Eine derart angespannte Liefersituation, wie sie aktuell auf dem deutschen Medikamentenmarkt herrscht, habe er noch nicht erlebt, sagt Christian Hundeshagen, Inhaber der Medicon Apotheke in der Schweinfurter Stadtgalerie. "So viele und so breite Lieferengpässe wie jetzt gab es noch nie. Es brennt an so vielen Ecken. Das ist wirklich problematisch", sagt der Apotheker.
Bundesweit kommt es aktuell bei vielen Medikamenten zu erheblichen Lieferschwierigkeiten. Mehr als 340 Medikamente führt das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) derzeit in seiner Lieferengpass-Liste. Tendenz steigend. "Die Liste wird jeden Tag um drei bis vier Produkte länger", Sabine Neder, Inhaberin der Stein- und der Deutschhof-Apotheke in Schweinfurt.
Nachfrage nach Medikamenten zum Teil auf das Zwölf- bis 18-fache gestiegen
Als ein Grund für die Engpässe gelten die hohen Krankenzahlen aufgrund der überdurchschnittlich starken Erkältungssaison. "Die Nachfrage im Erkältungsmarkt ist wirklich enorm hoch. Wir hatten Monate, in denen wir das zwölf- bis 18-fache des Normalbedarfs abgegeben haben", sagt Hundeshagen.
Ein weiterer Grund sei die Festpreisregelung der Krankenkassen, also der Festpreis, den Kassen für ein bestimmtes Medikament bezahlen. Der sei für Schmerz- und Fiebersäfte im Frühjahr gesenkt worden, woraufhin viele Hersteller die Produktion eingestellt hätten, erklärt Hundeshagen. "Für viele waren die Säfte ein reines Imageprodukt, und dafür sind sie nicht bereit, noch mehr draufzuzahlen", so der Apotheker. Zudem hätten viele Großhändler aufgrund erhöhter Nachfrage im Sommer und unsicherer Lieferketten die üblichen Winter-Vorratskäufe der Apotheken abgesagt.
Problematisch sei momentan vor allem der Nachschub an Antibiotika für Atemwegserkrankungen und vielen Erkältungsmedikamenten. Aber auch einige Schmerzmittel, Krebs- und Herzmedikamente sowie einige Blutdrucksenker seien betroffen. Zudem sind viele Medikamente für Kinder knapp. Fiebersaft und Zäpfchen sind in Apotheken Mangelware. Hundeshagen warnt jedoch davor, die Situation durch Vorratskäufe noch zu verschärfen. Die Situation sei zwar angespannt, dennoch sei die medizinische Versorgung grundsätzlich sichergestellt.
Für viele Eltern dennoch eine belastende Situation. Häufig sei seine Apotheke in den letzten Wochen nicht die erste gewesen, in der verzweifelte Eltern nach Medikamenten für das kranke Kind fragten, berichtet der Apotheker. "Wenn das Kind zuhause fiebert und man erst einmal so einen Marathon mitmachen muss, dann ist das eine sehr belastende Situation", sagt er.
Abgesagte Vorratskäufe führen zu leeren Lagern in den Apotheken
Dabei hätten sich die ersten Lieferschwierigkeiten bereits im Frühjahr abgezeichnet. "Wir haben sehr viel Zeit in Verfügbarkeitsanfragen direkt an die Hersteller gesteckt. Ab und zu haben wir mal was bekommen, aber nie wirklich genug", sagt Hundeshagen. Die Lager der Apotheke hätten sich immer weiter geleert.
Jüngst habe sich die Situation sogar noch verschärft. "Seit etwa eineinhalb Monaten bekommen wir höchstens einmal ein bis zwei Flaschen Fiebersaft – dabei bräuchten wir aktuell 50 bis 80 im Monat", sagt der Apotheker. Anfangs habe er noch auf andere Medikamente wie Paracetamol- und Ibuprofen-Zäpfchen ausweichen können, doch auch die seien mittlerweile kaum noch lieferbar.
Engpässe machen sich auch im Leopoldina-Krankenhaus bemerkbar
Auch im Leopoldina-Krankenhaus machen sich die Engpässe bemerkbar. "Aktuell hat sich die Nachfrage nach schmerzstillenden und fiebersenkenden Säften für unsere Kinderklinik deutlich erhöht", teilt Veit-Maria Oertel, Sprecher des Krankenhauses, mit. Noch verfüge man über ausreichend Lagerkapazitäten, um die Situation zu überbrücken. Aber auch sonst sei die Versorgung gewährleistet. Bei Bedarf könne man die Medikamente in der Krankenhaus-Apotheke selbst herstellen.
