschen.
"Nie wieder ist jetzt", betonte SPD-Stadträtin und "Schweinfurt ist bunt"-Vorsitzende Marietta Eder bei ihrem Redebeitrag auf der Bühne. Klare Worte fand auch Schweinfurts Bürgermeisterin Sorya Lippert, die an den Satz aus dem Leitbild der Stadt erinnert: "Schweinfurt ist weltoffen." Der Wohlstand der gesamten Stadt basiere auf dieser Wertvorstellung. "Die Steigbügelhalter dieser rechten Gesinnung kotzen mich an", sagte die CSU-Politikerin.
Errungenschaften der letzten 70 Jahre nicht durch Neonazis kaputtmachen lassen
Auch der Hauptredner der Veranstaltung, Hubert Weiger, Ehrenvorsitzender des BUND Naturschutz, holte zu einem Rundumschlag gegen den Rechtsextremismus aus. Der 77-Jährige warnte davor, sich die Errungenschaften der letzten 70 Jahre durch Neonazis kaputtmachen zu lassen. "Es gibt etwas zu verteidigen in unserem Land", betonte Weiger in seiner leidenschaftlich vorgetragenen Rede. "Nämlich die Freiheit der Menschen. Die Menschenwürde als zentrale Grundlage unseres Daseins auf diesem Planeten." Deswegen dürfe es keinen Platz für Hass und Hetze geben.
Weiger forderte, auch mit Blick auf die AfD, eine wehrhafte Demokratie und das Verbot von Verfassungsfeinden. "Wir müssen den Neonazis heute die Maske vom Gesicht reißen, bevor es zu spät ist", sagte Weiger unter tosenden Applaus der Schweinfurter.
Als "etwas zu politisch" empfand Steffen Kraus, der einen Stand auf dem Straßenfest hatte, die Redebeiträge. "Je mehr man die erwähnt, desto mehr fühlen die sich bestätigt", so die Auffassung des Funktionärs des Sportvereins. Der TVO selbst hatte, seit "Der Dritte Weg" im Stadtteil ist, keinerlei Berührungspunkte mit den Neonazis. "Bis jetzt ist uns auch noch nichts zu Ohren gekommen, dass versucht wurde an unsere Kinder und Jugendlichen heranzutreten. Hoffen wir mal, es bleibt so", erklärt Kraus.
Gegenteiliges muss Günter Hofmann, Schulleiter der Pestalozzi-Schule in Oberndorf vermelden. Dort wurden Schüler in der Vergangenheit von Mitgliedern des "Dritten Wegs" angesprochen. Die Schüler regierten "cool", berichtet Hofmann. Im Unterricht kläre man viel über die Rechtsextremisten auf. "Die Kinder müssen informiert werden", so das Kredo des Schulleiters. "Wir sind natürlich daran interessiert, dass wir alle demokratisch und bunt bleiben", sagt Hofmann. Das sahen auch viele Hunderte in Oberndorf an diesem diesmal bunten 1. Mai so.