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SCHWEINFURT
„Es muss von unten kommen, und es wird kommen“
Bio-Landwirt Hilmar Cäsar bewirtschaftet mit Gut Dächheim und Gutshof Werneck 370 Hektar Ackerfläche nach ökologischen Kriterien. Regierungspräsident Paul Beinhofer (rechts) und stellvertretende Landrätin Christine Bender (daneben) ließen sich mit anderen Vertretern von Behörden, Kommunen und Organisationen über den Anbau der Zuckerrüben aufklären.
Foto: Archiv Silvia Eidel | Bio-Landwirt Hilmar Cäsar bewirtschaftet mit Gut Dächheim und Gutshof Werneck 370 Hektar Ackerfläche nach ökologischen Kriterien.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:40 Uhr

Was wäre, wenn Glyphosat in Europa verboten wäre? „Das würde ein Umdenken in der Landwirtschaft erfordern“, sagt Hilmar Cäsar. Er hat diesen Umdenkungsprozess schon hinter sich. Der Pächter von Gut Dächheim hat seinen Betrieb 2008 auf bio umgestellt. „Zehn Jahre zu spät“, wie er meint, sonst wäre er jetzt weiter.

Eigentlich könnte sich Cäsar bei den gegenwärtigen Diskussionen um Glyphosat getrost zurücklehnen, als Biobauer versprüht er das Pestizid ja nicht auf seinen Äckern. Trotzdem ist es für ihn ein Thema: Der Einsatz von Glyphosat in der konventionellen Landwirtschaft kann durch die Abdrift auch Biobetriebe tangieren. Und als überzeugter Biobauer würde sich Cäsar sowieso ein Umdenken in der Landwirtschaft wünschen. Denn: „Ein guter Ackerbauer braucht kein Glyphosat.“ Der Kampf des Bauernverbands für die Verlängerung der Zulassung diene einzig „Großbetrieben, die schludern“.

27 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen werden mit Glyphosat bespritzt

Cäsar meint damit den Einsatz von Glyphosat in der Vorerntesikkation, also das Abspritzen des Unkrauts kurz vor der Ernte. „Das ist die schlimmste Anwendung“, sagt Cäsar und schiebt gleich nach: „Ich kenne keinen Betrieb in unserer Region, der das macht.“ Das bestätigt auch Joachim Dömling, der Pflanzenbau-Fachberater am Amt für Landwirtschaft in Schweinfurt: „Bei uns werden allenfalls Problemflächen behandelt.“ Und das seien nur wenige. Die letzte Erhebung des Landwirtschaftsamtes aus dem Jahr 2013 zeigt, dass deutschlandweit 27 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen mit Glyphosat bespritzt wurden, davon 3,8 Prozent in der Vorerntesikkation. „Und das ist weiter stark zurückgegangen“, versichert Dömling, aktuell seien es ein bis zwei Prozent der Ackerflächen.

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Also wäre ein Glyphosatverbot doch gar nicht schlimm? Glyphosat wird in der Region hauptsächlich nach der Ernte eingesetzt, um den Acker vor der neuen Aussaat unkrautfrei zu machen. Stünde es dem Landwirt nicht mehr zur Verfügung, müsste er sich Gedanken über die Bodenbearbeitung machen. Er müsste wie der Biobauer Zwischenkulturen aussäen, die das Unkraut unterdrücken. Er müsste die Zwischenkulturen wieder unterpflügen, um neu aussäen zu können.

„Wir könnten es uns leisten, dass alle Landwirte biologisch arbeiten.“
Hilmar Cäsar, Biolandwirt vom Gut Dächheim

Er müsste die Reihenabstände mehr als verdoppeln, um die Kulturen mit seinen Maschinen unkrautfrei halten zu können. Und er müsste mitunter noch die Hacke zur Hand nehmen, um Unkraut zu jäten. Und bei aller Müh' ist die Ernte dann trotzdem nicht ganz unkrautfrei. Etwa 20 Prozent Unkräuter sind immer dabei. Cäsar räumt ein, dass dies „eine Herausforderung ist“. Der höhere Aufwand bringt am Ende sogar nur den halben Ertrag.

Also doch Glyphosat? „Nein. Wir könnten es uns leisten, dass alle Landwirte biologisch arbeiten“, ist Cäsar überzeugt. Voraussetzung: „Wir müssen unsere Ernährungsgewohnheiten ändern.“ Vor allem der hohe Fleischkonsum müsse reduziert werden. Ein Beispiel: Um ein Kilogramm Schweinefleisch zu produzieren, sind 2,6 Kilogramm Getreide nötig. In Deutschland werden laut Fleischatlas jedes Jahr 60 Kilogramm Fleisch pro Kopf verzehrt und dafür 750 Millionen Tiere geschlachtet. „Wir können nur deshalb so viel Fleisch essen, weil das Soja aus dem Ausland kommt“, kritisiert Cäsar. Ohne diese Importe könnte in Deutschland nur die Hälfte des Fleisches produziert werden. Und dahin solle man wieder zurückkommen, sagt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE).

Immer mehr Landwirte stellen auf bio um

„Diese Art von Landwirtschaft war es auch, die Hilmar Cäsar vor zehn Jahren zum Umdenken bewegte. „Ich war nicht mehr zufrieden mit der Art und Weise wie ich gewirtschaftet habe.“ Nicht nur Cäsar geht es so, immer mehr Landwirte stellen um. Der Bio-Landbau in Deutschland wächst und wird auch gefördert. So wurde 2012 das Landesprogramm „Bio Regio Bayern 2020“ ins Leben gerufen, um die Erzeugung von Bio-Produkten bis zum Jahr 2020 zu verdoppeln.

„Das ist ambitioniert, wir schaffen es aber nicht“, sagt Pflanzenfachberater Joachim Dömling. Er hält zehn Prozent für realistisch. Aktuell sind unter den 2438 landwirtschaftlichen Betrieben im Raum Schweinfurt-Haßberge 130 ökologisch ausgerichtet. Das sind 5,33 Prozent.

Hilmar Cäsar dagegen ist „hundertprozentig optimistisch“. Er setzt seine Hoffnung in die Verbraucher. „Es muss von unten kommen, und es wird kommen.“ Dann werde auch der Landwirt zu dieser Überzeugung kommen. Das werde ihm aber nicht leicht gemacht, sagt Cäsar, denn „hinter Glyphosat steht auch eine große Maschinenindustrie“.

 
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  • 1Benedikt1
    Was für ein nichtssagender Bericht!!
    Worum geht es hier? Wegen einem umstrittenen Herbizid (Glyphosat) direkt auf Ökolandbau umzusteigen? Die meisten Landwirte gehen verantwortungsvoll mit den Pestiziden um und sind auch gesetzlich gezwungen nach dem Schadschwellenprinzip zu arbeiten. Das heißt: So viel wie nötig und so wenig wie möglich!
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