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Geldersheim
Die 14 Nothelfer und das Wunder von Geldersheim
Und manchmal hilft das Beten doch. Wie ein für ein für tot gehaltener junger Mann einen Wallfahrer-Boom nach Vierzehnheiligen auslöste.
Historischer Platz unweit des Geldersheimer Torhauses. 1718 wurde dieser Bildstock mit dem Motiv der 14 Nothelfer an der Schützenstraße aufgestellt. Dieser Platz war Start und Ziel der Vierzehnheiligen-Wallfahrt.
Foto: Helmut Glauch | Historischer Platz unweit des Geldersheimer Torhauses. 1718 wurde dieser Bildstock mit dem Motiv der 14 Nothelfer an der Schützenstraße aufgestellt. Dieser Platz war Start und Ziel der Vierzehnheiligen-Wallfahrt.
Helmut Glauch
Helmut Glauch
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:47 Uhr

Es müssen schwere Zeiten für den Geldersheimer Johann Hübner gewesen sein. Als Stiefgroßvater war ihm sein Stiefenkel Andreas Weiß wohl doch sehr ans Herz gewachsen. Der junge Mann, man weiß nicht wie alt er war und was genau geschehen ist, weilte im Mai des Jahres 1680 plötzlich nicht mehr unter den Lebenden. Anstatt seinen Stiefenkel zu beerdigen, brachte Hübner den vermeindlich Verstorbenen nach Vierzehnheiligen und siehe da – dort angekommen erwachte Andreas Weiß aus seinem zumindest totenähnlichen Zustand. 

Dieses "Wunder von Geldersheim" zur Pfingstzeit 1680 ist auch im Wallfahrerbuch von Vierzehnheiligen festgehalten. Auf Seite 335 heißt es da: "Andreas Weiß, von Geldersheim, der ganz wie todt lag, also, daß man kein einziges Lebenszeichen mehr an ihm verspürte, wurde von seinem Stiefgrosvatter Johann Hübner hierher verlobt, und wieder lebendig und gesund, den 28. Mai 1860." 

1200 Pilger zur Jubiläumswallfahrt 

Ob nun tot, scheintot oder dem Tode nahe, das Ereignis hatte Folgen. Wohl aus Dankbarkeit für die Errettung riefen mutmaßlich der "Auferstandene" und seine Familie eine Wallfahrt nach Vierzehnheiligen ins Lebens. Am 14. Mai 1686 machten sich erstmals Geldersheimer auf den rund 100 Kilometer langen Fußweg nach Vierzehnheiligen. Die Errettung hatte wohl für Aufsehen gesorgt, denn schon bald war die Geldersheimer Wallfahrt dorthin eine der bedeutendsten ihrer Art. Zur 100. Wallfahrt am 25. Mai 1786, das ist verbrieft, brachen 1200 Personen auf. Eine beeindruckende Zahl auch vor dem Hintergrund, das Geldersheim seinerzeit nur rund 1000 Einwohner hatte.

Es müssen sich also auch viele Christen aus Nachbarorten an dieser Wallfahrt, über die es noch Original-Aufzeichnungen gibt, beteiligt haben. Professor Dr. Bernhard Schemmel, langjähriger Chef der Staatsbibliothek in Bamberg mit Wurzeln in Geldersheim, hat die im Pfarrarchiv Geldersheim erhaltene Wallfahrtsbeschreibung ausgewertet, die ein gewisser Brigel am 30. Mai 1786 verfasst hat. Schemmel ist auch derjenige, der seinerzeit herausgefunden hat, das Geldersheim bereits 763 erstmals urkundlich erwähnt wurde.

Die Krönung Mariens ist auf der anderen Seite der Tafel dargestellt.
Foto: Helmut Glauch | Die Krönung Mariens ist auf der anderen Seite der Tafel dargestellt.
Die 14 Nothelfer schmücken die eine Seite der Wallfahrertafel.
Foto: Helmut Glauch | Die 14 Nothelfer schmücken die eine Seite der Wallfahrertafel.

Aller Wahrscheinlichkeit nach zur Jubiläums-Wallfahrt 1786 hatte man auch eine aufwändig gestaltete Wallfahrertafel fertigen lassen, die an der Spitze des Zuges mitgeführt wurde. Auf der Vorderseite die 14 Nothelfer, die auch schon 1692 als Einzelfiguren im Chorraum der Geldersheimer Pfarrkirche St. Nikolaus installiert wurden. Auch der Bildstock am unteren Tor (Schützenstraße) hat die 14 Nothelfer zum Motiv. 1718 wurde dieser Bildstock angefertigt, vor einigen Jahren hervorragend reproduziert und er steht noch immer am Originalplatz. Ein Bildstock, den "Georg Alban hat Gott und den 14 Nothelfern zu Ehren aufrichten lassen" wie darauf nachzulesen ist. Der Vierzehnheiligen-Bildstock war stets Start und Ziel der großen Wallfahrt. 1803, im Jahr der Säkularisation, endet die Geschichte dieser Wallfahrt abrupt.       

