Erst Zukunftsmesse, jetzt ein Zukunftsforum mit Verleihung des 1. Schweinfurter Zukunftspreises als Höhepunkt. Schweinfurt will, so scheint es, seine Zukunft nicht aus der Glaskugel lesen, sondern selbst in die Hand nehmen. Zum Beispiel im Hinblick auf die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie und deren Möglichkeiten, die weit über den Antrieb von Fahrzeugen hinausreichen. Zum Zukunftsforum im Konferenzzentrum Maininsel hatte man sich ausgewiesene Fachleute aus Industrie und Forschung im Hinblick auf Innovative Antriebsformen eingeladen.
Schweinfurt, eine Stadt mit dem Energiehunger einer Großstadt
Moderiert von André Kessler gaben sich gut drei Stunden lang Visionäre im Hinblick auf Mobilität, Antriebstechniken und Kraftstoffe der Zukunft mit Schwerpunkt Brennstoffzelle das Mikro in die Hand. Das Zukunftsforum, nicht zufällig eine gemeinsame Veranstaltung von Stadt, Landkreis und IHK. Landrat Florian Töpper (SPD) und OB Sebastian Remelé (CSU) sehen sich hier im engen Schulterschluss. Woher kommt morgen die Energie für Schweinfurt, einer Stadt der Industrie mit dem Energiehunger einer Großstadt? Eine Schicksalsfrage, der man sich gemeinsam stellen müsse, so der Oberbürgermeister, und dabei dürfe man keinen Keil zwischen Ökologie und Ökonomie treiben. Industriestandort bleiben, sich auch den Fragen stellen, die die junge Generation bewegt, ist für Landrat Töpper die Herausforderung, die gleichzeitig als Chance begriffen werden müsse.
Und da richten sich die Augen der Fachwelt mehr und mehr auf die Brennstoffzellentechnologie. Professor Dr. Johannes Paulus von der FHWS und Initiator der Power-to-Gas Anlage in Haßfurt, bezeichnete den Wasserstoff als einzig sinnvolle Option eines saisonalen Speichers für regenerative Energie. An Energie sei kein Mangel, es mangele höchstens am Umsetzungswillen. So liefere die Sonne jährlich 1,1 Milliarden Terrawattstunden Energie. 160 000 Terrawattstunden, also ein Bruchteil davon, reichen für den jährlichen Energiehunger der Welt. Batteriegetriebene Fahrzeuge, so seine Prognose, werden schon bald günstiger sein als Diesel und Benziner und den Weg bereiten für den Brennstoffzellenantrieb. Den gibt es bereits bei Bussen, Bahnen oder Lkw und "das einzige was ausgeschieden wird ist Wasser".
Auch Professor Dr. Ansgar Ackva, Leiter des Technologietransferzentrums Elektromobilität Bad Neustadt, geht davon aus, das schon in wenigen Jahren die Preise "kippen" und alternativ angetriebene Fahrzeuge günstiger werden als Verbrenner. Die neuen Vorgaben wie 95 Gramm CO2-Ausstoß als Flottenwert eines Fahrzeugherstellers, die zur Mitte des Jahrzehnts noch einmal verschärft werden, seien nicht mehr mit Verbrennungsmotoren zu machen. Wird der Wert nicht gehalten, drohen Strafzahlungen, die heftig am Jahresgewinn der Autobauer nagen. Batterien werden leistungsfähiger und günstiger und schon bald werden die E-Fahrzeuge die Standards für künftige Brennstoffzellenfahrzeuge setzen. Keine große Zukunft sieht er für Hybridfahrzeuge, da seien die Emissionen oft deutlich höher als auf dem Papier.
Batterien haben nach wie vor ein Gewichtsproblem
Hans Jürgen Schneider, Leiter des Standorts Schweinfurt der ZF Friedrichshafen AG, sieht Elektrische Fahrzeuge vor allem in der Stadt und bei eher niedrigerem Energiebedarf im Vorteil. Wird mehr Power gebraucht, sei der Wasserstoff mit seiner weit höheren Energiedichte im Vorteil. Auch künftige Batteriegenerationen werden ein Gewichtsproblem haben, Antriebssysteme mit Wasserstoff sind viel leichter. Schneider räumte auf mit Mythen im Hinblick auf alternative Antriebe wie "gefährlich, nicht genügend Rohstoffe, zu hoher Platinverbrauch". Lediglich der Abbau von Lithium und Kobalt sei "aktuell ethisch und ökologisch kritisch".
Professor Dr. Ing. Tim Hosenfeldt, Leiter Innovationen & Zentrale Technologie bei der Schaeffler AG, betonte, dass es bei den Antrieben der Zukunft kein "entweder oder, sondern ein sowohl als auch" geben werde. Will heißen, Batterielösungen für kleine Fahrzeuge und kurze Distanzen, Brennstoffzellen für längere Distanzen und mehr Energiebedarf wie zum Beispiel im Schwerlastverkehr. Auch moderne synthetische Kraftstoffe wie zum Beispiel bei hohem Energiebedarf auf Baustellen, werden eine Rolle spielen.
Professor Dr. Veronika Grimm vom Wasserstoffkompetenzzentrum Bayern in Nürnberg betonte, dass der Wasserstoff die Mobilität voranbringen könne, ohne groß Verzicht predigen zu müssen. Wissenschaft, Politik und Wirtschaft erfolgreich zusammenbringen sei das Kerngeschäft des Kompetenzzentrums. Die Aufgabe: weltweite Transformation des Energiesystems um die Treibhausgasemissionen zu senken.
Wenn der Spiegel sagt wie "krank" du bist.
"Wie werden wir in einer global vernetzten Zukunft leben und arbeiten?" Eine Zukunft, in der Milliarden miteinander vernetzter Geräte miteinander agieren und einem der Spiegel im Bad sagt, "Du bist heute zu 23 Prozent krank", während Kinder von smarten Robotern zur Schule gebracht werden. Zukunftsforscher Max Hergt hat sich mit solchen Szenarien beschäftigt. Aber – und das ist schon wieder ein Trost - "Zukunft passiert nicht einfach so, sie wird von Menschen gemacht".
Nach einer schwungvollen Einlage der Dancefloor Destruction Crew mit Lederhosen und Konfetti-Kanone wurde der 1. Schweinfurter Zukunftspreis verliehen. Fünf Tüftler oder Teams mit visionären Ideen hatten sich für die Endrunde qualifiziert und dafür schon einmal 500 Euro sicher. Abstimmen durfte jeder im Saal per Stimmkarte. Der 1. Preis, und damit noch einmal 1500 Euro, ging an Peter Rumpel aus Dittelbrunn, der bei Schaeffler als Ingenieur arbeitet. Er hat sich – mit der Sonne als Energiequelle – mit dem Aufbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes für Schweinfurt mit dazugehöriger Wasserstofferzeugung beschäftigt. Ein ambitioniertes Projekt über das noch zu berichten sein wird.
Rumpel hat schon einmal nachgerechnet. Eine halbe Milliarde Euro müsste in die Hand genommen werden, um den kompletten Verkehr in Schweinfurt auf selbst erzeugten Wasserstoff umzustellen. Nach 14 Jahren hätte sich der enorm anmutende Aufwand amortisiert, geht die Rechnung weiter. Eine Vision, die sich gemäß einer Mehrheit der Stimmberechtigten den 1. Schweinfurter Zukunftspreis verdient hat.