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Gerolzhofen
Faul, unzuverlässig, veraltet? Wie sich ein Metallbauer aus Gerolzhofen gegen Vorurteile im Handwerk wehrt
Das Handwerk leidet unter einem schlechten Image. Welchen Vorurteilen Christian Baur im Handwerk begegnet und wie er junge Menschen vom Gegenteil überzeugen will.
Der Metallbaumeister Christian Baur aus Gerolzhofen wirbt für ein besseres Image im Handwerk.
Foto: Anand Anders | Der Metallbaumeister Christian Baur aus Gerolzhofen wirbt für ein besseres Image im Handwerk.
Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:26 Uhr

Viele regionale Handwerksbetriebe blicken mit Sorge in die Zukunft. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist laut Handwerkskammer von Unterfranken seit Jahren rückläufig. Wurden 2012 noch 3002 neue Verträge abgeschlossen, waren es 2022 nur noch 2530 - in zehn Jahren ein Minus von 16 Prozent. Den Betrieben fehlt der Nachwuchs.

Einer der Gründe, weshalb immer weniger junge Menschen den Weg Richtung Handwerk wählen, ist laut Stimmen aus der Branche zufolge auch ein schlechter Ruf. Vorurteile wie schlechte Bezahlung, anstrengende Arbeit und veraltete Arbeitsweisen halten sich hartnäckig. Christian Baur, Metallbauer mit Betrieb in Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt), will daran etwas ändern. 

Seit seiner Jugend hat sich Baur dem Handwerk verschrieben. Schon während der Schulzeit packte er im Familienbetrieb mit an, schnitt Metall oder half auf Baustellen Balkongeländer anzuschrauben. "In der Abschlussklasse war für mich klar, dass ich Metallbauer werde", sagt Baur. Heute ist der 28-Jährige Metallbauer-Meister, internationaler Schweißfachmann und öffentlich bestellter und verteidigter Sachverständiger. Zusammen mit seiner Mutter Ruth Baur leitet er seit acht Jahren den Familienbetrieb.

Baur hat einen Gesellen und ab kommenden September wieder einen Lehrling. Und sagt: "Wir hätten gerne noch mehr, aber es wird immer schwieriger, Menschen für den Beruf zu finden." Mit seiner Firma würde er sich schon seit Jahren auf Berufsinformationstagen aktiv um Nachwuchs bemühen. "Wir kooperieren mit Schulen, um Schülerinnen und Schülern früh einen Einblick in unseren Betrieb und ins Handwerk zu verschaffen." Doch trotz positiver Resonanz von allen Seiten würden sich viele junge Menschen am Ende ihrer Schulzeit letztlich doch lieber für eine Ausbildung in der Industrie entscheiden oder für einen Job am Schreibtisch.

"Landläufig wissen viele nicht, wie weit sich das Handwerk mittlerweile entwickelt hat."
Christian Baur, Metallbaumeister aus Gerolzhofen.

Einen Grund dafür sieht Baur in dem falschen Bild, das die Gesellschaft von seinem Beruf habe. Vorurteile über eine viel zu anstrengende und in Teilen veraltete Arbeitsweise prägten oft das Außenbild. "Landläufig wissen viele nicht, wie weit sich das Handwerk mittlerweile entwickelt hat", sagt Baur und zieht ein Smartphone aus der Tasche. Als Metallbauer arbeite er heute mit modernster Software, mit der er Teile virtuell verbaue oder vermisst. "Nur so können wir den gestiegenen Anforderungen von Kundinnen und Kunden gerecht werden." Den Arbeitsalltag im Betrieb organisiert der 28-Jährige längst digital und mithilfe von Apps.

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Ein Beruf im Handwerk biete einige Vorteile, meint Baur: "Bei uns ist kein Projekt gleich. Du kannst dir einfach alles überlegen und bauen, wozu du Lust hast." Egal ob Kleiderhaken, Handyhalter oder Einfahrtstor mit integrierten LED-Lampen: der Kreativität und den gestalterischen Möglichkeit im Metallbau seien keine Grenzen gesetzt, sagt der Gerolzhöfer. Und anders als in er der Industrie gebe es keinen Schichtdienst, außerdem tariflich geregelte Löhne und Zulagen.

Firmenchefin Ruth Baur: Betriebe sollten mehr für sich werben

"Viele Betriebe haben es in den vergangenen Jahren nur versäumt, nach außen zu zeigen, wie schön und sinnstiftend diese Arbeit eigentlich ist", sagt Firmenchefin Ruth Baur. Wohl auch, weil es bis vor einigen Jahren noch mehr Bewerber als freie Stellen gab. "Wer damals Öffentlichkeitsarbeit betrieb, wurde eher dafür belächelt, "nach dem Motto: Hast du nicht genug zu tun?", erinnert sich die 54-Jährige.

