Wer die dunkle Scheune des Anwesens durchschreitet und sich dem hinteren Tor nähert, steht an der Schwelle zu einer anderen Welt: Heller, grün, vielfältiger wird es mit jedem Schritt. Das Auge schafft es kaum, einen fixen Punkt anzuvisieren. Zu viele Eindrücke prasseln auf den Betrachter ein. Überall sind faszinierende Motive zu entdecken.
Ein abwechslungsreiches Allerlei mit unzähligen Pflanzen, Sträuchern, Gehölzen, Hecken, Beeten und umherschwirrenden Insekten, das seines Gleichen sucht. Das ist die bunte Gartenoase der Familie Scheder in Lülsfeld.
Vor zwölf Jahren gab es dort eine Wiese, einige Gebüsche und den Nutzgarten von Oma Mechthild. Seit dem Ende der Landwirtschaft auf dem Bauernhof verändert sich das Areal. Etappenweise gestaltet die Familie neue Bereiche, fast jedes Jahr wird eine neue Idee umgesetzt. Wichtig sind Klaus Scheder und seiner Frau Sarah die Vielfalt in ihrem Naturgarten, mit Lebensräumen für Vögel und Insekten.
Schmetterlinge, Hummeln, Goldfliegen und Holzbienen zu Besuch
Wie zum Beweis flattern allerorten Schmetterlinge umher, auch Hummeln, Goldfliegen und blauschwarze dicke Holzbienen sind auszumachen. Dazu unzählige Wildbienen, die von Pflanze zu Pflanze fliegen, oder in den Insektenhotels "einchecken". Sie hat Klaus Scheder aus alten Scheunenbalken gefertigt und mit zahllosen Löchern versehen. Die sind bis zu zehn Millimeter breit und bis zu zehn Zentimeter tief, "damit die Wildbienen tief genug reinkrabbeln können". Dort legen sie dann ihre Eier. Im kommenden Frühjahr schlüpft die nächste Bienengeneration.
Eifriges Treiben herrscht am Sandarium. Die runde Fläche hat die Familie vor zwei Jahren extra für Wildbienen angelegt. "In dem weichen Sandboden graben sie ihre Gänge rein und legen auch hier ihre Eier rein", erklärt Klaus Scheder das Funktionsprinzip. Eine zweite Sandfläche hat er kürzlich vor dem Haus angelegt. Die Fläche auf öffentlichem Grund war zuvor asphaltiert. Die Gemeinde erlaubte ihm die Renaturierung des ehemals versiegelten Bereich. Hier stehen auch zwei Auszeichnungen von Initiativen, die Scheder erhalten hat, darunter von "Natur im Garten".
Es sind viele kleine Details, auf die Klaus Scheder bei der Gestaltung achtet. So hat er einen Zaun aus Brombeerästen gefertigt. Die hölzernen, stacheligen Ruten stehen senkrecht und dienen als Nisthilfen. Die abgeschnittene Seite am oberen Ende ist weich und ermöglicht Wildbienen einen leichten Zugang ins schützende Innere.
Praktische Rückzugsorte und ungewöhnliche Hochbeetgestaltung
Ebenso sind verlassene Schneckenhäuser oder Baumstämme wertvolle Rückzugsorte. An einem Stamm rankt sich Efeu, den viele verteufeln, was Scheder nicht nachvollziehen kann. Klar, meint er, an Hauswänden müsse man schon aufpassen. "Aber der Efeu macht einem Baum gar nichts, wenn der nicht gerade krank ist. Er ist vielmehr eine der spätesten Nahrungsquellen im Jahr, wo die Amseln Futter finden."
Einige Schritte weiter befindet sich ein recht ungewöhnliches Hochbeet. Kreisrund ist es, mit Dachziegeln aufgebaut und einem tiefen Loch in der Mitte. Dort finden die Familienabfälle aus Küche und Garten eine nützliche Verwendung. "Das zersetzt sich am Boden und bringt neue Nährstoffe", erklärt der gelernte Landschaftsgärtner und studierte Landschaftsbauer. Oben gedeihen Schnittlauch und Salat, auch Kohlrabi und Erdbeerpflanzen gibt es dort.
