Drei Mühlen, zwei Wehre und dazwischen duftende Wiesen und sanfte Hügel – wer sich die idyllischen Bilder vor Augen ruft, die das Ortsbild von Dingolshausen lange Zeit prägten, den erfasst schon einmal die Sehnsucht nach der verträumten und friedlichen Mühlenvergangenheit. Dass es beim Müllershandwerk aber nicht nur malerisch und romantisch zuging, davon können die in den Mühlen lebenden Familien noch heute berichten.
Wenn man der Volkach von Michelau nach Dingolshausen folgt, stößt man zunächst auf die Vol-kachsmühle, auch Obermühle genannt. Sie liegt in einem weiten Wiesengrund, durch den früher ein Mühlbach von der Volkach zur Mühle floss. Reinhard Geißler, der heute mit seiner Familie dort wohnt, besitzt noch schriftliche Erinnerungen an den einstigen Mühlenbetrieb, die seine Vorfahrin Anna-Maria Sendner um 1921/1922 verfasst hat.
In ihren „Lebenserinnerungen“ berichtet Anna-Maria, die zusammen ihrem Mann Ignatz die Mühle von 1881 bis 1919 bewirtschaftete, von Schwierigkeiten: „Und hatten wir denn ein gutes Geschäft? Es wollte nie so recht in Schwung kommen. Von den Bewohnern des Heimatdorfes wurde unsere Mühle nie viel besucht.“
Dass es besonders für Anna-Maria und Ignatz schwer war, mit der Mühle zu einem guten Einkommen zu gelangen, liegt wohl an der Tatsache, dass die Mühle in den Generationen davor beständig heruntergewirtschaftet worden war. Die Besitzer gingen einer nach dem anderen pleite und zogen ab, zuletzt wurde das Grundstück verpachtet. Den maroden Betrieb wieder auf Vordermann zu bringen und zu guter Kundschaft zu kommen, war für das Ehepaar eine große Herausforderung. Kein Wunder, dass Anna-Maria Sendner von ihrer Mühlenzeit als „Kampfperiode“ spricht.
Doch nicht nur in der Volkachsmühle hatte man schwer zu arbeiten. Auch in der 300 Meter flussabwärts gelegenen Mittelmühle sowie in der Dorfmühle an der Hauptstraße war das Leben kein Zuckerschlecken. Der 93-jährige Dionys Sendner von der Dorfmühle erinnert an die nicht enden wollenden Mahlgänge: „Das war eine Schinderei“, sagt er. „Mir standen schon die Haare zu Berge, als ich das in der Müllerslehre gesehen habe. Da hat es kein Ausruhen gegeben.“
Auch Elfriede Grünewald (geb. Sendner), die seit ihrer Geburt im Jahr 1931 in der Mittelmühle lebt, berichtet davon, wie sie das nach unten fallende Getreide immer und immer wieder nach oben trug, damit es von neuem fein gemahlen werden konnte – so lange, bis ordentliches Mehl das Ergebnis war. Aber klagen will sie nicht, die Arbeit hat einfach dazugehört.
Die Anstrengungen der drei Dingolshäuser Mühlen nahmen um 1930 noch einmal zu. In dieser Zeit reichte die Wasserkraft nicht mehr aus, um die Nachfrage nach Mehl, Schrot oder im Fall der Volkachsmühle gesägtem Holz zu befriedigen. Also half man mit Motoren nach, um die notwendige Leistung zu erbringen. Mit Vorteilen war das aber nicht immer verbunden. „Was man durch das Mahlen an Geld eingenommen hat, ging für Strom wieder verloren“, sagt Dionys Sendner. „Um den Strom bezahlen zu können, mussten wir jeden Monat eine Sau verkaufen.“
Kein Wunder, dass sich der Betrieb für die drei Dingolshäuser Mühlen bald nicht mehr rentierte. Wie auch in Michelau, so war es schließlich die Flurbereinigung Ende der 50er Jahre, die das unrentable Handwerk in Dingolshausen beendete. Das Wasserrecht wurde an die Gemeinde abgetreten, der Mühlbach stillgelegt.
Doch nicht überall herrschte bei den Müllersleuten Freude über das Ende der schweren Plackerei. Für Elfriede Grünewald aus der Mittelmühle war das endgültige Verstummen des Mühlengeklappers erst einmal mit Wehmut verbunden. „Als mein Mann in den 70er Jahren schließlich das ganze alte Mühleninventar herausriss, war das für mich ein kleiner Schock“, berichtet sie. „Ich konnte dort erst mal nicht mehr hin.“
Ein Mühlrad gibt es zwar nun nicht mehr, aber dafür freut sich Elfriede Grünewald weiterhin am unermüdlichen Singsang der Volkach, die nahe an ihrem Hof vorbei ins Dorf hinunterrauscht. Und wenn dazu der Wind die hohen Fichten am Ufer streichelt und sich ein frisches Sausen erhebt, dann ist sie wieder da, die Mühlenromantik von früher. Ganz ohne geht es eben doch nicht.