Am 14. Dezember 2021, kurz nach 7 Uhr, klingelt's bei dem heute 30-Jährigen an der Wohnungstür. Es ist die Polizei mit Durchsuchungsbeschluss. Ihre "Vertrauensperson" hatte berichtet, der Wohnungsinhaber handle mit Blanko-Impfpässen, in denen zwei Covid-19-Impfungen bescheinigt würden, die in Wahrheit nie verabreicht worden wären.
Die Beamten finden auch drei unechte Impfpässe mit dem Stempel einer Bad Kissinger Arztpraxis – nur der Name des Inhabers musste noch eingetragen werden. Für 175 Euro soll der 30-Jährige derlei Fälschungen verkauft haben. Doch schon beim Eintreten duftet es verdächtig: "Es roch massiv nach Marihuana", sagt am Mittwoch ein Beamter als Zeuge im Prozess vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt.
Kokain im Dunstabzug
Er und seine Kollegen finden erhebliche Mengen an Rauschgift, das sie dort gar nicht vermutet hatten: 20,5 Haschisch-Platten mit einem Gesamtgewicht von fast einem Kilogramm, 250 Gramm Marihuana und 30 Gramm Kokain. Das weiße Pulver war in der Dunstabzugshaube versteckt. Der Mann wird festgenommen und wandert in Untersuchungshaft.
Ein paar Wochen später, im Januar, wird die Polizei wegen einer Ruhestörung durch eine Wohnungsnachbarin gerufen. Sie will wohl von ihrem eigenen Radau ablenken und erzählt den Beamten, dass auf dem Dachboden zwei Umzugskartons des 30-Jährigen stünden – wohl mit obskurem Inhalt. Bei Nachsehen kommen neun große Tüten zum Vorschein. Inhalt: neuneinhalb Kilo Marihuana.
"Beifang" wird schmerzen
Der "Beifang" der Wohnungsdurchsuchung – Besitz beziehungsweise Handel mit knapp elf Kilogramm Rauschgift – dürfte im Fall einer Verurteilung dem 30-Jährigen eine sehr viel schmerzhaftere Strafe einbringen als die drei Urkundenfälschungen. Das brachte seinen Verteidiger dazu, Gericht und Staatsanwaltschaft einen Deal vorzuschlagen: Bei vollem Geständnis seines Mandanten das Verfahren zum Handel mit Blanko-Impfzeugnissen einzustellen – und für den Rest eine Strafe zwischen vier und viereinhalb Jahren.
"Völlig unrealistisch", sagte dazu der Staatsanwalt. Auch ohne Geständnis sei die Beweislage gut. Alles andere als etwas zwischen sechseinhalb und siebeneinhalb Jahren komme nicht in Frage. Die Kammer konnte sich ein Strafmaß vorstellen, das zwischen fünfeinhalb und sechseinhalb Jahren liegt. Darüber hinaus würden die in der Wohnung des 30-Jährigen aufgefundenen knapp 37.000 Euro Bargeld als Tatertrag eingezogen. Darauf ließen sich auch Staatsanwaltschaft und Verteidigung ein.
Ausschweifender Lebensstil
Der Angeklagte hatte mit den Tränen zu kämpfen. Über seinen Anwalt ließ er einräumen, dass das Marihuana zum Verkauf – das Haschisch aber eher zum Eigenkonsum gedacht war. Als Betreiber eines Nachtclubs von 2015 bis 2017 sei er "einen ausschweifenden Lebensstil gewohnt" gewesen, habe viele Kontakte in die Betäubungsmittelszene gehabt und Cannabis erheblich selbst konsumiert. Auch den Besitz der drei Blanko-Impfpässe gab der Angeklagte zu. Zuletzt sei er arbeitslos gewesen.
Der psychiatrische Gutachter sah bei dem Mann keine Hinweise auf eine eingeschränkte Schuldfähigkeit, aber einen klaren Hang zum Konsum illegaler Drogen und regte die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Auf sechs Zeugen konnte aufgrund des Geständnisses verzichtet werden. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt – dann bereits mit Plädoyers und Urteilsverkündung.