Im März 2020 meldete das Schweinfurter Gesundheitsamt den ersten Corona-Fall. Seitdem haben sich in Stadt und Landkreis über 4600 Menschen mit SARS-CoV-2 infiziert. Matthias Gehrig blickt als kommissarischer Leiter des Gesundheitsamtes auf kräftezehrende Monate zurück. Wie er die aktuelle Lage für die Region einschätzt, was er von Urlaubsplänen in diesem Jahr hält und warum man auch etwas Positives aus der Krise mitnehmen sollte, erklärt der 39-Jährige im Interview.
Matthias Gehrig: Viel Arbeit, wenig Zeit. Das beschreibt es eigentlich am besten. Im Gesundheitsamt arbeiten wir rund um die Uhr, ich persönlich bin auch jedes zweite Wochenende hier, Diensthandy ist immer dabei. Nebenbei habe ich eine Familie mit drei Kindern. Als Privatperson kann ich das Thema Corona, wie viele andere, nicht mehr hören. Aber ich kann einen gewissen Teil der Bevölkerung in seinem Verhalten nicht verstehen. Es läuft einfach nicht, wie es sollte, obwohl wir das Ganze schon fast ein Jahr lang durchmachen.
Nehmen wir das Beispiel Click & Collect. Kürzlich wollte ich etwas in einem Geschäft zum vereinbarten Termin abholen. Doch anstatt, dass ich alleine unter Corona-Bedingungen meine Bestellung bekomme, stehe ich dort in einer langen Schlange, in der sich nicht jeder an die Mindestabstände hält. Das verstehe ich nicht, denn es ist eigentlich nicht schwer, sich an die Regeln zu halten.
Im Moment gehen die Zahlen runter. Durchschnittlich haben wir noch rund 30 Neuinfektionen pro Tag im Raum Schweinfurt. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist gerade für das Stadtgebiet aber ein eher schlechter Marker. Denn bei der geringen Einwohnerzahl sorgen zwei Neuinfektionen natürlich für viel größere Schwankungen, als etwa in größeren Städten wie München. Trotzdem muss man sagen, dass sich die Werte hier, verglichen mit anderen Regionen in Bayern, gut entwickelt haben. Das hängt sicher auch mit dem Lockdown zusammen. Außerdem sind die Seniorenheime derzeit nicht so stark betroffen. Aktuell gibt es in vier Einrichtungen Corona-Fälle. Doch auch da gehen die Zahlen zurück. Denn in Pflegeheimen kam es bereits seit Beginn der Pandemie immer wieder zu Corona-Ausbrüchen, so dass dort schon sehr viele Bewohner vom Virus betroffen waren. Diese Bewohner stecken sich nun wahrscheinlich kein zweites Mal an.
Nein, die Zahlen für unsere Region sind nicht besonders auffällig. Gerade nicht, wenn man die Vorerkrankungen der meisten Verstorbenen betrachtet. Hierbei ist nicht auszuschließen, dass die Influenza-Grippe abseits von Corona ebenfalls zum Tod geführt hätte.
Ich bin mir nicht sicher, ob der Lockdown über Mitte Februar hinaus verlängert wird. Sinnvoll wäre es aber durchaus. Wir sind mitten in der Erkältungs-Saison, die Menschen sind anfällig für grippale Infekte. Dadurch kann sich das Coronavirus auch leichter einen Wirt zur Übertragung suchen. Diese Erkältungsphase endet in der Regel erst Ende März, Mitte April. Von daher wäre eine Verlängerung des Lockdowns durchaus hilfreich. Für die Frage, wie die Politik dies der Bevölkerung vermitteln kann, und ob wir uns das überhaupt leisten können, bin ich der falsche Ansprechpartner. Denn eines ist auch klar: Die Bevölkerung ist müde.
Wenn die Schulen wieder aufgemacht werden, müssen wir damit rechnen, dass wir die gleiche Situation bekommen wie im vergangenen Herbst. Zwar werden auch dann die Schulen nicht der alleinige Überträger des Virus sein, jedoch werden dann natürlich wieder Infektionen in die Schulhäuser reingebracht. Vielleicht könnte dann der Wechselunterricht eine Lösung sein, um möglichst viele Kontakte zu vermeiden.
