Manche Ereignisse versinken auch nach Jahrzehnten nicht einfach im Schlick der Zeit, zumindest nicht ganz und auch, weil es Menschen gibt, die nicht aufhören im immer noch trüben Wasser der Erkenntnis zu fischen. Autor Bernhard Gehringer ist so einer, der nicht loslässt wenn er einer Spur folgt, der – einmal auf der Fährte – "Blut geleckt hat" wie er selber sagt, der die ganze Wahrheit, von der es nicht immer nur eine gibt, ans Licht bringen möchte.
Was ist das für eine Geschichte, die den 70-Jährigen, der von 1999 bis 2014 in Schwebheim gelebt hat, der an einem Schweinfurter Gymnasium unterrichtet hat, umtreibt? Nicht nur umtreibt, sondern antreibt müsste man sagen, denn die Geschichte des im Februar 1977 verschwundenen Zeilitzheimer Bürgermeisters und SPD-Kreisrates Franz Räth hat ihn so fasziniert, dass er nun ein Buch daraus gemacht hat.
Auch 42 Jahre danach stellt sich die Frage "Was geschah während der Heimfahrt?"
Was war seinerzeit geschehen? Ein Schnelldurchlauf: Man schreibt den 31. Januar 1977. In der Aula der heutigen Heideschule in Schwebheim gilt es einen Amtswechsel zu feiern. Landrat Georg Burchard geht, sein Nachfolger ist Karl Beck. Das "Who is who" der Landkreispolitik feiert mit. Unter den rund 200 Gästen auch Franz Räth. Der 53-jährige Landwirt, der mit seinem wenige Tage alten sengalroten Golf gekommen ist, verlässt am frühen Abend als einer der letzten die Feier, die sich seit dem Vormittag hingezogen hat. Gut eine Viertelstunde später hätte er Zuhause sein können oder müssen – aber er kommt dort nie an. Bis heute weiß niemand, was geschah. Ein idealer Nährboden, auf dem Gerüchte und Legenden gedeihen, die auch Jahrzehnte nach dem mysteriösen Fall noch genügend Nahrung finden, um zumindest nicht ganz eingegangen zu sein.
Die Fakten hinter dem großen Rätsel sind dünn. Als Räth auch am nächsten Tag nicht auf seinem Hof oder anderswo gesichtet wird, kommt eine groß angelegte Suchaktion in Gang. Polizisten durchkämmen die Wälder zwischen Zeilitzheim und Schwebheim, suchen auch auf und im Main, schließlich hätte der Verschollene auf dem Rückweg ja auch die für ihn längere Route am Main entlang fahren können. Ein Polizeihubschrauber kreist, der Hof wird abgesucht – ohne Ergebnis. Eine Fahrzeugspur, die zu einem Fischteich zwischen Hirschfeld und Heidenfeld führt, könnte auf den Vermissten hindeuten. Es bleibt beim Konjunktiv, denn tatsächlich wird später in dem Fischteich eine Autokarosserie gefunden. Die liegt aber da schon länger, wurde von den Anglern als Laichplatz für die Fische deponiert.
Autowrack im Main – aber Rot ist nicht gleich Rot
Im August 1978 wird bei Ausbaggerungsarbeiten im Rhein-Main-Donau-Durchstichkanal zwischen Volkach und Gerlachshausen ein roter Golf gefunden. Doch der ist phönixrot und nicht mit dem gesuchten senegalrot lackiert und außerdem vor der Entsorgung mit dem Schneidbrenner zerteilt worden. Im Frühsommer 1979 übt eine Bundeswehreinheit im Raum Obereisenheim auf dem Main. Der Schützenpanzer M113, der auch schwimmen kann, kommt zum Einsatz. Auch in den kleinen Mainufer-Buchten zwischen Stammheim und Fahr, also entlang der Strecke die Räth gewählt haben könnte, wühlt sich der Panzer durch den Main.
Und siehe da, wenig später wird in der Nähe des Volkacher Campingplatzes Ankergrund, idyllisch unterhalb der Wallfahrtskirche "Maria im Weingarten" gelegen, ein halb skelettierter Unterschenkel mit Socken und Schuh gefunden. Weitere Leichenteile finden sich auch nach intensiver Suche nicht, doch Räths Angehörige sind sich sicher, dass der Schuh am Bein dem Vermissten gehörte.
Während in der Küche der echten Erkenntnisse weiter auf Sparflamme gekocht wird, brodelt es in der Gerüchteküche weiter, manches obskure Süppchen wird gekocht. Ein hartnäckiges Gerücht, das es in den Rang der Überprüfung schafft, ist jenes, Räth habe sich in die DDR abgesetzt. Ein Zeilitzheimer glaubt gar, Räth 1987 ausgerechnet als DDR-Grenzer am Übergang Rudolphstein-Hirschberg an der innerdeutschen Grenze erkannt zu haben. Die Überprüfung nach dem Mauerfall ergibt – wen wundert's – dass auch da nichts dran war. Die Vermisstenakte Räth wird geschlossen.