Eine Maßnahme, die man nun auch in der Medicon Apotheke ergriffen hat. "Wahrscheinlich werden die Engpässe bis ins Frühjahr andauern, deswegen haben wir angefangen, selbst Fiebersaft herzustellen", sagt Hundeshagen.
Um den akuten Medikamentenmangel abzufedern, dürfen Apotheken, wenn ein bestimmtes Medikament wie etwa Fiebersaft nicht lieferbar ist, ein wirkstoffgleiches Arzneimittel beispielsweise aus Pillen selbst herstellen. Können Apotheken die regelmäßige Verordnung durch Arztpraxen nachweisen, dürfen sie das Medikament zudem auf Vorrat produzieren.
Viele Apotheken können den Mehraufwand nicht leisten
Als Wirkstoff kommen im Fiebersaft der Medicon Apotheke aktuell noch lieferbare Ibuprofen- und Paracetamol-Tabletten zum Einsatz. Diese werden zerkleinert und nach einer vom Zentrallabor Deutscher Apotheker geprüften Rezeptur zu Fiebersaft verarbeitet.
Für die Apotheke bedeutet das einen immensen Mehraufwand. "Alleine am Mittwoch haben wir 4000 Tabletten ausgeblistert, um daraus acht Liter Fiebersaft herzustellen", sagt Christian Hundeshagen. Dieser müsse dann noch abgefüllt, etikettiert sowie mit einer Dosieranleitung und einer Dosierspritze versehen werden.
Mehrkosten bedeutet das für Kundinnen und Kunden, die mit einem Rezept in die Apotheke kommen, aber nicht. "Wenn der Fiebersaft auf einem rosa Rezept verordnet ist, bekommt man ihn weiterhin kostenfrei", sagt Hundeshagen.
Für die Herstellung des Fiebersaftes bekommt die Medicon Apotheke unter anderem in den Sozialen Netzwerken viel Zuspruch. "Ganz viel Respekt aus Kiel, wo ich vergangene Woche mit meinem über 40 Grad fiebernden Baby NICHTS mehr bekommen hab", schreibt eine Instagram-Nutzerin, "Hut ab und weiter so", eine andere. Viele fragen sich, warum nicht alle Apotheken auf die eigene Herstellung setzen und ob der Medikamentenmangel so nicht behoben werden könne.
Hohe Krankenstände und Fachkräftemangel machen Apotheken zu schaffen
"Es liegt nicht am Knowhow oder an bösem Willen, dass viele Apotheken nicht selbst herstellen, sondern daran, dass sie einfach keine Kapazitäten haben", gibt Hundeshagen zu bedenken. Er habe Glück, zwei Auszubildende einsetzen zu können, doch hohe Krankenstände und der Fachkräftemangel machten auch den Apotheken schwer zu schaffen.
"Es ist einfach nicht machbar", sagt Sabine Neder. "Ich habe kaum Personal, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Wenn ich jetzt anfangen muss, Medikamente selbst herzustellen, dann stehe ich noch in der Nacht hier. Ich kann einfach nicht mehr." Das Problem: Rezepturen seien aufwändig in Herstellung und Dokumentation und würden von den Krankenkassen nur unzureichend vergütet.
"Früher hat das einmal Spaß gemacht, aber heute betrachte ich jede Rezeptur schon fast als Strafe", sagt die Apothekerin. Trotzdem habe sie bislang glücklicherweise noch alle Kundinnen und Kunden ausreichend versorgen können. Wenn auch nur mit enormem zusätzlichen Aufwand.
"Das bedeutet, dass ich vor Arbeit bei den Großhändlern oder direkt bei den Herstellern schaue, was lieferbar ist, während der Arbeit vier bis fünfmal, in der Mittagspause und nach der Arbeit auch nochmal. Das kostet extrem viel Mühe", sagt Neder.
In den Apotheken hoffe man nun, dass die extremen Engpässe, ein Umdenken in der Politik anregen. Denn auch die eigene Herstellung habe Grenzen. "Wir haben zwar das Knowhow, wenn wir aber irgendwann nicht einmal mehr die Ausgangsstoffe bekommen, dann wird es wirklich problematisch", sagt Hundeshagen.
Es wäre halb so schlimm wenn wir in einer "Bananenrepublik" leben würden, viele von uns Bürgern zahlen aber mit indirekten Steuern (Mwst., Mineralösteuern) etc. über 50% ihres Einkommens an den Staat.
Dafür darf man auch etwas erwarten und damit meine ich nicht das man als Grund den Ukrainekrieg oder Corona angibt. Ich erwarte langfristige Lösungen und Ehrlichkeit. Das wird aber ein Wunschtraum bleiben.
Endlich haben sie wieder etwas zu tun das annähernd ihrem Studium entspricht. Wobei, Tabletten mörsern und im passenden Verhältnis mit Sirup und Wasser zu mischen, das könnte ich auch.