
Ein gutes halbes Jahr hat der Kampf gedauert und dann haben sich die Mitarbeiter durchgesetzt. Ohne Zugeständnisse. SKF wird das Werk in Mühlheim nun doch nicht schließen. Mit dieser "brandfrischen Information" überraschte der Betriebsratsvorsitzende Norbert Völkl den Empfang zum 125-jährigen Bestehen des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Schweinfurt mit seinen 18.000 Mitgliedern und nannte dies einen Erfolg der Solidarität unter den Standorten.
Das Wort Solidarität zog sich wie ein roter Faden durch den zweistündigen Abend, der nicht allein vom Rückblick, sondern auch von den Herausforderungen der Zukunft, dem anstehenden Transformationsprozess in der Industrie geprägt war. Dazu wurde in fünf Gesprächsrunden diskutiert, wobei die Gewerkschafter deutlich machten, dass sie die Veränderungen nicht den Managern allein überlassen, sondern aktiv mitgestalten wollen, weil sie die Arbeiter als "Experten in eigener Sache" sehen. So sagte es Joachim Beerhorst von der Europäischen Akademie der Arbeit.
Der frühere Betriebsratsvorsitzende von Kugelfischer und Schaeffler, Norbert Lenhard, der das Buch "Was uns bewegt" (223 Seiten, 28 Euro, im Buchhandel), das zum Jubiläum erscheint, als einer der vielen Autoren mitgeschrieben hat, erinnerte daran, dass es Betriebsräte gewesen sind, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Arbeit bei Kugelfischer wieder organisiert haben. Während die Geschichte der Gewerkschaft Allgemeingut sei, seien die lokalen Themen nicht so bekannt, betonte Kreisvorsitzender Martin Schmidl bei der Begrüßung. Das sei eines der Motive für das Buch gewesen.
Regierungspräsident: Gewerkschaften sind ein unverzichtbarer Motor
In den Gesprächskreisen ging die erste Frage des Moderators Sven Schröter an den Regierungspräsident Eugen Ehmann, der sich im Jurastudium auch mit dem Arbeitsrecht beschäftigt hat und die Bedeutung der Gewerkschaften auch aus Sicht eines Beamten und Arbeitgebers ausdrücklich betonte. "Ohne sie wird in der Transformation nichts gehen." Die Gewerkschaften seien ein unverzichtbarer Motor.
Unterfrankens DGB-Geschäftsführer Frank Firsching – er ist Herausgeber des Buches – erinnerte an den vor wenigen Monaten gestorbenen Klaus Hofmann ("Initiative gegen das Vergessen"), der mit einem Vortrag den Anstoß für das Buch gegeben habe. Eineinhalb Jahre wurde daran gearbeitet.
Der neue bayerische DGB-Chef Bernhard Stiedl plädierte für eine "andere Wirtschaft" und kritisierte, dass die Arbeitgeber verstärkt an den Grundfesten der Mitbestimmung rührten. "Wir wollen entscheiden, wie wir arbeiten."

Die stellvertretende Bundesvorsitzende des DGB, Elke Hannack, warnte angesichts steigender Preise vor dem Abbau des Sozialstaates. Die Herausforderungen seien groß, gemeinsam müsse man an einem Strang ziehen. Sie kritisierte, dass die Tarifbindung vor allem im Osten deutlich am Schwinden sei. Gleichzeitig sieht sie die Bedeutung des DGB "enorm gestiegen". Die Transformation werde uns noch zehn, 20 Jahre beschäftigen. "Das geht ohne Gewerkschaften nicht, wir müssen jeden mitnehmen."
Von der Transformation ist ZF seit Jahren sehr getroffen. Die Umstellung auf die Elektromobilität beschäftigt den Konzern seit 2016, sagte der wissenschaftliche Mitarbeiter des Betriebsrates, Klaus Mertens. Man habe sich von ersten Produkten bereits "verabschiedet". Mit Blick auf unterbrochene Lieferketten stelle sich die Frage, ob das bisherige Exportmodel Bestand haben wird. Bei ZF setze man auf einen Europamix. In der Arbeitsteilung in Europa sieht er gute Chancen. Die Mobilitätswende sei durch das Auto nicht zu lösen, plädierte er für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Konsequent habe man die Probleme mit dem Stellenabbau bei Bosch-Rexroth vor acht Jahren aufgezeigt, erklärte der Betriebsratsvorsitzende Sebastian Schierling und letztlich ein Umdenken im Management erreicht.
Für eine bessere Bezahlung und eine Abkehr von der Arbeitsverdichtung
Für eine bessere Bezahlung und eine Abkehr von der Arbeitsverdichtung für Arbeitskräfte in den Pflegeberufen plädierte die stellvertretende Verdi-Geschäftsführerin Marietta Eder. Es gebe eigentlich genug Kräfte, viele seien jedoch in andere Branchen abgewandert.
Bei Fresenius Medical Care sei wegen Corona stark auf das Homeoffice gesetzt worden, sagte die Betriebsratsvorsitzende Stefanie Balling. Dabei habe sich die Belastung für die Mitarbeiter oft bis in den Abend hinein verlagert. Der Druck gerade auf Frauen habe sich wegen der gleichzeitigen Kinderbetreuung verstärkt. Oft säßen die Kollegen auch bei Krankheit vor den Rechnern. Der Betriebsrat mache sich für klare Regelungen stark.
Über die Bedeutung der gewerkschaftlichen Selbsthilfe bei der großen Wohnungsnot zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, beispielsweise den Bauverein, berichtete der Mitautor Roland Budz. Der frühere Regionsvorsitzende Helmut Haferkorn erinnerte daran, dass sich der Staat zunächst um die Probleme der Menschen mit einem Elf-Stunden-Tag und die Auswirkungen auf die Gesundheit nicht gekümmert habe. Darum seien freie Hilfskassen geschaffen worden, lange vor der Staatlichen Sozialversicherung.
Katharina Christ, die Leiterin des im Entstehen befindlichen Kulturforums, kündigte an, dass sie kein Geschichtsmuseum plane, sondern immer den aktuellen Bezug suchen werde. Die Geschichte der Arbeiter werde eine wichtige Rolle spielen. "Schweinfurt ist bunt" oder der "Marsch nach Bonn" nannte sie in diesem Zusammenhang.
Musikalisch gestaltet wurde der Abend im Konferenzzentrum von der DGB-Songgruppe. Am Ende wurde das traditionelle Lied der Arbeiterbewegung "Brüder zur Sonne zur Freiheit" gesungen.