Versunken – und nie wieder aufgetaucht
Es gäbe noch einiges zu berichten von Auto- und Körperteilen, die so ein Fluss wie der Main immer wieder mal freigibt – zu viel für einen Schnelldurchlauf. Fakt ist, dass keine Spur eine schlüssige Rekonstruktion des weiteren Abends jenes 31. Januars 1977 zulässt. Irgendwie, irgendwo und irgendwann auf seinem Weg nach Hause oder auf dem Umweg, den er noch genommen haben mag, im Main versunken – das ist nach wie vor die wahrscheinlichste Ursache des Verschwindens des Franz Räth. "Der Versunkene" nennt Bernhard Gehringer deshalb nicht von ungefähr sein "Sittengemälde aus den mainfränkischen Provinzen", das er auf 313 Seiten im Eigenverlag mit vielen Farben gemalt hat.
2015 wurde in dieser Zeitung Räths Verschwinden in der Serie "Ungelöste Kriminalfälle" aufgearbeitet. Für Gehringer eine Lektüre mit Folgen, denn "ich wollte es genauer wissen", womit wir wieder beim "Blut geleckt" wären. Blut gibt es abgesehen vom im Main gefundenen Leichenteilen nicht, auch keine verlässliche Leiche, keine Ahnung vom Tathergang, geschweige denn eine Tat und schon gar keinen Täter. Umso mehr Raum für Spekulationen und Nachforschungen, die der Autor in schon bewundernswerter Akribie für sein Buch angestellt hat. Dafür hat er nicht nur ausführlich in Zeitungs- und Gemeindearchiven gestöbert und mit Zeitzeugen und politischen Weggefährten gesprochen, sondern – man muss es so sagen - jeden Stein, der sich drehen ließ, umgedreht.
Der Kampf um die Landkreise
Seine im wirklichen Leben angestellten Recherchen lässt er im Buch von seinem Protagonisten Paul Volkmann – einem Mann aus dem Volk – nacherzählen. "Wenn man einen Stein ins Wasser wirft, zieht das immer weitere Kreise", sagt er zu seinen Recherchen, und so bleibt es nicht beim "Fall Räth". Die Übergänge zur damaligen Gebietsreform, ein spannendes Thema, das für Spannungen sorgte, sind fließend. Erinnert sei hier (und im Buch) nur exemplarisch an den Freiheitskampf, den die Gemeinde Ermershausen gegen die Zwangsverheiratung mit Maroldsweisach seinerzeit zwischen Grabfeld und Haßbergen führte – und 1994 endgültig gewann, als sie wieder selbstständig wurde.
Auch Gerolzhofen tat sich schwer, sich vom Kreisstadt-Status zu verabschieden. Vor und hinter den Kulissen haderten viele Geo-Gemeinden mit dem ursprünglich für sie zugedachten Schicksal, Teil der Haßberge zu werden. Szenisch und wie ein Puzzle, breitet der selbsternannte Ermittler seine Erkenntnisse Stück für Stück aus. Der Sumpf, in dem "Der Versunkene" auf immer verschwunden ist, muss nicht unbedingt im Wasser gelegen haben, kann es aber – so eine gefühlte Erkenntnis dieser Polit-Parabel. Herausgekommen ist ein alternativer Heimatroman, der sich in einer Mischung aus Doku und Fiktion diesem ungelösten (Kriminal-)Fall und anderen anderen Ereignissen dieser Zeit nähert.
Diese Milieustudie aus den Zeiten der Gebietsreform präsentiert Gehringer, der mit "Der Versunkene" bereits sein 10. Buch vorlegt, am Freitag, 11. Oktober, um 19.30 Uhr im Schloss Zeilitzheim bei einer Autorenlesung. Der Eintrit ist frei. Informationen zum Autor und Buchbestellungen www.bernhard-gehringer.de
Zunehmend sorgt! in SW!
Das Tagblatt recherchierte in mindestens zwei Artikeln, warum SW keine Eingemeindungen bekam und zum deutschen Exot wurde. Mit zwei unterschiedlichen Ergebnissen: 1. Staatssekretär E. Lauerbach habe die bereits beschlossenen Eingemeindungen eigenmächtig storniert. 2. Politische CSU-Mandatsträger baten die Staatsregierung, die geplanten Eingemeindungen in unterschiedlichen Varianten (kleine & große Lösung, u. a. mit Schwebheim) nicht durchzuführen.
2019 jährt sich zum 100. Mal die letzte & einzige(!) Eingemeindung SW's (Oberndorf). Das wäre doch Anlass fürs Tagblatt, die systemrelevante Sache groß zu thematiesieren, auch mit den Schwierigkeiten, die die politische Zersplitterung SW's brachte; z. B. bei der US-Konversion mit Conn, das zu drei(!) Kommunen gehört, i. Ggs. zu Ledward, wo es viel besser läuft! Und Schwebheim hätte einen Stadtbus, zudem mit Stadttarif.