Wer kennt diese Ansage nicht: "Dü-dü-dü ... bitte warten!" Während öde Musik aus dem Telefonhörer dudelt, versichert die automatische Stimme, dass sich der nächste freie Mitarbeiter gleich um mich kümmert. Die Analytik-Firma Marchex hat ausgerechnet, dass wir 43 Tage unseres Lebens in der Warteschleife verbringen. "Bitte warten! Bitte warten! Bitte warten!" Und am Ende legen wir genervt auf.
In Schweinfurt sind die Zeiten von solchen computergesteuerten Callcenter-Ansagen vorbei. Hier heben "Die Telefonistinnen" ab. Höflich, freundlich und kompetent geben sie Auskunft, vereinbaren Termine, verbinden zum Chef oder organisieren einen Rückruf.
Wie ein outgesourctes Firmensekretariat
Seit April 2023 bieten Jessica Heyn und Nadine Ebert in Schweinfurt professionelle Outsourcing-Dienstleistungen für Firmentelefonate an. Sie übernehmen die komplette Telekommunikation und halten so den Mitarbeitenden den Rücken frei, damit diese sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. "Wir nehmen ab, damit Sie mehr Zeit für Wachstum haben", heißt es auf der Telefonistinnen-Homepage.
Mit dem sogenannten "Fräulein vom Amt", das im 19. Jahrhundert einen Teilnehmer zum anderen vermittelte, haben "Die Telefonistinnen" nichts mehr gemein. Auch nicht mit der gleichnamigen Netflix-Serie, in der die Telefonistinnen Liebe, Freundschaft und Arbeit unter einen Hut zu bringen versuchen.
"Wir sind wie ein outgesourctes Firmensekretariat", erklärt Nadine Ebert die Aufstellung des jungen Unternehmens, das neben den zwei Geschäftsführerinnen noch zwei weitere Beschäftigte hat. Der Kunde merke gar nicht, dass sein Anruf außerhalb der angewählten Firmenzentrale eingehe. Denn wenn die Telefonistinnen in ihrem Büro neben dem Hauptzollamt im Zürch 20 abnehmen, melden sie sich mit dem jeweiligen Firmennamen, der ihnen auf dem Display ihrer Telefonanlage angezeigt wird. Und wenn sie Rückrufe für Firmen tätigen, erscheint beim Kunden die Telefonnummer der jeweiligen Firma.
Betrieben fehlt die Zeit, sich um Kundenanrufe zu kümmern
Die kommerzielle Vermittlung von Telefongesprächen ist zwar nichts Neues, die regionale Ausrichtung aber schon. Die Schweinfurter "Telefonistinnen" sitzen nicht nur vor Ort, sondern besitzen auch lokale Kompetenz. Kunden- oder Supportanfragen können professionell beantwortet werden, weil sie die Firmen kennen, für die sie arbeiten, und sich mit ihnen identifizieren.
Die beiden Jungunternehmerinnen haben festgestellt, dass gerade in kleinen Handwerksbetrieben oder IT-Firmen oft die Zeit und das Personal fehlen, um sich um Kundenanrufe zu kümmern. "Dadurch gehen unheimlich viele Aufträge verloren", weiß Nadine Ebert. Auf Wunsch nehmen sie deshalb nicht nur Gespräche an, sondern terminieren für ihre Geschäftspartner auch Kundenaufträge.
Für die Betriebe lohne sich die Auslagerung der Telekommunikation, sagen die beiden Frauen. Das Outsourcing spare nicht nur Zeit und Ressourcen für das eigentliche Geschäft, sondern auch Kosten für interne Telefonie und Mitarbeitertraining.
Das bestätigt Dieter Sauer, Geschäftsführer der Quallity GmbH in Werneck. Als Techniker ist er nur unregelmäßig in seinem Büro und mitunter schwer erreichbar. Doch seit "Die Telefonistinnen" für ihn abheben, ruft kein Kunde mehr vergeblich an. "Ich habe von allen meinen Kunden nur positives Feedback bekommen."
Sauer war auch der Initiator der regionalen Hotline. Jessica Heyn betreibt seit zehn Jahren in Schweinfurt die Personalvermittlungsagentur Jeymo, über die der Wernecker Geschäftsmann nach einer Bürokraft suchen ließ. Vergeblich. "Es gab keine einzige Bewerbung." So kam ihm die Idee, sein Firmentelefon im Büro von Jeymo klingeln zu lassen. Technisch war die Umstellung von Werneck nach Schweinfurt für den IT-Spezialisten kein Problem. Und nach der erfolgreichen zweimonatigen Pilotphase war die neue Geschäftsidee geboren.
Fränkische Dialektfärbung ist kein Hindernis
Inzwischen betreuen "Die Telefonistinnen" drei Firmen in der Region und sind am Wachsen. "Wir brauchen deshalb Verstärkung", sagt Nadine Ebert. Auch wenn sie sich "Die Telefonistinnen" nennen, können natürlich Männer genauso ins Team einsteigen. Voraussetzung für die Arbeit sind Lust am Telefonieren, gute Umgangsformen, Empathie und Zuverlässigkeit. "Und die deutsche Sprache", betont Nadine Ebert. Die fränkische Dialektfärbung sei keinesfalls ein Hindernis, von Auftraggebern teilweise sogar gewünscht, damit sich der Kunde wohlfühle.
Die beiden Geschäftsführerinnen waren früher in ganz anderen Berufen tätig. Jessica Heyn arbeitete viele Jahre als gelernte Kauffrau für Bürokommunikation in einer Rechtsanwaltskanzlei, während Optikerin Nadine Ebert nun einen völlig neuen Weg einschlagen hat.
Ihre Berufserfahrungen wollen die beiden jungen Frauen in der neu gegründeten Firma nutzen, für die sie großen Bedarf in der Region sehen. Auch früher waren Telefonistinnen stark nachgefragt. Schon 1897 soll es knapp 4000 "Fräuleins vom Amt" gegeben haben.