Es sind drastische Worte, die Ibo Ocak wählt. Dem Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zufolge sei das Hotelgewerbe in Schweinfurt "am Limit". Zu Beginn der Hauptreisezeit fehle in vielen Schweinfurter Hotels und Gaststätten das nötige Personal. Elf unbesetzte Stellen verzeichne das Schweinfurter Beherbergungsgewerbe Stand Ende Juni der Bundesagentur für Arbeit zufolge. Im Vergleich zu 2019, dem Vor-Corona-Jahr, bedeutet das einen Anstieg von 83 Prozent.
"Der Personalmangel ist das beherrschende Thema", sagt deshalb auch Christoph Schmitz von der Schweinfurter Tourismus-Info. "Uns ist von personellen Engpässen in mehreren Hotels und Gaststätten in Stadt und Landkreis bekannt." Die Gastronomen würden darauf unterschiedlich reagieren, von weniger angebotenen Tischen bis hin zu mehr Schließtagen.
Hotel Ross bietet im August wohl keinen Mittagstisch an
So auch das Hotel Ross in Schweinfurt. "Schweren Herzens" wird Geschäftsführer Julius Süß voraussichtlich im gesamten August keinen Mittagstisch anbieten. Anders könne er die Hauptreisezeit mit seinen knapp hundert Betten nicht bewältigen. "Ich muss schließen, damit ich meinem Personal mal etwas Pause freiräumen kann", erklärt Süß.
In Sachen Personalmangel sei sein Stammpersonal nicht das Problem. Aber die, wie Süß sie nennt, "helfenden Hände" würden an allen Ecken und Enden fehlen. Zwischen 50 und 60 Mitarbeiter hat das Hotel Ross vor der Coronapandemie üblicherweise beschäftigt. Heute, drei Jahre später, fehlen demgegenüber 30 Prozent.
Keine Bewerberinnen und Bewerber auf offene Stellen
Ausschreibungen offener Stellen blieben laut Süß einfach unbeantwortet. "Es ist einfach nichts zu finden. Niemand bewirbt sich." Teilweise habe er sogar schon versucht, Leute über den eigenen Freundeskreis oder die Familie anzuwerben. Das, wie er erzählt, mit mäßigem Erfolg.
Ähnliches berichtet Ruth Döpfner. "Grottenschlecht" sei die Personalsituation, sagt die Geschäftsführerin des Gasthauses Tor zum Steigerwald in Gerolzhofen. Es fehle an Personal in allen Bereichen und auch in sämtlichen Altersgruppen. Egal ob Schülerinnen und Schüler oder Rentnerinnen und Rentner, immer weniger Menschen wollten im Hotel- und Gastgewerbe arbeiten.
Auch sie muss deshalb ihren Betrieb schlichtweg mit reduziertem Angebot betreiben. "Wir fahren aktuell mit halben Schichten", sagt Döpfner. Beispielsweise Sonntag gebe es dann nur den Mittagstisch, abends bleibt die Gaststätte zu. Zum Glück könne sie sich auf ihr Stammpersonal verlassen, dass voll hinter ihr stünde. Sonst wäre der Betrieb nicht mehr aufrecht zu erhalten.
Ihre 30 Betten kann Döpfner jedoch weiterhin anbieten, für Übernachtungsgäste ändere sich nicht viel. "Außer, dass sie unsere Serviceleistungen wie zum Beispiel den Biergarten nur eingeschränkt nutzen können", sagt Döpfner. "Das ist schade für die Gäste, und das ist schade für die gesamte Gegend. Aber das Problem ist ja überall das Gleiche."
Gewerkschafter fordert höhere Löhne
Wie lässt sich dieser Trend umkehren? Ocak von der NGG meint: "Es kommt jetzt darauf an, Fachleute mit guten Konditionen zu locken." Das bedeute in erster Linie höhere Löhne. Und zwangsläufig steigende Personalkosten, die vor allem kleineren Betrieben zu schaffen machen dürften. Anders seien dem Gewerkschafter zufolge allerdings keine Menschen mehr für den Job im Gastgewerbe, vor dem viele auch wegen der wenig arbeitnehmerfreundlichen Arbeitszeiten zurückschrecken, zu gewinnen.
Doch es tut sich etwas: Die NGG hat einen neuen Tarifvertrag mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) ausgehandelt. Demzufolge steigen die Einkommen in Bayern in diesem und nächstem Jahr um insgesamt bis zu 27 Prozent. Eine gelernte Köchin mit drei Jahren Berufserfahrung komme aktuell auf einen Stundenlohn von 15,68 Euro, rechnet Ocak vor.
"Wir können eben keine Löhne zahlen wie in der Industrie", sagt Döpfner. Langfristig ginge es jedoch freilich nur darüber. Und dann braucht es Kundinnen und Kunden, die dafür Verständnis zeigen und gewillt sind, höhere Preise zu bezahlen. "Es ist ja logisch, dass ich diese Kosten dann auch auf die Gäste umlegen muss", sagt deswegen auch Süß. Oder wie es Ocak ausdrückt: "Ein Schnitzel für neun Euro ist heute nicht mehr machbar." Dasselbe gelte für saubere Hotelzimmer und guten Service.