Morgens, 10 Uhr in der Kirche St. Johannis. Bereits um diese Uhrzeit schwirren viele Menschen im Kirchenschiff herum. Und das aus gutem Grund, denn bei diesen Menschen handelt es sich um die Helden der Vesperkirche: die vielen freiwilligen Helfer, ohne die diese Veranstaltung überhaupt nicht stattfinden könnte.
Doch den Begriff Helfer hört man in der Vesperkirche nicht gerne. Die Ehrenamtlichen sehen sich selbst nämlich als Gastgeber und möchten auch so genannt werden, denn die Vesperkirche „soll wie ein Zuhause sein“, betont Pfarrer Jochen Keßler-Rosa.
Die Vesperkirche führt Menschen zusammen, manchmal hilft ein Gastgeber nach
Zu den Gastgebern der Vesperkirche gehört auch Friedrich Appold. Er ist Rentner, stammt aus der Nähe von Oberschwarzach und fährt momentan jeden Tag 35 Kilometer, um die Gäste der Vesperkirche zu bewirten. „Ich bin gerne unter Menschen und möchte auch etwas zurückgeben“, begründet Appold sein Engagement. Eine Grundeinstellung, die seiner Meinung nach in unserer Gesellschaft immer mehr verloren geht.
Von der Schweinfurter Vesperkirche habe er aus der Zeitung erfahren. Im vergangenen Jahr ist Friedrich Appold zum ersten Mal dabei gewesen. Dieses Jahr ist er es wieder, in erster Linie „weil man so viele verschiedene Leute treffen kann“. Wie im vergangenen Jahr. Da hat der Rentner eine Begegnung gemacht, an die er sich gerne zurückerinnert.
Da die Platzvergabe in der Vesperkirche rein zufällig erfolgt, kam eine ältere Dame aus dem Bergl mit an Friedrich Appolds Tisch und erzählte ihm, dass sie alleine in einer großen Wohnanlage lebt und sich oft einsam fühle. Im Laufe des Tages lernte Appold dann eine zweite Frau kennen, ebenfalls aus dem Bergl. Schließlich brachte der Rentner die beiden Frauen zusammen, die seitdem Freundinnen sind und so auch rausfanden, dass sie direkt gegenüber wohnen.
Bevor sich die Türen öffnen: Team-Besprechung
Doch bevor es für Friedrich Appold an die Arbeit geht, kommen alle der rund 60 Gastgeber, die für diesen Tag eingeteilt sind, noch für eine Team-Besprechung zusammen. „Es geht nicht um Perfektion oder um Schnelligkeit“, unterstreicht Keßler-Rosa, „kleine Fehler sind viel sympathischer, als wenn alles glatt läuft.“
Dann teilt Victor Elias, stellvertretend für Norbert Holzheid, die Gastgeber in ihre Bereiche ein. Im Schnitt jeweils vier bis fünf Personen sind für Bedienung, Essensaus- und Rückgabe, Begrüßung, die Kasse, das Spülen, Bügeln und die Kinder-Betreuung zuständig. Jede Gruppe hat zusätzlich noch einen Bereichsleiter.
„Es ist schön, Leuten zu helfen“, sagt Gastgeberin Edeltraud Hederich
Nach einem kurzen Gebet schwirren die Gastgeber schließlich zu ihren jeweiligen Einsatzorten aus. In kleinen Gruppen werden die Details besprochen. Im Kirchengang steht schon Edeltraud Hederich bereit. Die 70-jährige Schweinfurterin gehört zum Begrüßungskomitee. „Es ist schön, Leuten zu helfen“, sagt die Rentnerin über ihr Engagement in der Vesperkirche. Da ihre Kinder schon ausgeflogen sind und Hederich alleine lebt, kam ihr die Idee, sich ehrenamtlich zu engagieren.
„Ich war schon überall und es hat an jeder Station Spaß gemacht“ und auch über die Gäste könne sich die 70-Jährige nicht beklagen. Mittlerweile ist es kurz vor halb elf. Vor der Kirche hat sich schon eine lange Schlange gebildet. Aufgeregt sei sie nicht, versichert Edeltraud Hederich: „Ich bin mit Spaß an der Freude dabei.“
Dann strömen die Gäste herein
Und dann geht es los. Als sich die Türen öffnen und die Gäste hereinströmen, herrscht im gesamten Gotteshaus keine Spur von Anspannung oder Hektik. Hederich begrüßt freundlich ihre Gäste und hat für jeden ein nettes Wort übrig. Sabine Heine steht derweil am Altar und teilt ihr per Handzeichen mit, wie viele Gäste momentan an den Tischen Platz nehmen können. Anschließend werden die Gäste zum Tisch gebracht. Dann kommen die Bedienungen, servieren 400 Essen am Tag, räumen die Tische ab und decken sie neu ein.
