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SCHWEINFURT
Bescherung fürs Auge
„Back to Paradise“ im Museum Georg Schäfer: 130 Meisterwerke des Expressionismus zeigen neue Ansätze zur Erneuerung der Kunst.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:33 Uhr

So einen Andrang bei einer Ausstellungseröffnung haben die Verantwortlichen im Museum Georg Schäfer noch nicht erlebt. Rund 500 Zuhörer kamen zur Eröffnung der Ausstellung „Back to Paradise“ – Meisterwerke des Expressionismus und ließen sich von Tayfun Belgin, Direktor des Osthaus Museums Hagen, inspirieren. Zeitgleich erkundeten gut 130 Personen bereits die geöffnete Ausstellungsebene. „Ein Rekord für die Eröffnungen unseres Hauses“, freut sich MGS-Chef Wolf Eiermann.

Als „Bescherung fürs Auge“ empfindet Eiermann, Kurator der bis 8. April zu sehenden Sonderausstellung, die Werke. Zu Recht, denn er begibt sich mit den gezeigten 130 Bildern deutscher Expressionisten auf eine wirkmächtige, farbenprächtige, beeindruckend tiefgründige Reise auf der Suche nach dem Paradies.

Es handelt sich um 73 Gemälde, 30 Aquarelle, Pastelle und Zeichnungen sowie 52 seltene Druckgrafiken (gezeigt werden aus raumästhetischen Gründen 130 davon), wobei die Holzschnitte einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Expressionismus leisten. Die in Schweinfurt gezeigten Werke sind aus dem Aargauer Kunsthaus Aarau, dem Ostheim Museum Hagen und einer fränkischen Privatsammlung, die sich auf Ernst Ludwig Kirchner spezialisierte.

In dieser Zusammenstellung waren sie bisher noch nie zu sehen gewesen.

„Wir möchten zeigen, dass viele expressionistische Künstler auf der Suche nach Erneuerung der Kunst zurück zu den Wurzeln gegangen sind, auch in der Wahl der Techniken“, so Eiermann. Das Paradies war für die Künstler der Gegenentwurf zur europäischen Zivilisation, ein innerer wie realer äußerer Rückzugsort, den Emil Nolde und Max Pechstein in der Südsee zeitweilig auch fanden. Aber sie stießen dort und zu Hause immer wieder auf die Normen einer viktorianisch-wilhelminischen Zeit, die eine starre Ansicht, was Kunst sein sollte und was nicht, vertrat. Das musste Widerspruch erzeugen und diesen Widerspruch findet man in den gezeigten Bildern allzu oft.

Ende des 19. Jahrhunderts glaubte man, die Idealvorstellung der eigenen Träume vom Paradies in der Südsee zu finden, die dort lebenden indigenen Völker stellten für den Europäer den Menschen in seinem Urzustand dar. Für Wolf Eiermann ergibt sich folgendes Bild: Die Kunstbewegung des Expressionismus – mit Gründung der Künstlergruppe „Brücke“ 1905 entstanden – aus der Sicht der deutschen Kunst des 19.

Jahrhunderts, dem Schwerpunkt der Schweinfurter Sammlung, gleicht in ihrer Kraftentfaltung bildlich gesehen einem ruhenden Vulkan, der – nicht unerwartet – auf einmal ausbricht. Was in der deutschen Kunst Jahrzehnte unter der Oberfläche brodelte – die Frage nach dem Primat von Farbe und Form gegenüber einer historistischen oder symbolischen Thematik sowie der Streit um eine deutsche Nationalkunst – fand in dem von Herwarth Walden 1911 geprägten Begriff „Expressionismus“ seine Antwort.