Christian Baur will "gegen dieses falsche Bild etwas unternehmen und die Leute erreichen." Dafür verschiebt der 28-Jährige auch mal einen Termin. Und wenn es sein muss, reist er dafür auch mal in seiner Freizeit 650 Kilometer quer durch Deutschland, bis nach Güstrow in der Nähe von Rostock.

Instagram-Account und Musikvideo auf YouTube: Wie Betriebe junge Menschen erreichen wollen

Mit 36 anderen Handwerkerinnen und Handwerkern aus ganz Deutschland nahm er kürzlich dort an einem Videodreh für das Projekt "Das Beste am Handwerk" teil. "Ich schaue immer in den sozialen Medien, wo gerade was los ist", sagt der Unterfranke. Als er auf Instagram die Webseite "Das Beste am Handwerk" entdeckte, sei ihm sofort klar gewesen: "Da muss ich dabei sein." Nach einem kurzen Telefonat lud ihn Initiator Tobias Böse zum Dreh nach Mecklenburg-Vorpommern ein. Der Instagram-Account "Das Beste am Handwerk" besitzt knapp 20.000 Follower.

Böse, stellvertretender Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Nordwestmecklenburg-Wismar, ist gelernter Zimmermann und hat 2016 das Projekt ins Leben gerufen. "In erster Linie war es für Innungsbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern gedacht, um die regionalen Ausbildungsbetriebe in der Region sichtbar zu machen", sagt Böse. Weil viele Handwerksbetriebe keine Zeit und wenig Ideen dafür hätten, öffentlich nachhaltig präsent zu sein, würden sie für jungen Menschen unsichtbar sein.

Durch die Aktionen habe sich plötzlich etwas in der Branche bewegt: "Wir hatten bei uns in der Kreishandwerkerschaft in 2019 fast 25 Prozent mehr Ausbildungsverträge im Vergleich zu den Jahren davor, auch dank unseres Projekts", sagt Böse. Über die sozialen Kanäle wie Instagram, TikTok oder Facebook würden er und seine Mitstreiter dafür sorgen, dass Jugendliche sich beruflich orientieren könnten.

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So entstand auch das YouTube-Video: Darin sieht man Metallbauer Christian Baur zusammen mit Schornsteinfegerinnen oder Heizungsmonteuren, wie sie zu einem Songcover der Berliner Metalcore-Band "We Butter the Bread with Butter" Kettensägen, Hämmer und Werkzeuge schwingen und tanzen. Das Lied habe man für den Dreh extra umgeschrieben, neu aufgenommen und vertont, sagt Böse. Auf Instagram hatte das entstandene Video nach einem Monat knapp 11.500 Aufrufe. "Jetzt wollen wir das Projekt über ganz Deutschland transportieren." 

Metallmusik und Handwerk: Einblick in Arbeit und Alltag

"Ich habe mir durch das Video erhofft, neue Leute kennenzulernen und für mehr Begeisterung im Handwerk zu werben", sagt der Gerolzhofener Firmenchef. Auch wenn er selbst lieber Rockmusik höre: "Metallmusik und Handwerk passt gut zusammen."

Die Menschen im Handwerk müssten gemeinsam daran arbeiten, mehr Einblicke in Arbeit und Alltag zu gewähren, ist Baur überzeugt. Er selbst hat sich vorgenommen, künftig aktiver in den sozialen Medien zu sein - "auch wenn es Zeit und Geld kostet". 

Was verdient ein Azubi im Metallbau?

Metallbauerinnen und Metallbauer formen, fertigen, montieren oder kreieren Gegenstände aus Stahl und anderen Metallen. Von Fensterumrahmungen über künstlerische Metallverzierungen bis hin zu Kühlsystemen für Transporter sind sie Spezialisten rund um die Metallverarbeitung. Die Ausbildung dauert dreieinhalb Jahre und ist in den Fachrichtungen Konstruktionstechnik, Gestaltung oder Fahrzeugbau möglich. Die Ausbildungsvergütungen betragen aktuell im ersten Lehrjahr 800 Euro, im zweiten 850 Euro, im dritten Lehrjahr 1000 Euro und im vierten Lehrjahr 1060 Euro. Ausbildungsplatzangebote in der Region gibt es über die Lehrstellenbörse der Handwerkskammer von Unterfranken.
Quelle: Handwerkskammer für Unterfranken
 
