Wer momentan einen Handwerker oder eine Handwerkerin braucht, muss oft lange warten. Das liegt auch daran, dass dem Handwerk die Fachkräfte fehlen – und der Nachwuchs. Bei einem Treffen diskutierten Vertreter der Berufsschulen in Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen sowie der Kreishandwerkerschaften der beiden Landkreise über die aktuelle Lage. Dabei überlegten sie gemeinsam, wie wieder mehr junge Menschen für das Handwerk begeistert werden können.
Wie viele Ausbildungsstellen sind offen im Handwerk in Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen?
"Es ist wirklich fünf vor zwölf", sagt der Rhön-Grabfelder Kreishandwerksmeister Bruno Werner. Wie viele Azubis konkret fehlen, teilt auf Anfrage Barbara Hoffstadt (Leiterin Ausbildung und stellvertretende Leiterin Geschäftsbereich Berufsbildung der Handwerkskammer für Unterfranken) mit. Demnach sind zum Ausbildungsbeginn September in der Region Schweinfurt/Main-Rhön noch knapp 600 Lehrstellen verfügbar. Eine Abfrage dieser Redaktion am 29. Juli in der Börse für die größten Städte in den beiden Rhön-Landkreisen ergibt allein für Bad Neustadt 17 offene Stellen, für Bad Königshofen 12, für Mellrichstadt zwei, für Münnerstadt fünf und für Bad Kissingen 22.
Welche Gründe sehen Berufsschulleiter und Betriebsinhaber für den Azubi-Mangel?
Als Hauptgrund sehen alle Diskussions-Teilnehmer das Image des Handwerks. "Das Handwerk hat einfach keinen guten Ruf mehr", meint Ullrich Amthor, Bäckermeister mit eigenem Betrieb und stellvertretender Kreishandwerksmeister in Bad Kissingen. Nach Aussage von Bruno Werner müsse sich die Wertschätzung für das Handwerk erst wieder entwickeln, was aber lang dauern würde, meint er.
Michael Wimmel, der die Berufsschule in Bad Neustadt leitet, hofft, dass sich die Lage auch dadurch verbessert, dass derzeit viele Menschen lange auf einen Handwerker oder eine Handwerkerin warten müssen und dass sich dadurch die Wertschätzung wieder erhöht.
"Viele Jugendliche wollen ins Handwerk, aber die Eltern entscheiden etwas anderes. Man versteht es ja auch, sie wollen das Beste für ihre Kinder. Es ist natürlich gut, wenn man sich in seinem Beruf nicht dreckig macht und damit viel Geld verdient. Die Frage ist aber, ob man damit glücklich ist", sagt Klaus Engelmann, der einen Metallbaubetrieb führt und stellvertretender Kreishandwerksmeister in Rhön-Grabfeld ist.
Laut Michael Wimmel ein Dilemma, dass dazu führe, dass viele Jugendliche mit Mittlerer Reife momentan über die Fachoberschule in den akademischen Weg drängen würden. Hinzu komme, dass es derzeit weniger junge als ältere Menschen gebe.
Was tun die Betriebe, um neue Azubis zu gewinnen?
"Ohne Praktika kommt bei mir fast keiner mehr rein. Sie machen dazu Referate in der Schule und müssen den Beruf vorstellen. Dadurch gewinnt man sie dann auch und weckt das Interesse", sagt Klaus Engelmann. Der Erfolg sei aber abhängig davon, wie die einzelnen Schulen Praktika in Handwerksbetrieben handhaben würden.
Klaus Engelmann hält Vorträge in Schulen, um junge Menschen von einer Ausbildung im Handwerk zu überzeugen. Auch Ullrich Amthor hält es für wichtig, den Kontakt zu den Schülern und Lehrern zu suchen und zu halten, zum Beispiel könne er über Aktionen wie "Gesundes Pausenbrot" seine Philosophie vermitteln.
Was unternehmen die Berufsschulen gegen das Problem?
Gerade Mittel- und Realschulen seien bei der Berufsberatung bereits sehr aktiv, von Gymnasien würde er sich mehr Berufsorientierung auch in Richtung Handwerk wünschen, sagt Wimmel. Schüler, die danach keinen Ausbildungsplatz bekommen und noch schulpflichtig sind, werden automatisch in die einjährigen Berufsvorbereitungs-Klassen (BVJ) der Berufsschulen aufgenommen.
Hier wird unter anderem mit Praktika und Berufsberatung versucht, den jungen Männern und Frauen auf dem Weg zu einem Ausbildungsplatz zu helfen, erklärt Michael Wimmel. "Wir hatten schon Glück mit Leuten aus dem dem BVJ. Viele von ihnen sind handwerklich begabt, auch wenn sie mit der Theorie Probleme haben", sagt Ulrike Lochner.
Welche Vorteile sehen die Gesprächsteilnehmer in einem Handwerksberuf?
"Man kann seine praktischen Fähigkeiten nutzen", findet Ullrich Amthor. "Und selbst etwas entwickeln", fügt Ulrike Lochner hinzu. Sie führt eine Baudekorations-Firma und ist Bad Kissinger Kreishandwerksmeisterin. "Ein Handwerker sieht, was er geleistet hat und ist glücklich", so Klaus Engelmann. Wichtig findet er auch, dass man im Handwerk im Team arbeiten könne. Handwerksfirmen seien familiär geführt, der Umgang miteinander wertschätzend.
"Der raue Ton muss natürlich schon mal sein, aber das ist kein Vergleich mehr zu früher", betont Karin Maywald, Leiterin der Berufsschule Bad Kissingen. "Auch das Vorurteil, dass man wie vielleicht noch vor 20 oder 30 Jahren im Handwerk ausgenutzt wird, trifft nicht mehr zu", meint Ullrich Amthor.
Bruno Werner und Ulrike Lochner betonen die Vielseitigkeit der Arbeit und widersprechen einem gängigen Vorurteil. "Auch in der Ausbildungszeit gibt es vom Gehalt her keine großen Unterschiede zur Industrie", sagt Werner. Wimmel sieht die Ausbildung als Basis, nach der Lehre könne man sich mit Weiterbildungen in alle Richtungen entwickeln, den Meister und später ein Studium dranhängen oder sich selbständig machen. Nachfolger würden derzeit in vielen Betrieben gesucht.