Thymian, Zitronenmelisse oder Salbei sind den meisten bekannt. Diese Kräuter und Gewürze wachsen in vielen Hausgärten. Wer dagegen nach Schildampfer, Mönchspfeffer oder Rasenkamille sucht, der wird im durchschnittlichen Garten kaum fündig. In Gerolzhofen gibt es allerdings einen Ort, wo diese und etliche weitere, selten gewordenen Kräuter wachsen.
Seit zehn Jahren gibt es den Heilkräutergarten in den Nützelbach-Auen. Das 160 Quadratmeter große Areal, das ein Staketenzaun umgibt, haben im Sommer 2013 Freiwillige im Rahmen der 72-Stunden-Aktion auf grüner Wiese angelegt. Heute finden die Besucherinnen und Besucher dort, auf öffentlich zugänglichem städtischen Grund, einen abwechslungs- und lehrreichen Lebensraum für zahlreiche Pflanzen und Tiere, die sich beispielsweise in der Benjeshecke aus Pflanzenschnitt tummeln.
Die Kräuterfachfrau und ausgebildete Kräuterführerin Rita Popp (57) und Sabine Ditterich, die Gärtner- und Staudenmeisterin ist, dürfen getrost als die beiden "guten Seelen" des Kräutergartens bezeichnet werden. Ihnen stehen bis zu zehn weitere Helferinnen und Helfer zur Seite, die sich regelmäßig das ganze Jahr über darum kümmern, dass im Kräutergarten alles passt. Vor allem im Frühjahr, wenn der Rückschnitt der Pflanzen ansteht, gibt es einiges zu tun, berichtet Ditterich.
Der Kräutergarten lässt sich auf eigene Faust erkunden oder in der Gruppe
Wer den Kräutergarten nicht auf eigene Faust erkunden möchte, findet grundlegende Informationen zu den dort wachsenden Pflanzen auf Hinweisschildern und ausliegenden Flyern. Wem das nicht genügt, der kann über die Tourist-Information im Alten Rathaus in Gerolzhofen Gruppenführungen im Kräutergarten buchen. Solche werden auch immer wieder zu festen Terminen angeboten. Zudem nutzen Schulklassen, aber auch Kindergärten die Chance, dort im Praxisunterricht etwas über die Wirkung von Heilkräutern zu erfahren.
Popp und Ditterich sind bei solchen Anlässen als Führerinnen und Kräuterkundige gefragt. Sie vermitteln jedoch nicht nur fast in Vergessenheit geratenes Wissen rund um Heilkräuter. Sie sorgen auch dafür, dass alte Kräuter sich weiter verbreiten. Hierzu ziehen sie aus Samen aus dem Kräutergarten neue Pflanzen, "die nicht in jeder Gärtnerei zu erhalten sind", wie Ditterich sagt. Die Pflanzen verkaufen sie.
Alle Kräuter im Garten sind winterhart. Gegossen wird hier nicht. Deshalb kann der Kräutergarten auch Praxistipps liefern, wenn sich jemand nach Pflanzen umschauen möchte, die mit den trockener werdenden Sommern hierzulande zurechtkommen. Und auch, was sich im Garten wild ansiedelt, darf bleiben und wird nicht ausgerupft, schildert Popp.
Nicht alle Pflanzen im Kräutergarten sind bekömmlich
Wer mit mit den Kräuterfachfrauen den Garten besucht, der muss sich nicht damit begnügen, alles mit den Augen zu betrachten. Die beiden lassen einen gerne an den Blättern und Samen bestimmter Pflanzen schnuppern. Es darf auch gekostet werden. Wer den Kräutergarten ohne fachliche Begleitung erkundet, sollte davon jedoch Abstand nehmen. Denn einerseits gibt es einen – allerdings extra markierten – Bereich, in dem auch giftige Pflanzen wachsen. Andererseits würde der Garten auf Dauer leiden, wenn jeder an den Pflanzen herumzupft.
Noch wertvoller sind aber sicherlich die Hinweise, die Popp und Ditterich den Besucherinnen und Besuchern mit auf den Weg geben können. So empfiehlt Popp beispielsweise die "Jungfer im Grünen". Die blau-weiß blühende Sommerblume sieht nicht nur hübsch aus, sondern dient auch als Gewürz. Ihre würzigen Samen können Pfeffer ersetzen. Auch die Schildampfer ziert mit ihrem blauen Laub nicht nur jeden Garten. Ihre Blätter schmecken ähnlich wie die der Sauerampfer säuerlich und verfeinern etwa Salate. Winterharte Gresse, die Popp noch empfiehlt, erinnert nicht nur im Geruch an Wasabi, sondern schmeckt auch so.
Die gute Seite der Brennnessel
Das Wort "Unkraut" verwendet die 54-Jährige nur ungern. Für sie sind alle Pflanzen, die im Garten aufgehen, erwünscht und haben ihren Platz im Haushalt der Natur. Und umso besser ist es dann, wenn die Pflanzen auch dem Menschen und dessen Gesundheit dienen, wie die Rasenkamille, die eine ähnliche Heilwirkung wie die echte Kamille hat. Steinklee, nennt Popp als weiteres Beispiel für eine Heilpflanze, wirke blutverdünnend. Und als ihre Lieblingspflanze bezeichnet sie ein Gewächs, mit dem sich nur wenige auf Anhieb anfreunden können: die Brennnessel. Deren Bitterstoffe regen die Verdauung an, wenn sie beispielsweise als Tee eine halbe Stunde vorm Essen zu sich genommen wird.
Und noch einen Einblick in die Apotheke der Natur liefert die Kräuterführerin: Das Kleine Mädesüß verströme nicht nur einen "wahnsinnigen Duft", sondern sei auch ein natürlicher Süßstoff. Aus der Pflanze lassen sich Sirup und Tee herstellen.