„Die Kunst des Expressionismus widerspiegelte ein neues Lebensverständnis der Künstler“, so Eiermann. Der Kurator möchte das Individuelle des einzelnen Künstlers erlebbar und den Expressionismus als Ganzes verständlich machen. In elf Räumen zeigt Eiermann die verschiedenen Künstler aus den Gruppen „Brücke“, der Neuen Kunstvereinigung München oder „Blauer Reiter“. Im zwölften hängt eine Zusammenstellung verschiedener Bilder über die individuelle Vorstellung des Paradieses und im starken Kontrast dazu die oftmals bittere eigene Realität.

Der Ausstellungs-Untertitel „Meisterwerke des Expressionismus“ ist nicht untertrieben bei Künstlern wie Max Pechstein, Erich Heckel, Otto Müller, Conrad Felixmüller, Karl Schmidt-Rottluff, Emil Nolde, Cuno Amiet, Walther Bötticher, Christian Rohlfs, Wassily Kandinsky, August Macke, Franz Marc, Gabriele Münter und Alexej von Jawlensky sowie Max Liebermann und Max Beckmann.

Was man deutlich sieht: Der Betrachter erhält nur einen kleinen Zugang zum Paradiesischen als privaten Seelengarten, niemals einen genauen Überblick. Der Maler öffnet lediglich ein Fenster zum privaten Paradies. Die Künstler wehrten sich so auch gegenüber Kunsthistorikern, die gerade damals die Stilgeschichte schablonenartig zum Zuordnungssystem verengten.

Back to Paradise – Meisterwerke des Expressionismus aus dem Aargauer Kunsthaus Aarau, dem Ostheim Museum Hagen und aus einer Privatsammlung; Museum Georg Schäfer, bis 8. April 2018; Öffnungszeiten: Di-So 10-17 Uhr, Do bis 21 Uhr; Eintrittspreise: 11 Euro, erm. 9; an jedem ersten Dienstag im Monat freier Eintritt. Begleitprogramm: 2. Januar, 14 Uhr: Kuratorenführung mit Wolf Eiermann 7. Januar, 14 Uhr: Vom Glück des Paradieses, Themenführung mit Colleen Reuss 14. Januar, 14 Uhr: Ein Jahr in Bildern, Bildbetrachtung und Workshop für Kinder von 5 bis 10 Jahren mit Rebecca Mönch. 18. Januar, 19 Uhr: Lesung mit Markus Orth aus dem Roman „Max“, Moderation Johanna Bonengel 21. Januar: Tag der offenen Tür, 11 Uhr: Das Paradies so nah – paradiesische Orte im deutschsprachigen Raum, Themenführungen mit David Grube; 14 Uhr: Kunst sammeln, Bildbetrachtung und Workshop für Kinder von 5 bis 10 Jahren mit Anne Hess. 24. Februar, 14 Uhr bis 17 Uhr: Back to Paradise, Inspiration gewinnen durch die Ausstellung und anschließend unter professioneller Anleitung ein in Mischtechnik ausgeführtes Bild gestalten. Für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene (Vorkenntnisse nicht erforderlich), mit Anne Hess. 25. Februar, 14 Uhr: Emils große Südseereise – Bildbetrachtung und Workshop für Kinder von 5 bis 10 Jahren mit Christine Friedrich-Weiß. Anmeldung unter www.museumgeorgschaefer.de oder Tel. (0 97 21) 51 48 30.

ONLINE-TIPP

Viele Bilder der neuen Ausstellung unter www.mainpost.de

Ein genauer Blick auf die Werke kann nie schaden.
Foto: Anand Anders | Ein genauer Blick auf die Werke kann nie schaden.
Den Werken des in Süddeutschland weitgehend unbekannten Christian Rohlfs ist dieser Raum im MGS gewidmet.
Foto: Anand Anders | Den Werken des in Süddeutschland weitgehend unbekannten Christian Rohlfs ist dieser Raum im MGS gewidmet.
MGS-Museumsleiter Wolf Eiermann vor Lyonel Feiningers „Gaberndorf I“
Foto: Anand Anders | MGS-Museumsleiter Wolf Eiermann vor Lyonel Feiningers „Gaberndorf I“
 
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