
Sie waren jung, manche erst vier oder fünf Jahre alt, als Einheiten der US-Army die Ortschaften im Raum Gerolzhofen einnahmen. Gleichwohl war das Kriegsende ein prägendes Erlebnis für viele Kinder und Jugendliche, an das sie sich selbst 80 Jahre später gut erinnern können.
Die Redaktion hat mit fünf Zeitzeugen gesprochen. Sie schildern, wie sie den Tag beziehungsweise die Zeit rund um die Ankunft der amerikanischen GIs in ihren Heimatorten Gernach, Gerolzhofen und Schallfeld erlebt haben.
1. Karl Klein aus Schallfeld (93 Jahre)

Der damals 13-Jährige war gerade bei der Feldarbeit zugange, auf dem Acker seines Vaters zwischen Gerolzhofen und Schallfeld, als das amerikanische Militär am 13. April 1945 in seinen Heimatort kam: "Ich war in der Gerolzhöfer Straße, beim Nacheggen von Gerste, die am Tag vorher gesät worden ist. In dem Moment kommt ein Gebrumm von Gerolzhofen raus. Dann sehe ich den ersten Jeep. Es hat eine Weile gedauert, es kommt der zweite Jeep, wieder eine Weile, der dritte, der vierte. In dem Moment habe ich meine Kühe gepackt, habe sie heim getrieben und bin vor an die Wirtschaft Melchior gegangen. Aber da waren schon die ersten Jeeps in Schallfeld. Dann kommen die ersten Lkw, die Panzer voraus. Da waren viele Farbige dabei. Die haben Kaugummi und Schokolade den Kindern runtergeschmissen. Und da habe ich meinen ersten dunklen Mann, also schwarzen Mann, gesehen. Für mich war es ein Erlebnis."
2. Gerhard Schmitt aus Gerolzhofen (86 Jahre)

Schmitt war sechs Jahre alt und lebte mit seiner Familie am Marktplatz, im Haus neben der ehemaligen Stadtapotheke. Sein Vater wurde von den US-Militärs Ende Mai 1945 als erster Bürgermeister in Gerolzhofen nach dem Ende des Krieges eingesetzt: "Das war eine schwierige Zeit nach dem Krieg. Die vielen Flüchtlinge und Heimatvertriebenen, die Bomben- und Fliegergeschädigten, die aus den Städten kamen, die mussten alle untergebracht werden. In Gerolzhofen waren die Häuser dicke vollgesteckt mit Menschen. Und dann kam das nächste Problem: Die Wasserversorgung, die Gasversorgung, das alles lag im Argen, es hat alles hinten und vorne nicht so gereicht. Aber so langsam wurden die Zeiten doch besser. Und der Kontakt zu den Amerikanern war sehr positiv. Da haben wir als junge Menschen, wir waren ja noch Kinder, immer gefragt: Have you chocolate? Have you chewing gum? Ja, und dann bekamen wir das schon. Die eine oder andere Rundfahrt im Jeep war auch möglich. Und Angst vor den dunkelhäutigen GIs hatten wir längst abgelegt. Wir hatten immer wieder unsere Erlebnisse im Wilder-Mann-Saal, wenn dort Veranstaltungen waren. Da haben wir uns reingeschmuggelt. Ein Schulkamerad hatte so ein Kinderrädchen. Da saßen dann die GIs drauf und sind mit dem Radel durch den Saal gefahren. Wir sprachen von freier Demokratie, wussten aber gar nicht, was das bedeutet. Wir hatten nur Diktatur kennengelernt, als kleine Knirpse. Und sind froh gewesen, dass der Krieg zu Ende war und wir wieder eine friedlichere Zeit haben."
3. Robert Wächter aus Gerolzhofen (86 Jahre)

Kurz vor seinem siebten Geburtstag erlebte Robert Wächter, später Zweiter Bürgermeister (1990-2008) und Sohn von Andreas Wächter, der im Mai 1945 als Ortshofberater eingesetzt wurde, das Kriegsende.
Am 13. April sah er, wie das US-Militär an seinem Elternhaus in der Schuhstraße vorbeikam: "Als ich am Straßeneck stand, kam eine lange Kolonne mit Fahrzeugen der Amerikaner. Ich weiß noch genau, wie der Panzer die Kurve nicht gekriegt hat. Von der Steingrabenstraße her kommend, wollte dieser nach rechts in die Schuhstraße abbiegen. Und dann ist er plötzlich ins schräg gegenüberliegende Haus hineingefahren, in welchem damals die Familie Pretscher lebte, das Haus, das später Agnes Mocker gehörte. Das Rohr des Panzers hing oben im Schlafzimmer des Hauses und die Kette war unten im Wohnzimmer. Der Fahrer hat danach den Rückwärtsgang eingelegt und ist einfach weitergefahren.
Was blieb, waren die Löcher in dem Haus. Die Kolonne fuhr weiter, in die Spitalstraße und hoch zum Marktplatz. Am meisten hat mich ein farbiger Soldat beeindruckt. Diese Begegnung zeigte mir, dass die Schauermärchen, welche uns zuvor erzählt worden waren, nicht der Realität entsprachen. Das freundliche Lächeln des Soldaten gab mir als Kind nicht das Gefühl von Gefahr. Für uns war das Kriegsende nicht belastend, es war für uns eine Befreiung."
4. Hugo und Lieselotte Hetterich aus Gernach (85 und 84 Jahre)

Das Ehepaar stammt aus dem Kolitzheimer Gemeindeteil Gernach. Hugo Hetterich hat später das Buch „Gernacher Geschichte und Geschichten“ geschrieben. Er hat als Fünfjähriger die Ankunft der amerikanischen Soldaten im April 1945 mitbekommen.
"Während des Krieges waren wir oft im Gewölbekeller im Haus meiner Eltern, weil der sicherer war und eine massivere Tür zum Schutz hatte. Da waren auch mehrere Nachbarn. Die Leute haben gebetet, und sie haben die Lichter ausgemacht. Ich erinnere mich, dass einmal ein Nachbarsjunge und ich irgendwann aus dem Keller heraus sind. Wir wollten mal schauen, was da los ist, weil wir Lärm gehört hatten. Gesehen haben wir nichts, aber laute Pfeiftöne gehört. Wir wussten nicht, was das ist. Später haben die Leute erzählt, dass es aus Richtung Gaibach kam. Da gab es anscheinend einen Beschuss. Unsere Angst war nicht so groß, sonst wären wir nicht aus dem Keller herausgekommen. Die Amerikaner waren dann später auf dem Dorfplatz. Die Kinder haben von ihnen Kaugummi bekommen, wenn sie Bier und Verpflegung gebracht haben."
Auch seine Frau Lieselotte (geb. Weilhöfer) weiß von den Tagen am Ende des Krieges zu berichten: "Es sollten, so war die Aufforderung, weiße Fahnen aus den Häusern rausgehängt werden, Friedensfahnen, wenn sie durch Gernach fahren. Meine Mutter hatte aber keine weiße Fahne gehabt, die hat dann eine Windel raus. Es ist alles friedlich geblieben im Ort. Die waren kinderlieb, die Amerikaner. Meine Schwester und ich mussten unser Kinderzimmer räumen. Weil unser Haus groß war, mussten wir Flüchtlinge aufnehmen. Die Familie mit sechs Personen aus Marienbad, die nach dem Krieg zu uns kamen, hat dann lange bei uns gewohnt."