Andrea Brandl und Wolf Eiermann strahlten. Die Besucher strömten am Gründonnerstag in Scharen ins Museum Georg Schäfer (MGS), wo die Lange Nacht des Expressionismus begann, die später in der Kunsthalle endete. Über 200 waren es, so viele, dass Eiermann, Direktor des MGS, sein Programm änderte und erst im Vortragssaal eine Einführung in die Ausstellung „Back to Paradise“ gab, die man sich danach in Ruhe anschauen konnte. Im Anschluss ging es in die Kunsthalle, wo Kunsthallen-Leiterin Andrea Brandl und Sammler Joseph Hierling die dort gezeigte Kunst erläuterten.
Es war die erste Lange Nacht in dieser Form und es sollte hoffentlich nicht die letzte sein. Im Stadtrat war auch diskutiert worden, das Konzept der langen Museumsnächte auf die ganze Stadt mit allen Museen und privaten Galerien auszuweiten. Von Seiten der Verwaltung war das vor allem aus logistischen Gründen als zu teuer abgelehnt worden, man wollte auch die Resonanz auf den Abend im MGS und der Kunsthalle abwarten. Man kann sagen: Sie war überraschend groß, was vor allem an dem besonderen Angebot lag. Denn die Entwicklung der Malerei vom beginnenden 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart so gut nachvollziehen zu können wie im MGS und der Kunsthalle ist für eine Stadt der Größe Schweinfurts etwas Besonderes.
Expressionismus zieht die Besucher an
Das 2000 eröffnete Museum Georg Schäfer zeigt deutsche Kunst vom ausgehenden 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Es beherbergt die größte Spitzweg-Sammlung der Welt und hat die bedeutendste Privatsammlung mit Werken aus dem deutschsprachigen Raum des 19. Jahrhunderts. Es ist ein Museum, das deutschlandweit sein Publikum findet und vergleichbar ist mit der Neuen Pinakothek in München. Seit 2015 wird es von Wolf Eiermann geleitet, der in seinen Ausstellungs-Konzepten Wert darauf legt, Entwicklungen in der Kunstgeschichte sichtbar zu machen.
Ein Konzept, das das Publikum goutiert – die Sonderausstellung „Back to Paradise“ mit 155 Werken aus dem Aargauer Kunsthaus Aarau, dem Osthaus Museum Hagen sowie einer Privatsammlung wurde wegen des Besucher-Interesses bis 22. April verlängert, „wir könnten sonst gar nicht alle Wünsche nach Führungen befriedigen“, so Eiermann. Das MGS war perfekter Ausgangspunkt, um sich mit dem Expressionismus von „Brücke“-Künstlern wie Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein, Erich Heckel oder Emil Nolde sowie „Blauer Reiter“-Künstler wie Wassily Kandinsky, August Macke, Franz Marc, Gabriele Münter und Alexej von Jawlensky zu beschäftigen. Deren Suche nach dem Paradies, ihre Hinwendung zu den Naturvölkern und ihre Perspektivlosigkeit nach den schrecklichen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges widerspiegelt sich in ihrer Kunst.
Weiterentwicklung der deutschen Kunst
Wie ging es weiter mit der deutschen Kunst nach den Expressionisten, dem drastischen Einschnitt des Zweiten Weltkriegs und der verblendeten Ideologie des Nationalsozialismus? Das sieht man in der 2009 eröffneten Kunsthalle, seit 2016 von Andrea Brandl geleitet. Die Kunsthalle ist künstlerisches Kompetenzzentrum für Deutsche Kunst nach 1945 und Expressiven Realismus. „Wir bieten Dialoge an“, erklärt Brandl. Dialoge dahingehend, dass gezeigt wird, wie sich die Künstler der Gruppen „Spur“, „Wir“ und „Gefecht“ um Florian Köhler, Meinrad Prem oder HP Zimmer gegen ihre Vorgänger aus dem „Informel“ auflehnten. Und, dank der Sammlung von Joseph Hierling, wie sich der Expressionismus der 1920er-Jahre weiter entwickelte. Der 76 Jahre alte Sammler Hierling führte selbst launig durch seine im Untergeschoss zu sehende Sammlung, die insgesamt 350 Gemälde umfasst. Es sind Bilder der „verschollenen Generation“, jener Künstler, die um 1900 geboren sind, von den Expressionisten angeregt malten und schließlich von den Nazis als entartete Kunst verfemt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet die Kunst des expressiven Realismus in den Schatten ungegenständlicher Strömungen und jüngerer Künstler – in der Kunsthalle haben sie zum Glück das ihnen gebührende Forum.