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  • berndschebler@mail.de
    Die Jugendlichen sind heutzutage zu faul zu arbeiten. Solch lasche Jugendliche hat es früher nicht gegeben. Die werden heute von klein auf verhätschelt und vertäschelt von den Eltern. Du musst dir doch die Hände nicht dreckig machen, gehe lieber Studieren, ja bis sie oder er 30 Jahre alt ist. Wenn dann was handwerklich zu machen ist, da haben sie keine Ahnung wie das geht. Da können die meisten nicht mal einen Reifen am Auto wechseln, hier wird erst mal der ADAC angerufen. Wer ein Handwerk gut beherrscht und sein Wissen immer wieder erweitert, der wird gut durchs Leben gehen.
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  • dbuettner0815@gmail.com
    @huh: Sie bellen mal wieder viel zu pauschal! 🫢
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  • berndschebler@mail.de
    @gardner, warum kritisieren Sie die Kommentare immer wieder von mir? Schreiben Sie selbst Ihre eigenen Kommentare und gut ist es.
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  • dbuettner0815@gmail.com
    @huh: Weil Ihr Kommentar ein falsches, pauschaliertes Bild auf Jugendliche ausdrückt. Comprende?
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  • eddy3001
    Ich habe mich erst kürzlich mit einem Fahrlehrer unterhalten, der jedes Jahr 70 Schüler hat. Er sagt ganz deutlich was die aktuelle Generation Jugend auf die Beine stellt -> nichts

    Grosse Klappe
    Erwartungshaltung enorm
    Böse Anrufe der Eltern, wenn man das arme Kind einen Rüffel erhalten hat
    Es muss alles einem gemalt werden

    Klar sind nicht alle so, jedoch geht für mich die Tendenz schon dahin, dass unser Wohlstand die Zukunft bedenklicher gestaltet. Kids bekommen oft vermittelt, alles machen zu können ohne Konsequenz oder Anstrengung. Dadurch werden auch Jobs nicht mehr in Betracht gezogen, die grundsätzlich aller Ehren wert sind .
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  • Braun_Matthias@hotmail.com
    Das Hauptproblem aus meiner Sicht ist, dass bei der Entwicklung der Lebenshaltungskosten der letzten Jahrzehnte viele Menschen in Handwerksberufen hier im Nachteil gegenüber Menschen sind, die z.B in Schichtarbeit in der Industrie arbeiten. Es liegt oft nicht an der Arbeit , sondern am Lohn welchen man dafür bekommt . Hier muss es Lösungen geben um Handwerksberufe aufzuwerten. Wie die Lösungen aussehen (steuerliche Vorteile.... ) muss man politisch diskutieren. Ich bin sicher, dass dann die Menschen handwerkliche Berufe attraktiver finden.
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    "Das Handwerk hat Goldenen Boden."

    Diese Phrase hört man doch seit Jahrzehnten, vielleicht kommt nun die Zeit auf die diese Phrase mal zutrifft. Wäre es in der Vergangenheit der Fall gewesen, dann gäbe es keine Nachwuchssorgen.

    Letztlich kämpfen viele Branchen bereits jetzt oder zukünftig um Nachwuchs. Das liegt natürlich am demografischen Wandel. Es gibt immer weniger junge Leute und gleichzeitig wesentlich mehr Berufsfelder.

    Gute junge Leute entscheiden sich verständlicherweise meist nach Attraktivität und Verdienstmöglichkeiten. Und gerade kleine Handwerksbetrieben scheinen hier nicht so attraktiv zu sein .

    Warum soll ich mir auch die Hände schmutzig machen und schwer heben etc. wenn ich anderswo einen bequemen, gut bezahlten Bürojob habe der sich vielleicht auch noch besser mit Familie vereinbaren lässt? Auch so eine Arbeit kann sinnstiftend und abwechslungsreich sein - wobei manche Arbeitnehmer auch froh sind nicht jeden Tag vor neuen Herausforderungen zu stehen.
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  • aleuss21052604
    Es klingt dumm, aber ich habe beim öffentlichen Dienst gearbeitet und wechseln wieder ins Handwerk, weil es mir mehr Spass bei der Arbeit bringt👌☺️
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  • Funkenstern
    Das Handwerk hat Goldenen Boden.
    Diese Redensart wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wieder bekannt werden.
    Es muss ja nicht gerade Metaller sein. Jedoch werden eineige Studierte merken, dass alleine mit Youtubevideos keine Reparaturen gleich welcher Art professionell zu leisten sind.
    Denn: in D brauchst mittlerweile für alles einen Zettel oder eine Zertifizierung.
    Wer zwei linke Hände hat, wird in den nächsten Jahren lange auf Handwerker warten.
    Wer dann noch fragt, ob da noch was "am Preis " zu machen ist, wird sich wundern.
    Das ist definitiv rum....
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  • wisi
    Verteidigt vielleicht auch...
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