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GÜNZBURG
Als Ermershausen rebellierte
(lby/kk) Der frühere bayerische Innenminister Bruno Merk (CSU) lebt heute in aller Ruhe in Günzburg. Vor über 30 Jahren war das anders. Damals stand Merk im Zentrum eines Bürgersturms, der durchs Land fegte.
Die Polizei stürmte 1978 in den frühen Morgenstunden des 19. Mai das Rathaus in Ermershausen (Lkr. Haßberge).
Foto: FOTO MP | Die Polizei stürmte 1978 in den frühen Morgenstunden des 19. Mai das Rathaus in Ermershausen (Lkr. Haßberge).
Redaktion
 |  aktualisiert: 14.05.2008 19:03 Uhr

An der Gebietsreform erhitzten sich die Gemüter: „Wir hatten damals 1970 die Landtagswahl mit einer soliden CSU-Mehrheit gewonnen und wollten mit der Gebietsreform Ernst machen“, erinnert sich Merk. Als Innenminister hatte er die Reform federführend umgesetzt.

Ziel sei gewesen, handlungsfähige Einheiten in Bayern zu schaffen. Erst wurde die Zahl der Landkreise von 143 auf 71 und die kreisfreien Städte von 48 auf 25 reduziert. Dann ging es an die Gebietsreform. Von knapp 7000 Gemeinden in Bayern blieben am Schluss 2056 kreisangehörige Gemeinden übrig. 1978 wurde die Gebietsreform mit Zwangseingemeindungen abgeschlossen. Ein Heer von CSU-Mandatsträgern verlor damals trotz aller Proteste einflussreiche Posten.

Wie es rumort hatte, beschreibt Merk so: „Ein Jahr lang bin ich wie ein Verrückter durchs ganze Land geeilt, überall hat es gebrannt, überall musste ich löschen.“

Der Protest drang 1973 bis nach München: Aus Lohr (Lkr. Main-Spessart) fuhren rund 4000 Protestler gegen die Gebietsreform mit einem Sonderzug in die Landeshauptstadt und protestierten gegen die neue Kreisstadt Karlstadt. Die Karlstädter standen damals an ihrem Bahnhof und schwenkten ein Transparent mit der Aufschrift: „Sogar der Weg nach München geht über Karlstadt.“ In München wurden die Lohrer vom damaligen Ministerpräsidenten Alfons Goppel (CSU) milde empfangen und mussten unverrichteter Dinge wieder heimfahren.

Berühmt wurden die „Rebellen von Ermershausen“. Der 600-Seelen-Ort im Landkreis Haßberge wurde zum „Rebellendorf“, als er sich erbittert gegen die Eingemeindung ins benachbarte Maroldsweisach wehrte. In den Morgenstunden des 19. Mai 1978 stürmten in einer Nacht- und Nebelaktion hunderte Polizisten ins Dorf, riegelten alles ab und brachen das Rathaus auf. Unter heftigen Protesten der Bürger transportierte die Polizei die Gemeindeakten ab, deren Herausgabe Ermershausen verweigert hatte. Im Nu war das Dorf auf den Beinen, wenn auch machtlos gegen die Einsatzkräfte. Es folgte ein zäher, erfolgreicher Kampf: Am 1. Januar 1994 wurde die Gemeinde wieder selbstständig. Sie schloss sich der Verwaltungsgemeinschaft Hofheim an.

Die Gemeinde Horgau im Landkreis Augsburg wehrte sich ebenfalls und erreichte durch ein Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes 1983, dass die Eingemeindung nach Zusmarshausen wieder aufgehoben wurde.

An Reform festgehalten

Aber trotz aller Widrigkeiten und trotz des Protests des damaligen CSU-Chefs Franz-Josef Strauß blieb Merk standhaft mit seiner Gebietsreform, was ihm den geballten Ärger Strauß' eingebracht hat. „Die Gebietsreform hat er mir nie verziehen“, sagt Merk. Heute ist die Reform kein Thema mehr. „Die Bürger haben ihre neuen Rathäuser angenommen“, erklärt Jürgen Busse, der Geschäftsführer des Gemeindetags. Es sei eine „Reform mit Augenmaß“ gewesen, so Busse: „Ohne Grund werden wir die Gemeindegebietsstruktur nicht mehr anrühren.“ Der 86-jährige Merk hält dagegen: Die Verwaltung müsse ständig vereinfacht werden, das gelte auch für die an sich geglückte bayerische Gebietsreform.

 
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