Zufallsfund auf dem Speicher des Pfarrhauses

Damit hätte sich diese Wallfahrt eigentlich für immer in die Wallfahrerbücher verabschiedet, wenn nicht Heimatforscher Alfred Popp jene längst verloren oder zumindest verschollen geglaubte Wallfahrertafel wieder gefunden hätte. Mehr oder weniger ein Zufallsfund im geräumigen Speicher des Pfarrhauses, wohin man früher einfach die Dinge, die man nicht mehr gebraucht hat, die aber zu Schade zum wegwerfen waren, gebracht hat, so auch die Erfahrung von Pfarrer Markus Grzibek.      

Die Zeit auf dem Speicher des Pfarrhauses vorbei. Pfarrrer Markus Grzibek, Erich Wildanger und Alfred Popp (von links), präsentieren die aufgearbeitete Wallfahrertafel.
Foto: Helmut Glauch | Die Zeit auf dem Speicher des Pfarrhauses vorbei. Pfarrrer Markus Grzibek, Erich Wildanger und Alfred Popp (von links), präsentieren die aufgearbeitete Wallfahrertafel.

Nicht nur der Staub der Geschichte hatte sich über die Tafel gelegt, auch der Zahn der Zeit hatte an ihr genagt. Kunstschreiner Norbert Schaller in Oberdürrbach, der sich bestens auf derartige "Patienten" versteht, hat behutsam und mit sehr viel Fingerspitzengefühl der Geldersheimer Wallfahrertafel inzwischen wieder zu neuem Glanz verholfen. Nicht nur eine professionelle Reinigung stand an. Absplitterungen wurden ausgebessert, die metallene Einfassung mit ihren blattartigen Elementen war lückenhaft, ein Säulen-Kreuz fehlte. Nicht nur die 14 Nothelfer können sich wieder sehen lassen, sondern auch die Kehrseite, auf der die Krönung Mariens  und die Taube als Symbol für den Heiligen Geist dargestellt sind. Die Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit ist ein Hinweis auf das Pfingstfest, das stets zum Anlass genommen wurden die Wallfahrt durchzuführen. 

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Dass die Restauration fachgerecht und gelungen ist, bestätigten inzwischen auch Experten. Dr. Frank Matthias Kammel und Dr. Gabriele Lowe Hampp, beide als Sachverständige für die BR-Sendung "Kunst & Krempel" tätig, haben die Wallfahrertafel unter die Lupe genommen. Heimatforscher Alfred Popp und Erich Wildanger, der sich auch auf vielfältige Weise für den Erhalt der Geldersheimer Kirche einsetzt, sind zu diesem Zweck ins Kloster Roggenburg im Landkreis Ulm gefahren, wo die Wallfahrertafel sozusagen "gecastet" wurde. Die Aufzeichnung ist abgedreht, ein Sendetermin steht noch nicht fest, die Geldersheimer Wallfahrertafel wird aber auf jeden Fall demnächst in einer Kunst & Krempel-Sendung, in der es schwerpunktmäßig um religiöse Volkskunst gehen wird, zu sehen sein.

Die bedeutenden Deckengemälde im Chorraum werden Johann Peter Herrlein und dem Jahr 1764 zugeschrieben. Auch darauf sind die 14 Nothelfer zu sehen.
Foto: Helmut Glauch | Die bedeutenden Deckengemälde im Chorraum werden Johann Peter Herrlein und dem Jahr 1764 zugeschrieben. Auch darauf sind die 14 Nothelfer zu sehen.

"Einen finanziellen Wert wollten wir gar nicht wissen, die Stange wird ohnehin nicht verkauft", teilt Alfred Popp mit. Bestätigt wurde die Vermutung, dass die Tafel eher aus der Zeit um 1786, als aus den Tagen der Gründung der Wallfahrt 1686 stammt, denn ihre künstlerische Ausführung ist dem Barock zuzuordnen. Auf jeden Fall sei die Tafel von hohem ideellen Wert wurde Popp und Wildanger von Expertenseite bescheinigt.        

Erinnerung an eine bedeutende Wallfahrt

Die Tafel, vom Aufbau her einer Zunftstange nicht unähnlich, verbleibt zunächst einmal bei Alfred Popp. Pfarrer Markus Grzibek aber ist zuversichtlich, dass sich auch in der Kirche der eine oder andere Anlass wird finden können, zu dem man die Wallfahrer-Tafel präsentiert. Eine jetzt wieder schön hergerichtete Erinnerung an eine Zeit in der Geldersheim Start und Ziel einer der bedeutendsten Wallfahrten jener Tage war, ist sie auf jeden Fall. Und auch eine Erinnerung an das "Wunder von Geldersheim", dem Andreas Weiß sein weiteres Leben verdankte. So ganz allein ist er aber nicht mit dieser Gnade. Zwischen 1658 und 1680 sind sieben solcher Errettungen auf besagter Seite 335 des Wallfahrerbuches beschrieben.  

 
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