Der Angeklagte ist 86 Jahre alt. Er hat die deutsche und paraguayische Staatsbürgerschaft und ist – so sagt er – der Schwiegersohn eines früheren Staatspräsidenten des südamerikanischen Landes. Seit 52 Jahren sei er als Jurist tätig, in Paraguay nach wie vor als Anwalt zugelassen, sogar beim Obersten Gerichtshof. In Deutschland aber ist er es nicht mehr – und zwar seit 2012. Die Rechtsanwaltskammer hatte ihm die Zulassung entzogen.
Gleichwohl hat der promovierte Jurist, der seit Jahren wieder überwiegend in Deutschland lebt, sich immer wieder als Rechtsanwalt ausgegeben und ist dafür mehrfach rechtskräftig verurteilt worden. 2015 verhängte das Landgericht Schweinfurt als zweite Instanz gegen ihn eine Geldstrafe von 900 Euro.
Er habe, so der Richter damals, in seinen Schriftsätzen, "Rechtsanwalt" nicht nur als Übersetzung des spanischen Begriffes "Abogado" kenntlich gemacht, sondern auch eindeutig von "anwaltlicher Hilfe" und "Mandanten" gesprochen. In einer Verhandlung in gleicher Sache gegen ihn in Schweinfurt 2018 stellte sich heraus, dass er ebenfalls wegen Titelmissbrauchs ein Jahr davor vom Landgericht Nürnberg-Fürth rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 2700 Euro verurteilt worden war.
Der "Abogado" ist Wiederholungstäter
Die aktuellsten beiden Fälle, die ihm nun vor dem Schweinfurter Amtsgericht zur Last gelegt wurden, stammen aus 2022. Demnach soll der 86-Jährige sich am 14. Februar in der Ausländerbehörde der Stadt Schweinfurt in einem Telefonat als "Rechtsanwalt" eines Asylbewerbers vorgestellt haben. Erst auf Anforderung sei der Behörde eine Vollmacht gemailt worden, aus der hervorgeht, dass ihm lediglich der ausländische Titel "Abogado" zustehe, was übersetzt "Rechtsanwalt" bedeutet.
Und: Im Mai dieses Jahres habe sich der Angeklagte einer Angestellten des Amtsgerichts Schweinfurt gegenüber ebenfalls in einem Telefonat mehrfach als Rechtsanwalt eines Mannes bezeichnet, gegen den ein Verfahren anhängig war. Diese zweite Anklage wurde kurzfristig mit der Verhandlung des Strafbefehls verbunden.
Was sagt der Angeklagte dazu? Er bestreitet in beiden Fällen kategorisch, sich in den Telefonaten als "Rechtsanwalt" bezeichnet zu haben. Es könne allenfalls sein, dass er der Gerichtsangestellten gegenüber von "Verteidiger" gesprochen habe.
Zeuginnen: Er hat sich als Rechtsanwalt bezeichnet
Die beiden Frauen aber erinnerten sich im Zeugenstand genau daran, dass er sich auf Nachfrage als Rechtsanwalt ausgegeben habe. Sie hätten ihre Vorgesetzten darüber informiert, beziehungsweise eine Aktennotiz darüber gefertigt. Der Angeklagte aber meinte, der Missbrauchs von Titeln und Berufsbezeichnungen nach Paragraf 132a Strafgesetzbuch bezeichne ein Täuschungsdelikt, das – selbst wenn er sich als Rechtsanwalt bezeichnet hätte – nicht verwirklicht wäre, weil eine Sachbearbeiterin, die nichts zu entscheiden habe, dadurch nicht getäuscht werden könne.
Das sei eine Frage der Beweiswürdigung, sagte der Amtsrichter und machte einen Vorschlag: Den zweiten nachgereichten Anklagevorwurf einzustellen, wenn der Angeklagte seinen Einspruch gegen den Strafbefehl zurückzieht. Im Fall einer Verurteilung käme dann zumindest nichts mehr obendrauf. Der Staatsanwalt war einverstanden – der Angeklagte nach Beratung mit seiner Verteidigerin schließlich auch.
Somit wurde die sechsmonatige Freiheitsstrafe aus dem Strafbefehl, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt ist, rechtskräftig. Die Geldauflage von 2000 Euro passte das Gericht deutlich nach unten an seine Einkünfte an: 200 Euro, zu zahlen an die Kindertafel in Monatsraten zu 25 Euro. Seine Rente hatte der 86-Jährige zuvor mit 612 Euro angegeben.