Er ist wohl mit Abstand der berühmteste Sohn der Gemeinde, dennoch ist er wenig bekannt. Dazu kommt, dass die Schwebheimer wie der langjährige Wappenstreit zeigte, so ihre Probleme mit dem Adel haben. Während die eine Hälfte das Adelsgeschlecht derer von Bibra als "Ausbeuter" sieht, die man nicht verherrlichen dürfe, verweisen andere auf die geschichtliche Bedeutung, die man nicht außer Acht lassen könne.
Nun Ernst von Bibra jedenfalls passt ohnehin nicht in das Bild des "Krautjunkers", des eingebildeten Landadeligen, ohne Welterfahrung. Er war in allem eher das Gegenteil. Drogenbaron und Naturwissenschaftler,Südamerikareisender und Forscher, Schriftsteller und sozialpolitisch Engagierter. Kurzum Ernst von Bibra war eine schillernde Persönlichkeit, die sich schlecht in eine Schublade stecken lässt.
Chemiker und Bierliebhaber
Geboren ist er am 9. Juni 1806 im Schwebheimer Schloss. Er war gerade einmal 18 Monate alt, als sein Vater starb. Der Junge kam in die Obhut des Würzburger Kammerherrn Christoph Franz Freiherr von Hutten, in dessen Haus er aufwuchs. Er sollte zu einem modernen und zivilen Adeligen, einem freisinnigen, mitmenschlichen, gelehrten und überhaupt nicht adelsstolzen Freiherrn heranwachsen. 1825 begann "Ernst Baron von Bibra aus Schwebheim" sein Studium an der Würzburger Universität. Die Naturwissenschaften insbesondere die Chemie hatte es ihm angetan. Früh schon schloss er sich auch dem "Corps Frankonia" an. Der "Biertrinker", wie er in der Verbindung hieß, war "das ideale Bild eines Burschen, ein flotter Student, mit Mitteln reich ausgestattet und mit eiserner Gesundheit". So steht es in der Chronik des Corps zu lesen.
Kritische Auseinandersetzung mit dem Adelsstand
Als Dr. med. et phil. übersiedelte Bibra 1833 auf den Schwebheimer Familiensitz. Ein Beweis dafür, dass der Freiherr keineswegs ein von Dünkel und Doppelmoral durchdrungener Junker war, ist seine Liaison mit einer Tagelöhnerin. Mit ihr hatte er ein uneheliches Kind, das er entgegen den Gepflogenheiten der Zeit aber versorgte und auch seiner späteren Frau nicht verheimlichte. 1836 heiratete er eine Bürgerliche und das in Gaibach, dem Ort der Konstitutionssäule, dem Symbol des deutschen Liberalismus. Mit den ererbten Rechten seines Adelsstandes setzt er sich in seinem Werk "Freimüthige Beleuchtung der gegenwärtigen Verhältniße des Adels zu Fürst, Bürger und Bauer" durchaus kritisch auseinander.
Seinen Sinn für Recht und Gerechtigkeit bewies er, indem er der Schwebheimer Kirchenstiftung das Recht der "Handlohnerhebung" zurückgab, die bis zu 5 Prozent, die seine Vorfahren bei jedem Grundstückskauf kassiert hatten.
Mit Drogen aller Art experimentiert
Auf seinem Familiensitz in Schwebheim richtete sich von Bibra im ehemaligen Gesindehaus, dem Hirschkopf,ein für die damaligen Verhältnisse sehr modernes Laboratorium ein und experimentierte fröhlich vor sich hin. Er untersuchte "verschiedene Eiterarten" ebenso wie die Knochen und Zähnen des Menschen um nur einiges zu nennen. Und er experimentierte mit Drogen aller Art. In seinem Werk "Die narkotischen Genussmittel und der Mensch", das 1855 erschien, beschrieb er alle Formen von Drogen: vom Kaffee über den Tabak bis hin zum Opium. Und dabei blieb von Bibra nicht in theoretischen Betrachtungen stecken, sondern probierte alles an sich selbst aus. "Tee steigert das geistige Wohlbehagen, bewirkt aber nicht das Entzücken, das man beim Opium hat", stellte der Freiherr fest. Drei Wochen lang habe er täglich Opium genommen und davon Verstopfung bekommen, der Genuss von Haschisch habe ihm eine Wärme im Gesicht, später ein Prickeln im Blut, Unruhe und Leichtigkeit in den Gliedern gebracht. Das Fazit des passionierten Naturwissenschaftlers: "...dass die Natur den Menschen gewiesen, ab und zu ein sorgenminderndes Mittel zu nutzen."
Arbeitsmediziner und Anwalt der kleinen Leute
1846 zieht Ernst von Bibra mit seiner Familie nach Nürnberg um. Hier entwickelt er sich zu einem ersten "Arbeitsmediziner" und wird zum Anwalt der kleinen Leute. Er beobachtet die Arbeiter in den Zündholzfabriken und veröffentlicht Untersuchungen über deren Krankheiten über die Wirkung des Schwefeläthers". Seine Arbeiten sorgten sogar für menschlichere Arbeitsbedingungen.
Nach der Deutschen Revolution brach Bibra 1849 zu einer Südamerikareise auf. Seine Reiseberichte verstärken das Bild eines sozial interessierten, vielseitigen Forschers mit Mitgefühl und Humor. Und sie trugen ihm den Beinamen eines fränkischen Humboldt ein. Schon auf seiner ersten Station in Rio de Janeiro verurteilte er die Sklaverei als etwas Schändliches und Barbarisches. Besonders empörte ihn "das Misshandeln von Müttern in Gegenwart ihrer Kinder und umgekehrt". Er fragte was "frommen und gläubigen Christen oder den aufgeklärten freien Republikanern ein Recht gibt, solche heidnischen und barbarischen Gebräuche beizubehalten".
Bücher über seine Reisen nach Südamerika veröffentlicht
Neben vielen Forschungsarbeiten verarbeitete von Bibra seine Südamerikareise in mehreren Büchern, die bestimmt sind von romantischen Naturschilderungen: "tändelnde Wellen, flüsternde Flüsse und erleuchtete Fenster, die sich gegenseitig begrüßen". Außerdem beflügelte die Reise von Bibras Phantasie wohl so sehr, dass er sich nach seiner Rückkehr vermehrt der Belletristik zuwandte. Er schrieb Liebesromane und Abenteuergeschichten. Er entwickelte sich zu einem begnadeten Erzähler. Seiner Tochter Lucretia widmete er den Roman "Die ersten Glieder einer langen Kette" und schrieb ihr: "Ich hoffe, bescheiden wie ich bin, dass dich mein Buch nur mäßig langweilt."
Am 5. Juni, vier Tage vor seinem 72. Geburtstag starb Ernst von Bibra. Er hinterließ rund 20 wissenschaftliche Abhandlungen und 32 Romane und Reisebeschreibungen.