Das Thema Homeoffice wurde bereits von der Politik vorangetrieben. Wir halten uns im Gesundheitsamt selbst daran und achten darauf, dass möglichst viele Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten. Auch ich bin immer wieder im Homeoffice. Grundsätzlich ist das oberste Gebot natürlich weiterhin, Kontakte zu vermeiden. Denn selbst wenn der Inzidenzwert in naher Zukunft unter die 50er-Grenze gehen sollte, wird er da nicht bleiben, sobald wir die Maßnahmen wieder lockern. Und eines sollte man beachten: Verglichen mit dem jetzigen Lockdown wurde im Frühjahr 2020 viel mehr heruntergefahren. Wenn ich mir jetzt etwa den Verkehr auf der Autobahn anschaue, ist fast genauso viel los wie vor der gesamten Krise. Im Frühjahr 2020 war ich gefühlt fast alleine auf der Straße.
Es ist ähnlich wie zu Beginn der Krise. Damals wusste man kaum etwas über Corona an sich. Nun weiß man viel zu wenig über die Mutationen. Bisher gehen Virologen davon aus, dass sie nicht schlimmer verlaufen, jedoch verbreiten sie sich deutlich schneller. Aufgrund der noch geringen Fallzahlen in Deutschland ist die Datenlage hierzu sehr dünn. Bisher wird bei Tests auch noch nicht flächendeckend nach Mutationen gesucht. Daher ist natürlich nicht ganz klar, wie sehr diese sich hierzulande schon verbreitet haben.
Der sogenannte "Fehlstart" ist einfach damit zu begründen, dass nicht genügend Impfdosen vorhanden sind. Würde es ausreichend Impfstoff geben, dann würde es für Schweinfurt gut laufen. Ich stehe in Kontakt mit dem Impfzentrum. Die Verantwortlichen machen das gut, sind organisiert, es läuft. Leider ist aber eben nicht genug Impfstoff da, um dort Termine anzubieten. Aktuell haben wir gerade genug Impfstoff, um die zweiten Impfungen in den Seniorenheimen durchzuführen, was wichtig ist. Solange wir aber nicht sicher wissen, mit wie viel Vorrat wir planen können, ergibt es keinen Sinn, Senioren zu Terminen einzubestellen. Denn einen bereits vereinbarten Termin wieder abzusagen, würde für noch mehr Unmut sorgen.
Mir liegen dazu keine Statistiken vor, jedoch ist das von Heim zu Heim unterschiedlich. Wir hatten Einrichtungen, da haben sich die Bewohner fast alle impfen lassen, dann gibt es andere Heime, wo nur wenige Bewohner Impfungen bekommen haben. Dies kann allerdings häufig auch daran liegen, dass dort viele Bewohner die Erkrankung bereits durchgemacht haben. Nach Bundesverordnung werden diese nämlich aktuell nicht geimpft.
Die Aufgaben, die von uns gemacht werden müssen, wurden und werden auch trotz Corona weiterhin erledigt. Wenngleich natürlich Prioritäten gesetzt werden. Aufgaben wie etwa amtsärztliche Untersuchungen von Beamtenanwärtern werden aktuell wieder vom Gesundheitsamt durchgeführt. Zwischenzeitlich mussten diese pausieren, schließlich sind sie nicht überlebensnotwendig. Ansonsten laufen viele Aufgaben wie die Überwachung von Infektionskrankheiten, Trinkwasser-Überwachung oder die Begutachtung meldepflichtiger Erkrankungen ganz normal weiter. Die Corona-Pandemie hat aber natürlich für personelle Veränderungen gesorgt. Wir hatten vor Corona rund 30 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit. In Spitzenzeiten der Pandemie haben dann bis zu 250 Personen mitgewirkt, aktuell sind wir knapp 150. Uns unterstützen beispielsweise Mitarbeiter anderer Behörden, Bundeswehrsoldaten oder Polizisten.
Es wird vieles davon abhängen, wie die Impfungen ablaufen. Ich habe schon die Hoffnung, dass wir im Sommer in irgendeiner Art und Weise wieder Urlaub machen können, wenn auch vielleicht nur im eigenen Land. Ob wir Ende des Jahres wieder normal Weihnachten feiern können, weiß ich nicht. Fakt ist: Corona wird nicht weggehen, der Virus fühlt sich bei uns wohl und wird sich seinem Wirt anpassen. Als Gesellschaft müssen wir vielleicht auch etwas aus dieser Pandemie mitnehmen. Brauchen wir Großveranstaltungen wirklich, müssen wir unbedingt eng auf eng in der Disko stehen? Gerade jetzt beim Einkaufen merke ich, dass es auch entspannt sein kann, wenn man sich mit Abständen bewegen kann. Aber klar ist natürlich auch, dass viele Sparten sehr unter Corona leiden.