Auch Friedrich Appold flitzt in seinem roten Pullover zwischen den Tischreihen umher. Er ist als Bedienung eingeteilt. „Es läuft super. Lauter freundliche Menschen“, sagt er im Vorbeigehen mit einem breiten Lächeln im Gesicht und hat kurz darauf ein neues Tablett voller Suppenteller in der Hand.
Für Renate Reichert ist die Vesperkirche eine Herzensangelegenheit
Etwas ruhiger geht es da noch bei Renate Reichert in der Cafeteria zu. Sie wartet noch auf den großen Ansturm und hat Zeit für ein kurzes Gespräch. Die Vesperkirche sei für sie eine Herzensangelegenheit. Traurig mache sie deshalb die Undankbarkeit mancher Gäste, die sich bei einem Beitrag von 1,50 Euro über den Kuchen beschweren oder „immer nur an sich denken“. Solche Fälle seien aber die Ausnahme, versichert Reichert. Dann geht sie los und holt frischen Kaffee.
„Ich bin hin und weg und weiß gar nicht genau, was ich sagen soll“, lobt Jochen Keßler-Rosa den Einsatz der Gastgeber. Er sei immer wieder überrascht, wie viele Menschen sich bereit erklären zu helfen. Deshalb sei es bei der Vesperkirche „keine Schwierigkeit, genügend Helfer zu finden“. Auch Georg Pfennig vom Repair-Café ist in diesem Jahr zum ersten Mal dabei.
Sind die Semmelknödel aus, muss sich der Pfarrer etwas einfallen lassen
Doch bevor der Pfarrer weitererzählen kann, kommt Gertrud Wolf, Koordinatorin der Bedienungen, auf ihn zu, denn es gibt ein Problem: die Semmelknödel sind aus. Sofort brauchen die beiden einen Plan B. „Das gehört eben auch dazu“, meint Keßler-Rosa locker und macht sich auf, um Brötchen zu besorgen.
Um 13 Uhr kehrt beim „Wort in der Mitte“ von Pastoralreferentin Ida Ziegler zum ersten Mal an diesem Tag besinnliche Ruhe in der Kirche ein. Und auch die Gastgeber können für ein paar Minuten in den Kirchenbänken durchschnaufen.
Noch bis in den späten Nachmittag sind die meisten von ihnen auf den Beinen. Am Ende des Tages gehen sie aber alle gut gelaunt mit einem Lächeln nach Hause. „Ich wünschte mir, die Vesperkirche wäre zwei Mal im Jahr“, sagt Edeltraud Hederich, denn „ich fühle mich einfach wohl.“ Und auch Renate Reichert ist noch gut gelaunt auf den Beinen: „Im Großen und Ganzen war es ein schöner Tag“, sagt sie, denn sie weiß, „wir machen Menschen mit unserer Arbeit glücklich, weil wir alle mit Herzblut dabei sind.“
Vesperkirche 2017 – eine erste Bilanz
Die Helfer: Um bei der Dritten Schweinfurter Vesperkirche an 22 Tagen die täglich 410 Menüs (gesamt 9020) auf die gedeckten Tische zu bringen, waren vom 22. Januar bis 12. Februar täglich 60 Gastgeberinnen und Gastgeber (gesamt rund 250) im Einsatz. Ebenfalls ausschließlich im Ehrenamt haben diese die Kasse besetzt, Frauen und Männer für die Begrüßung abgestellt, das Essen und ebenso Kaffee und Kuchen ausgegeben, Geräte und Nahrungsmittel transportiert, gespült und geputzt.
Mit Spannung wird jetzt der Kassensturz erwartet. Das Menü kostete für Erwachsene 1,50 Euro, für Kinder 50 Cents, – bei einem Selbstkostenpreis von durchschnittlich fünf Euro. Die Aktion ist somit auf Spenden und Sponsoren angewiesen.
Kostenfrei konnten die Besucher zudem Dienstleistungen wie Haare schneiden oder Blutdruck messen und die vielen (Beratungs-)Angebote des Diakonischen Werkes in Anspruch nehmen.
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