
Was wäre die Welt ohne Visionen. Der Dittelbrunner Peter Rumpel (28), Vertriebsleiter Sondermaschinenbau bei Schaeffler, hat eine Vision. Ein Wasserstoff-Tankstellennetz für Schweinfurt mit dazugehöriger Wasserstofferzeugung. Anders ausgedrückt: eine Stadt, die ihren Verkehr CO2-neutral antreibt, die wasserstoffbetrieben in die ökologische Zukunft fährt. Keine Science-Fiction, sondern machbar, so der junge Ingenieur, der sich im Rahmen eines dualen Studiums auf seinen Beruf vorbereitet hat.
Seine Idee, Schweinfurts Verkehr auf Wasserstoff umzustellen, überzeugte bei der Verleihung des Schweinfurter Zukunftspreises die meisten der stimmberechtigten Gäste, weshalb er den ersten Preis dieser Art überhaupt, der mit 1500 Euro dotiert ist, mit nach Hause nehmen durfte.
Es wird viel geredet, aber es tut sich wenig
"Beinahe täglich wird in den Medien über Klima, Energiewende und Verkehrswende diskutiert, es werden aber kaum technische Lösungen umgesetzt", skizziert Rumpel seine Motivation sich in dieses Thema reinzuknien. "Aus Spaß habe ich die meiner Ansicht nach sinnvollste Lösung, die Wasserstofftechnologie durchgerechnet, um den Grund dafür zu finden, warum sie nicht umgesetzt wird".
Für eine vollständige Energiewende muss die Energie komplett aus regenerativen Quellen kommen, so die Überlegung. Hier kommt die Sonne ins Spiel, denn in dieser Hinsicht biete Schweinfurt gute Voraussetzungen. Supermärkte, Stadtwerke, Schulen, Fabriken, Hafen, Maintal – viel Potenzial, um die Sonne als Energiequelle zu nutzen. Schweinfurt sei sehr gut für Solaranlagen geeignet, weil es schon jetzt über viele große Dachflächen verfüge, die quer über die Stadt verteilt sind.

Doch wie bringt die Sonne den Verkehr in Schwung oder befüllt Tankstellen? Das Sonnenlicht wird durch die Solaranlagen in elektrischen Strom verwandelt, der Strom wird in einer "Power-to-Gas-Anlage, wie es schon in Haßfurt eine gibt, für die Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff verwendet. Der gespeicherte Wasserstoff speist die Tankstelle.
Mit einem Kilogramm 100 Kilometer weit fahren
Pro Quadratmeter Solarzelle, so hat Peter Rumpel ausgerechnet, ergibt sich eine Wasserstoffproduktion von 4,92 Kilogramm im Jahr. Zum Vergleich: Mit einem Kilogramm kann ein Wasserstoffauto rund 100 Kilometer weit fahren.
Was so einfach klingt, hat Rumpel schon mal auf seine Machbarkeit in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht durchgerechnet. Dazu hat er alle größeren Dachflächen und Parkplätze vermessen und verschiedenen Bereichen der Stadt zugeordnet. In jedem dieser Bereiche müsste eine Power-to-Gas-Anlage mit Speicheranlage und Tankstelle gebaut werden. Diesen Berechnungen zufolge wäre ein Netz mit zehn Wasserstoff-Tankstellen ausreichend für die Energiewende in Schweinfurt.
Und wie komplett wäre diese Energiewende? Würden 80 Prozent der Schweinfurter Dachflächen und 70 Prozent der dann überdachten Parkplätze zur Energiegewinnung genutzt, ergäbe sich eine jährliche Wasserstoffproduktion von rund 5850 Tonnen. Betrachtet hat er dabei die großen Dachflächen von Supermärkten, Werkhallen und Parkplätzen. Wohnhäuser sind in dieser Rechnung noch gar nicht drin. 119 Hektar Schweinfurt stünden dann im Dienst der Sonnenenergiegewinnung mit deren Hilfe Wasserstoff erzeugt wird.
Rumpel hat den Energiebedarf von Pkw, Bussen und Lkw in Schweinfurt nachgerechnet und kommt zu dem auch für ihn überraschenden Ergebnis: "Die erzeugte Menge reicht aus". "Der komplette Straßenverkehr in Schweinfurt könnte Co2-neutral fahren". 30 000 Autos, 43 Busse und 2000 Lkw hat er seinen Berechnungen zugrundegelegt.
Den Schweinfurtern lacht die Sonne
Ein Quadratmeter energetisch genutzter Dachfläche würde im Jahr für einmal Volltanken reichen (ein Wasserstofftank fasst rund fünf Kilogramm). Das charmante Rechenbeispiel lässt sich fortführen. Ungefähr 20 Quadratmeter, also die Größe eines Gemüsebeetes, würden reichen, um ein durchschnittliches Auto rund 10 000 Kilometer im Jahr zu bewegen.
Leider gibt es in all diesen Überlegungen nur die Sonne umsonst. Für die Logistik der Energiegewinnung müsste enorm investiert werden. Mehr als eine halbe Milliarde Euro wären nötig, um Schweinfurt in eine Wasserstoff-City zu verwandeln, um Solaranlagen inklusive Parkplatzüberdachung, Power-to-Gas-Anlagen, Speicheranlagen und Tankstellen zu finanzieren. Doch das Geld kommt wieder rein, nach 14 Jahren hätte sich das Ganze amortisiert, hat Rumpel ausgerechnet. Anleger könnten gemäß seiner Berechnungen mit mehr als sieben Prozent Rendite rechnen. Zugrunde gelegt ist dabei der derzeitige Wasserstoff-Preis von 9,50 Euro/Kilo, was einem Benzinpreis von 1,30 Euro/Liter entspricht.

Zusätzlich sparen könnte die Stadt, indem sie ins Solarzellen-Recycling einsteigt, denn die haben eine Lebenserwartung von etwa 25 Jahren, können aber aufbereitet werden.
Überschüssigen Wasserstoff ins Erdgasnetz einspeisen
Und was steht dem Plan im Weg: Nicht nur die hohen Investitionen, sondern auch das "Henne-Ei-Problem". Wasserstoffautos werden erst gekauft, wenn es ausreichend Tankstellen gibt, Tankstellen erst gebaut, wenn genug Wasserstoffautos verkauft sind. Wie bei der E-Mobilität, ist es ein langer Weg zum "Breaking-Point". Mit dem Tankstellennetz in Vorleistung gehen, rät Rumpel. Anfangs zu viel produzierter Wasserstoff könne ins Erdgasnetz eingespeist oder als technisches Gas verkauft werden.
Technisch machbar und unterm Strich auch wirtschaftlich, das ist für Peter Rumpel die Überraschung am Ende seiner Berechnungen, die er ergebnisoffen angestellt hat. Eine Vision, ein langer Weg der zu gehen wäre. Aber jeder Weg, egal wie lang er ist, beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt.
