Arnold Bedenk steht etwas hilflos am Rand eines Mais-Ackers bei Gerolzhofen. Mit Blick auf die Feldpflanzen ist leicht zu erkennen, weshalb dem Schallfelder Landwirt gerade nicht nach Lachen zumute ist: Auf einer Teilfläche stehen nur mickrige Maispflanzen, deren Blätter braun und vertrocknet sind. Nur eine Zeile weiter haben die Pflanzen immerhin noch einige halbwegs grüne Blätter und verkümmerte Kolben ausgebildet. "Wenn es bis zu diesem Wochenende nicht regnet", sagt Bedenk, "dann muss der Mais endgültig raus."
Die ersten Maishäcksler sind in der Region schon seit einigen Tagen im Einsatz, berichtet Bedenk – dabei hat der August noch nicht einmal begonnen. Dass die Maisernte so früh begonnen hat, ist außergewöhnlich. Und alles andere als freiwillig. Landwirte versuchen jetzt wenigstens das zu retten, was der spärliche Niederschlag in diesem Jahr überhaupt wachsen ließ auf den Feldern.
Um den Mais als Viehfutter silieren zu können, wird eine gewisse Restfeuchte benötigt, um es haltbar zu machen, erläutert Heinz-Dieter Hofmann vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Schweinfurt. Auch das aus Mais gewonnene Substrat für Biogasanlagen dürfe nicht staubtrocken sein. Wenn der Mais jetzt nicht geerntet wird, könnte er also am Ende völlig unbrauchbar werden, macht der Pflanzenbauberater die Zwangslage der Landwirte klar.
Getreideernte außergewöhnlich früh beendet
Für den Gerolzhöfer Landwirt Hubert Hauck ist es beim Mais die zweite Noternte in diesem Jahr, die ihm ins Haus steht. Bereits dem Getreide hat der Wassermangel ab dem späten Frühjahr massiv zugesetzt. Auf den Weizen-, aber auch auf den Gerste-Feldern kam es zur Notreife. Im letzten Juni-Drittel wurde bereits gedroschen, bestätigt Klaus Pierot, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands (BBV) im Landkreis Schweinfurt. Mittlerweile sei die Getreideernte in der Region quasi beendet – "so früh wie wohl noch nie", sagt Pierot. Normalerweise reiche die Getreide-Ernte bis etwa Mitte August.
Hauck hat auf seinen Getreide-Äckern im Raum Gerolzhofen etwa ein Drittel weniger geerntet als normal. In anderen Gegenden des Landkreises, etwa im Bereich von Werneck, seien die Einbußen etwas geringer ausgefallen, hat er von Kollegen gehört, je nachdem, wie viel es lokal geregnet hat und welche Qualität die Böden dort haben. Bedenk, der auch im Kreisvorstand des BBV sitzt, rechnet auf guten Böden mit einer Bonität von 50 bis 60 mit Mindererträgen von 20 bis 30 Prozent beim Getreide. Auf schlechten Böden, mit einer Bonität von 30 bis 40, könnten Berufskollegen über die Hälfte weniger Getreide eingebracht haben als in durchschnittlichen Jahren, schätzt er. Die Erntemengen hätten in diesem Jahr sehr geschwankt, seien aber auf jeden Fall unterdurchschnittlich ausgefallen, heißt es beim AELF.
Giftiger Pilz tritt vermehrt auf
Ein weiteres Problem, das Landwirte in diesem Jahr trifft, ist Mutterkorn. Dies ist ein giftiger Pilz, der an Getreide-Ähren entstehen kann, insbesondere dann, wenn die Pflanzen während des Wachstums Stress-Situationen erleben, so erklärt es Landwirt Bedenk. Wird er mit dem Korn vermahlen und übers Mehl verzehrt, kann er Menschen krank machen und im Extremfall töten.
AELF-Berater Hofmann bestätigt Bedenks Angaben, dass es im Landkreis Schweinfurt – im Norden mehr als im Süden –, aber insbesondere auch im Landkreis Haßberge in diesem Jahr verstärkt Mutterkorn-Befunde im geernteten Getreide gab. Wenn der Mutterkornanteil einen Grenzwert übersteigt, müssen ganze Chargen vernichtet oder zumindest für den menschlichen Verzehr gesperrt werden. Da kommt es erschwerend hinzu, dass ausgerechnet in diesem Jahr der zulässige Grenzwert Hofmann zufolge von 0,5 Gramm pro Kilogramm Getreide auf 0,2 Gramm gesenkt wurde.
