Ein bisschen versteckt am östlichen Rand von Dingolshausen liegt die Volkachsmühle. Der abgeschiedene Ort ist das Zuhause von Reinhard Geißler und seiner Familie. Schrot oder Mehl wird hier seit längerem nicht mehr gemahlen, Anfang der 1950-er Jahre zermalmten die Mühlsteine dort letztmals Korn. Letztmals, weil wirtschaftlich wenig erfolgreich.
Das Anwesen blieb aber Wohnsitz der Familie, die über Jahrhunderte die Geschichte der auch Obermühle genannten Volkachsmühle prägte, wie Reinhard Geißler erklärt: Seine Vorfahren mütterlicherseits hatten über Generationen das Müllerhandwerk im Ort ausgeübt, um das Jahr 1750 sei der Müllergeselle Friedrich Sendner aus Thüngfeld bei Schlüsselfeld auf der Walz gewesen und nach Dingolshausen gekommen. Hier fasste er beruflich Fuß und heiratete in eine Müllersfamilie ein, führte schließlich auch den Familienbetrieb weiter. Und der expandierte: Die drei an der Volkach gelegenen Mühlen im Ort - neben der Volkachsmühle gibt es noch die Mittel- sowie die Dorfmühle - waren laut Reinhard Geißler innerhalb von zwei bis drei Generationen alle im Besitz der Familie Sendner.
Als das Müllerhandwerk florierte
Mitunter waren sehr erfolgreiche Müllerjahre darunter, wie Geißler bei einem Rundgang auf dem Gelände der Volkachsmühle zeigt. Am hinteren Teil des Mühlhauses, wo einst das Wasser des etwa 400 Meter weiter hinten in der Flur an einem Holzwehr aufgestauten Mühlbachs aus einem eigens angelegten Schacht dem Mühlrad zugeleitet wurde, sind in der Fassade besondere Fenstereinfassungen zu sehen. Die Steine zeigen spezielle Verzierungen, die Fenstergewände seien „barockisiert“ worden, erklärt Geißler dazu. Zum einen deute das darauf hin, „dass es den Müllern gut ging“ sagt er. Üblicherweise haben sich reiche Kaufmänner und Adelige zur Zeit des Barocks (Beginn Ende des 16. Jahrhunderts; Ende unter Einbezug des Rokoko um 1760/70) diesen Stil geleistet, allerdings schauten sich auch andere Bevölkerungsgruppen, die es in dieser Zeit zu Wohlstand gebracht hatten, den Trend bei den Reichen ab und trugen so ihren Status zur Schau.
Zum anderen lässt diese Bauweise aber auch Rückschlüsse auf das Alter der Mühle zu, wie Geißler weiter ausführt. Wann die Mühle genau erbaut worden ist, ist unbekannt, jedoch sei sie aufgrund der Barockisierung „sicherlich älter als 1700“, sagt der 66-Jährige. Aufzeichnungen seiner Familie zufolge deutet vieles daraufhin, dass die Mühle als Versorgungspunkt des wenige Kilometer entfernten Kloster Ebrach (Landkreis Bamberg) errichtet wurde. Die Mühle könnte also locker 500 Jahre oder älter sein. Belege dazu finden sich laut Geißler aber nicht.
Familienerbe
Der 66-Jährige Geißler stammt aus Bergrheinfeld und verbrachte schon in jungen Jahren immer wieder Zeit an der Mühle, denn seine Mutter stammt aus der Familie Sendner. Ihr Bruder Theobald Sendner war im Besitz der Mühle und hat sie an Reinhard Geißler vererbt. Zuvor hatte Geißler längere Zeit in Gerolzhofen gewohnt und zog schließlich im Jahr 2001 nach Dingolshausen, um sich dem Familienanwesen anzunehmen. Er begann damit, die Scheune neben dem Mühlhaus zum Wohnhaus umzubauen und zog dort mit seiner Frau und seinen drei Kindern ein. Das historische und von seinen Vorfahren jahrelang bewohnte Mühlhaus selbst ist seit Jahren ungenutzt, Geißler sieht dort aber viel Potenzial für eine erneute Nutzung als Wohnstätte - freilich verbunden mit viel Arbeit. Ein Zukunftsprojekt.
Brennrecht seit 1986
Und noch etwas zeichnete die Volkachsmühle aus: Reinhard Geißler stellte dort Brände und Liköre her, die als regionales Produkt in der Steigerwaldregion guten Absatz fanden. "1986 haben meine Onkels und ich die Brennerei installiert und das Brennrecht dazu gekauft", erklärt der Mühlenbesitzer. Doch seit heuer ist damit - vorerst - Schluss. Aus gesundheitlichen Gründen hat sich Geißler eine Pause verordnet, will aber noch keinen endgültigen Schlussstrich ziehen, denn die Brennerei war ihm eine Herzensangelegenheit. Er stellte dort unter anderem Obstbrände her, die Rohstoffe (Kirsche, Mirabelle, Apfel, Ringlo) stammen alle aus dem Umfeld der Mühle, dort gibt es jede Menge Obstbäume.
Den letzten Brand aus Anfang 2020 füllt Geißler derzeit noch ab. Die Brennanlage sei aber vor wenigen Wochen nach Belgien verkauft worden. Jedoch könnte es wieder weitergehen: In den kommenden zwei Jahren will Geißler die Entscheidung treffen, ob er sich noch einmal eine neue Destille anschafft und die Produktion wieder aufnimmt. Die oberste Prämisse dabei ist aber: Gesundheit geht vor. "Für diese Entscheidung nehme ich mir die Zeit", sagt er.