
Die Situation ist einigermaßen kurios: Das Stadtarchiv in Schweinfurt könnte mehr Personal brauchen genauso wie einen deutlich höheren Grad an Digitalisierung. Die Opposition fordert mehr Geld und verweist auf Förderprogramme. Doch der Archivar sieht keinen Grund, den Fokus auf verstärkte Digitalisierung der Bestände zu legen. Kein Wunder, dass SPD und Linke nach den Haushaltsberatungen und der jüngsten Hauptausschusssitzung einigermaßen ratlos waren.
Zunächst hatten die Linken 100 000 Euro im Haushalt 2022 gefordert, um schneller beim Thema Digitalisierung voran zu kommen. Das wurde abgelehnt, auch die Einstellung von Werkstudenten als Hilfe. Nun hatte SPD-Stadträtin Marietta Eder auf ein Förderprogramm des Bundes verwiesen, bei dem man sich bis Mitte Dezember bewerben muss. Bis zu 200 000 Euro Förderung hätte es laut Eder da für die Digitalisierung des Schweinfurter Archivs geben können: "Wir sollten das dringend nutzen, um die Digitalisierung voran zu treiben." Das sah die Mehrheit des Gremiums nicht so, der Antrag wurde abgelehnt.
Maßgeblich für diese Haltung war sicher der Vortrag des Stadtarchivars Uwe Müller, der erklärte, man habe sich "bewusst gegen das Programm entschieden" und habe eine andere Digitalisierungsstrategie. Er halte das Förderprogramm für "in keinster Weise nachhaltig" und warne vor "Schnellschüssen". Außerdem fehle es im Archiv an Personal, intensiv die Bestände zu digitalisieren, angesichts der Vielfalt an Aufgaben.

Bisher sind 72 234 Datensätze online zugänglich, darunter über 26 000 Handschriften, über 20 000 Bilder, 163 historische Ratsprotokolle und 3774 Zeitungen. Die Digitalisierung der 84 Bände umfassenden Ratsprotokolle aus der Zeit der freien Reichsstadt läuft. Allerdings liegt der Grad der Digitalisierung bei maximal 15 Prozent aller Dokumente.
Müller, der 2022 in Rente geht, will das Thema seinem Nachfolger überlassen. Über dessen Einstellung berät der Stadtrat nicht-öffentlich am 30. November. Offenbar wurde intern eine Lösung gefunden, denn auf der Tagesordnung steht "Einstellung im Wege der Versetzung." Müller erklärte, "was wir machen ist das, was wir leisten können."
Völlig unrealistische Vorstellung
Er appelliere "an die Vernunft" der Stadträte, nicht mehr Geld für eine Digitalisierung des Stadtarchives zur Verfügung zu stellen, zumal die Vorstellung, ein komplett digitalisiertes Archiv zu haben, angesichts von sechs Kilometern Akten und Leitzordnern "völlig unrealistisch" sei. Aus seiner Sicht "müssen wir Archivare die Prioritäten setzen dürfen."

Müller war in seinem Ton und Umgang mit dem Antrag deutlich anzumerken, dass er sich ärgerte und von Linken und SPD fachlich angegriffen fühlte. Das führte dazu, dass SPD-Stadtrat Peter Hofmann deutliche Worte fand, was einem Amtsleiter aus seiner Sicht in einer öffentlichen Sitzung im Umgang mit dem Stadtrat zustehe und was nicht: "Nicht der Archivar bestimmt, sondern der Stadtrat und das ist im Archiv dann umzusetzen."
Die SPD hatte schon vor mehr als einem Jahr den Antrag gestellt, ein bisher nicht vorhandenes archivpädagogisches Konzept zu entwickeln und danach auch den neuen Leiter oder die neue Leiterin des Archivs auszusuchen. Hofmann war verwundert, "wie man sich dagegen wehren kann" und verwies auf einen Besuch seiner Fraktion im Aschaffenburger Archiv, das in Sachen Archivpädagogik und Digitalisierung vorbildlich sei. Dort gebe es drei Werkstudenten und einen Referenten für Digitalisierung, "und es werden massiv Zuschüsse generiert."
Werkstudenten sind keine Lösung
Müller sieht Werkstudenten nicht als Lösung, "was glauben Sie, wie viel Arbeit die machen, bis man sie so einsetzen kann, dass sie helfen?" Eine Haltung, die Frank Firsching nicht nachvollziehen konnte, wenngleich er erklärte, das Thema Personalmangel vom Einrichtungsleiter mal zu hören, sei für den Stadtrat hilfreich, um Entscheidungen für die Zukunft zu fällen.
Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) unterstützte Uwe Müller und schlug vor, das Gremium solle eine Begehung des Archivs im Rückert-Bau machen, um zu sehen, was dort schon alles geleistet werde. Auch CSU-Fraktionschef Stefan Funk plädierte dafür, "auf Müller zu hören." Die neuen Schwerpunkte solle der Nachfolger setzen, dann könne man in den Haushalt 2023 auch Mittel einstellen. Auch Bernd Weiß (CSU) und Stefan Labus (Freie Wähler) unterstützten das. Labus verwies vor allem darauf, dass die Stadt aus seiner Sicht weit wichtigere Aufgaben wie die Belebung der Innenstadt und den Klimaschutz habe als eine vollständige Digitalisierung des Archivs.
Na ja, ich muss schon sagen, das ist eine gewaltige Unverschämtheit des SPD-Stadtrates, so zu antworten. Wer ist denn im Archiv der Fachmann? Zudem möchte ich mal wissen, wieviele Stadträte überhaupt ein SW-Stadtarchiv von innen gesehen haben?
Und noch etwas: Das riecht nach Retourkutsche, sehr geehrter Herr Stadtrat!!! Ich verweise auf ein anderes SW-Problem mit dem Namen WS.