Kurse auf den Agrar-Märkte schwanken stark
Neben dem giftigen Pilz und der aktuellen Missernte beschäftigt die Getreide-Anbauer derzeit die stark schwankenden Kurse an den Getreidebörsen. Beim Weizen, sagt Bedenk, gehe der Kurs an manchen Tagen um zehn Prozent rauf oder runter. Über die Woche betrachtet, könnten es locker auch mal 30 Prozent sein, die ein Landwirt an Einnahmen gewinnt oder verliert, je nachdem, wann er seine Ware – in diesem Fall Weizen – verkauft. Damit gebart sich der Agrarmarkt derzeit noch volatiler als die Aktienmärkte. Wer zum richtigen Termin verkauft, schildert Bedenk, der schaffe es im Extremfall, seinen Jahresgewinn zu verdoppeln. Oder aber er vernichtet einen Teil seiner Existenzgrundlage, falls er zum falschen Zeitpunkt verkauft.
Kommt es beim Verkauf der Waren also wenigstens noch zum Teil auf die Erfahrung oder das Geschick des Einzelnen an, müssen sich die Landwirte bei den Witterungsumständen seit jeher "in Gottes Hand" fühlen, wie Bedenk es ausdrückt. Denn ob es etwa im Frühjahr Spätfröste gibt, können sie genauso wenig beeinflussen wie die Menge der Niederschläge. Dies wurde ihnen in diesem Jahr erneut drastisch vor Augen geführt.
Viel mehr Verdunstung als Regen
Pflanzenbauberater Hofmann hat Zahlen parat, die die Trockenheit verdeutlichen: Im Mai und Juni sind an der Wetterstation Ettleben bei Werneck insgesamt 40 Liter Regen gefallen. In diesem Monat waren es bis einschließlich 27. Juli 13 Liter. Die Zahlen lassen sich problemlos auf andere Bereiche im Landkreis Schweinfurt übertragen, auch wenn es mancherorts durch Gewitterschauer mal etwas mehr oder andernorts noch weniger Niederschlag gewesen ist. Der Trend ist klar: Es hat überall deutlich weniger geregnet als im langjährigen Durchschnitt.
Was in den Augen des Fachmanns vom AELF die dramatische Lage noch deutlicher ausdrückt als die geringen Niederschlagswerte, ist die Wasserbilanz der Böden. Diese ergibt sich, wenn man zusätzlich zu den Niederschlägen auch die durch Hitze und Wind begünstigte Verdunstung betrachtet. Und hier besagen die Zahlen, dass den Böden in den vergangenen drei Monaten auf den Quadratmeter umgerechnet gut 340 Liter mehr an Wasser entzogen wurden als vom Himmel fiel. Kein Wunder also, dass die Böden großflächig staubtrocken sind.
Die Rüben sind noch nicht verloren
Können die Landwirte das Erntejahr 2022 also komplett abschreiben? Das lässt sich derzeit noch nicht sagen, sind sich die befragten Landwirte und Fachleute einig. Denn es besteht zumindest die Hoffnung, dass die Zuckerrübe noch nicht verloren ist. Diese habe ihr Wachstum zwischenzeitlich zwar eingestellt, berichtet Bedenk, und stehe auf Standby. Doch zumindest auf den Standorten mit besseren Böden stünden die Rüben aktuell noch besser da, als angesichts der Dürre zu vermuten sei, hat Hauck beobachtet.
Und auch AELF-Berater Hofmann meint, dass die Rübe noch das Potenzial habe, "Wasser in Ertrag umzusetzen". Doch dafür müsse es möglichst bald ausreichend regnen. Mindestens 20 Liter an einem Tag, die nicht als Platzregen fallen, sondern als gediegener Landregen, wünscht sich Hauck. Er wäre aber auch schon über jede Form von Regen glücklich, der wenigstens die Wurzeln der Pflanzen erreicht und nicht gleich wieder oberflächlich verdunstet.
Hoffentlich folgt kein zweites Trockenjahr
Um trotz der häufiger werdenden Dürrejahre überhaupt noch Erträge auf den Feldern zu erwirtschaften, setzen Landwirte auf Formen der Bodenbearbeitung, die den Wasserverlust minimieren. "Da gleichen sich konventionell und biologisch arbeitende Betriebe immer mehr an", stellt Bedenk fest. Und sein Kollege Hauck, der seine Ernte vor allem als Viehfutter benötigt, hofft, dass sich die diesjährige Dürre im kommenden Jahr nicht gleich wiederholt. Denn ein extremes Trockenjahr kann er mit seinen Vorräten überstehen. Doch wenn dann die Erntemenge nicht halbwegs wieder passt, wird's eng.