
Oft passiert es nicht, dass der Bundesgerichtshof (BGH) in der Revision ein Urteil des Landgerichts Schweinfurt wegen Rechtsfehlern moniert und zur Neuverhandlung zurückverweist. Bezüglich der Verurteilung eines 59-Jährigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zehn Fällen zu fünf Jahren Haft Anfang Februar war dies der Fall.
Der BGH kritisierte, dass die 4. Große Strafkammer damals bezüglich der zehn Einzelstrafen nicht ausdrücklich auch den Strafrahmen für einen minderschweren Fall erwogen habe – was sich auf die Höhe der Gesamtstrafe auswirken könne.
Am Urteil selbst hatte der BGH nichts auszusetzen, der Sachverhalt stand für das Revisonsgericht ebenso fest wie vor acht Monaten für die 4. Große Strafkammer und hat Rechtskraft erlangt. Demnach hat der 59-jährige gelernte Maurer, ein entfernter Verwandter des Opfers, eine heute 24-jährige Studentin im Kindesalter von sieben bis zehn Jahren viele Male sexuell teils schwer missbraucht – und zwar im Zeitraum 2007 bis 2010 im Elternhaus des Mädchens im Landkreis Schweinfurt.
Der "Onkel" sollte aufpassen
Der Missbrauch geschah, als der "Onkel", wie sie ihn nannte, meist nachmittags in Abwesenheit ihrer Eltern auf sie aufpassen sollte. Einmal habe er ihr unters T-Shirt an die Brüste gegriffen, in mindestens zehn Fällen aber gravierende sexuelle Handlungen an dem Kind durchgeführt. Gewalt habe er nicht angewendet, das Mädchen aber unter anderem zur "Belohnung" auf seinem Handy ein Spiel spielen lassen sowie ihm Sexfotos aus Zeitschriften und ein Sexvideo gezeigt. Ferner habe er mindestens zweimal sein erigiertes Glied präsentiert. Bis heute leide seine Mandantin unter diesen Taten, sagt der Anwalt der Geschädigten, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt.
Nun also hatte die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt lediglich über den Strafrahmen, die Höhe der Einzelstrafen und dann der Gesamtstrafe neu zu urteilen. Laut Verteidigerin des Angeklagten habe der BGH zurecht moniert, dass das Gericht im Februar keine Strafrahmenverschiebung vorgenommen und die Taten als minderschwer bewertet habe, beginnend mit einem Jahr Haft pro Tat. Dafür plädierte sie, aus den Einzelstrafen solle die Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bilden und diese zur Bewährung aussetzen. Der Haftbefehl sei aufzuheben.
Urteil: Knapp fünf Jahre
"Aus Opfersicht hätte man ein faires Geständnis erwarten können", so der Nebenkläger-Anwalt. Und: "Ein minderschwerer Fall ohne Geständnis, wenn alles schon feststeht", sei schwer vorstellbar. Er plädierte dafür, das Urteil der Erstverhandlung aufrechtzuerhalten. Das forderte auch der Staatsanwalt. Der einzige Fehler des Ersturteils liege darin, die Erörterung des minderschweren Falls nicht ausdrücklich in Erwägung zu ziehen. Die Taten selbst seien keinesfalls minderschwer, ohne Geständnis schon gar nicht.
Das Urteil: Vier Jahre und neun Monate – nur drei Monate weniger. Dabei sah sich die Kammer doch "gehalten, aufgrund der BGH-Entscheidung bei den zehn Taten jeweils von einem minderschweren Fall auszugehen" – angesichts der Bandbreite des Tatbestands Schwerer Sexueller Missbrauch. Das Gericht sei "jedoch weit davon entfernt, von der Untergrenze (ein Jahr pro Fall) auszugehen", so die Vorsitzende. Die Kammer verhängte zweieinhalb Jahre pro Einzeltat plus neun Monate für einen "einfachen" Missbrauch. Daraus bildete sie die Gesamtstrafe von vier Jahren und neun Monaten, der Haftbefehl bleibt in Kraft. Dagegen ist erneut Revision möglich.