"Die Leute brauchen ein paar Tage, bis es sich herumspricht, aber dann kommen sie." Pfarrer Jochen Keßler-Rosa, Vorstand des Diakonischen Werkes in Schweinfurt, skizziert mit diesen Worten die auch heuer spürbare aber dennoch schon fast traditionelle Zurückhaltung der Gäste in den ersten Tagen der Vesperkirche. Die Vesperkirchen-Organisatoren wissen das, weshalb für die Auftakt-Tage ein paar Essen weniger bestellt werden. Und doch ist auch die fünfte Auflage der Vesperkirche wieder das geworden, was es sein soll: ein faszinierendes Angebot, das weit über ein günstiges Mittagessens hinausgeht.
Es geht nicht in erster Linie um die Zahl der Essen
Doch zunächst zu den Zahlen. 9000 Essen wurden während der 22 Tage zwischen dem 20. Januar und dem 10. Februar serviert, im Tagesdurchschnitt stellten die rund 300 Gastgeberinnen und Gastgeber etwas mehr als 400 Essen auf den Tisch. Etwa 600 selbst gebackene Kuchen wurden dankbar nach dem Mittagessen mit einer Tasse Kaffee genossen. Also ungefähr die Größenordnung der Vorjahres-Vesperkirche. Es gehe auch nicht um ein größer, höher, weiter, so Keßler-Rosa, sondern darum, zu erleben, dass sich die ganze Idee wieder genauso faszinierend entwickelt, wie dies schon in den Vorjahren der Fall war. Schließlich sei das keine kulturelle Veranstaltung, die Jahr für Jahr mit höheren Besucherzahlen aufzuwarten hat.
Viel mehr gehe es um all diese wunderbaren Gespräche und um die Gemeinschaft. All dies brauche ein Klima jenseits der Hektik. Um diese Atmosphäre zu erhalten brauche es Zeit. Zeit, die die Gäste mitbringen sollten, wenn sie darauf warten einen Platz zugewiesen zu bekommen. Zeit, die aber zum Beispiel auch die Gastgeber brauchten, um einen Tisch für die nächsten Gäste wieder gastlich herzurichten. Man wolle kein Durchschleusen mit dem Ziel, möglichst viele Essen pro Tag an die Frau und an den Mann zu bringen, denn dann komme die Hektik.
Gastgeber – rund 300 – hatte man heuer reichlich. "Es gab nicht so viele Grippeausfälle wie im vergangenen Jahr", so Keßler-Rosa. Auch Schüler und Konfirmanden machten mit, brachten ein, was sie konnten. Auch das ist der Geist der Vesperkirche – niemand wird nach seinen Leistungen beurteilt sondern ist Teil der Gemeinschaft. Beim gemeinsamen Essen und Reden verschwimmen die Grenzen von "Geber" und "Nehmer". Dieser Satz aus der Broschüre zur Vesperkirche versinnbildlicht wohl wie kein Zweiter, worum es wirklich geht, wenn Menschen sich gemeinsam an einen Tisch setzen.
Wer am Sonntag zum Essen kommt, besucht auch den Gottesdienst
Ein Tisch, der, um dies nicht zu vergessen, in einer Kirche steht. Und auch dies mache etwas mit den Leuten, so die Erfahrung von Pfarrer Jochen Keßler-Rosa. "Die Sonntagsgottesdienste während dieser drei Wochen Vesperkirche waren voll", berichtet er. Die Leute, die am Sonntag zum Essen kommen besuchen auch den Gottesdienst. Menschen mit anderen Konfessionen oder aus der Kirche Ausgetretene seien darunter. Die Gemeinschaft unterm Kirchendach hilft offenbar auch dabei, sich wieder mit dem eigenen Glauben auseinanderzusetzen.
Auch bei den musikalischen Veranstaltungen war die Kirche voll, rund 50 Menschen interessierten sich für die Informationen rund um das Leben und Wohnen im Alter, das Thema eines Abendvortrages war. Ganz wichtig auch in diesem Jahr, so die Beobachtung von Pfarrer Jochen Keßler-Rosa, die sozialen Angebote, die das kulinarische Angebot flankieren. Repair-Cafe, Handysprechstunde oder Blutdruckmessen – im Herrenchor werden derlei Dinge angeboten, die inzwischen auch fest zum Gesamtpaket Vesperkirche gehören.
Ganz wichtig auch, schließlich öffnete die Vesperkirche schon im fünften Jahr ihre Türen, dass sich dieser Geist des Miteinanders etabliert habe und man sich Ende Januar und Anfang Februar trifft, einer Zeit, in der man sich auf der Straße nicht so häufig begegnet. All dies wird nur möglich, weil vor und hinter den Kulissen jede Menge ehrenamtliche Arbeit verrichtet wird. Nicht nur solche die man sieht, wenn zum Beispiel Essen aufgetragen, oder Kaffee ausgeschenkt wird. Reichlich, mindestens genauso wichtige Arbeit, wird eher im Verborgenen erledigt. So sind täglich Unmengen an Geschirr zu spülen und rund 50 Schürzen und jede Menge Geschirrtücher zu bügeln.