Wo abgestorbenes Holz zu wertvollem Lebensraum wird
Eine besondere Hecke steht ums Eck, die Benjeshecke. Scheder hat sie aus Ästen aufgeschichtet. Und damit einen weiteren Lebensraum geschaffen. "Eigentlich ist es Totholz, aber das ist der falsche Begriff. Normalerweise müsste es Lebendholz heißen, weil dort, wo abgestorbenes Holz liegt, so viel Leben erzeugt wird: Für Igel, Vögel, Kröten, die hier Nester bauen oder sich verkriechen."
Lauschige Bänke und Plätzchen zum Verweilen finden sich an mehreren Stellen. Auffällig ist das Pavillon. Um die Metallstreben ranken sich Clematis Montana und Bergwaldreben, darunter steht eine dekorative Sitzecke. Die Gartenbesitzer berichten von herrlichen Düften in der Blütezeit und einem intensiven Brummen und Summen. "Wenn man hier sitzt und das miterlebt, dann weiß man, dass man vieles richtig gemacht hat."
Der mächtige Kirschbaum steht schon in der Blüte. Diesen und mehrere Obstbäume hat Scheders Vater Elmar angepflanzt, als Klaus noch ein Kind war. In Erinnerung an seinen im Vorjahr verstorbenen Papa hat er eine Gedenktafel aus Schiefer inmitten eines Beetes aufgestellt. Die Umsetzung des Gartenprojektes, sagt er tief bewegt, sei dessen ganz großer Traum gewesen.
Eine Terrasse mit Holzkonstruktion hat Klaus Scheder als allererstes Projekt verwirklicht, zusammen mit einem befreundeten Zimmermann. Alte Holzleitern und hübsche Ramblerrosen verschönern diesen Bereich. Als Abgrenzung dient auch in diesem Fall eine Trockensteinmauer.
Gemeinsame Wohlfühloase für Mensch, Tier und Insekten
Idyllisch liegt der Gemüsegarten, vor der Kulisse der Lülsfelder Allerheiligen-Kirche. Hier hat Sarah Scheder bereits Zwiebeln, Karotten, Erbsen und Salat im Frühbeet und unterm schützenden Vlies gepflanzt. In der Kräuterecke, neben der Insekten-Tankstelle, wächst sogar Cola-Kraut, aus dem sie im Vorjahr erstmals selbstgemachte Cola herstellte, sehr zur Freude ihrer Kinder und Freunde.
Einerseits möchte die Familie sich in ihrer Oase wohlfühlen, sagt Scheder. Aber gleichzeitig soll sie einen Nutzen für die Tier- und Pflanzenwelt bieten. "Der Garten ist für mich ist erst dann richtig, wenn er lebendig ist."
Aufgrund der zunehmenden Wasserknappheit und des Klimawandels fängt auch er an, seinen Garten besser für diese Herausforderungen zu wappnen. Für wichtig hält er zum Beispiel Kräuterwiesen statt Rasen. "Was ist denn so schlimm daran, wenn Gänseblümchen, Kräuter und Blumen im Rasen sind?", fragt er in Richtung aller, die einen englischen Rasen als erstrebenswert erachten. Selbst Löwenzahn, wenn er nicht überhand nimmt, sei nützlich, so Klaus Scheder.
Aus seiner Sicht fehlt vielen Menschen ein Bezug zur Natur, teilweise auch das Interesse. Deshalb möchte er sein Wissen weitergeben. Er öffnet seine Gartenoase gerne für Besuchergruppen (nach Anmeldung) sowie im Rahmen der "NaturGartenTour 2023". Auch seinen Kindern will er die Zusammenhänge in der Natur vermitteln. "Unser Familiengarten ist ein Generationenprojekt."