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Schweinfurt
Debatte um Willy Sachs: "Offenbarte freizügig seine Gesinnung"
Bald wird der Stadtrat entscheiden, ob Willy Sachs die Ehrenbürgerwürde entzogen wird. Im Vorfeld sorgt die Diskussion für erhitzte Gemüter. Nun wird nachgelegt.
Norbert Lenhard, Mitglied der Initiative gegen das Vergessen, bezieht klar Stellung in der Diskussion um die Nazi-Vergangenheit von Willy Sachs.
Foto: Nicolas Bettinger | Norbert Lenhard, Mitglied der Initiative gegen das Vergessen, bezieht klar Stellung in der Diskussion um die Nazi-Vergangenheit von Willy Sachs.
Nicolas Bettinger, Volontär, Mediengruppe Main-Post
Nicolas Bettinger
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:23 Uhr

Die Diskussion über den Antrag von acht Parteien und Wählergruppen, dem 1958 verstorbenen Industriellen Willy Sachs posthum die Ehrenbürgerwürde zu entziehen, sowie das von ihm 1936 der Stadt gestiftete Stadion umzubenennen, hat in Schweinfurt eine emotionale Debatte entfacht. Während Befürworter den Antrag unterstützen, äußern sich auch Kritiker, die etwa die Umbenennung des Stadions mit einem Ignorieren der eigenen Geschichte gleichsetzen. Auch die AfD übte Kritik am Antrag. Demnach sei es grotesk, "einen der verdientesten Söhne unserer Stadt" aus der Öffentlichkeit Schweinfurts zu tilgen. Besonders in der Arbeiterschicht sei er ein äußerst beliebter Unternehmer gewesen.

Norbert Lenhard, Mitglied der "Initiative gegen das Vergessen" – sie fordert die Entziehung der Ehrenbürgerwürde seit langem – hat dazu eine ganz andere Meinung. "Mir ist es wichtig klarzustellen, dass Willy Sachs nicht als Mitläufer sondern als Täter beteiligt war", so Lenhard. Vor allem das Argument, Willy Sachs sei kein überzeugter Nationalsozialist gewesen, da er nicht antisemitisch gehandelt haben soll, kann der 63-jährige Gewerkschafter nicht verstehen.

Lenhard: "Gehört zur Allgemeinbildung"

Für Lenhard gehöre das Wissen über die Nazi-Vergangenheit von Willy Sachs zur Allgemeinbildung. Er bezieht sich dabei auch auf die Literatur von Historiker Andreas Dornheim, der sich intensiv mit Sachs beschäftigt hat. Demnach ernannte Oberbürgermeister Pösl Willy Sachs am 23. Juli 1936 zum Ehrenbürger der Stadt Schweinfurt. Weder Pösl noch der damalige Stadtrat seien demokratisch legitimiert gewesen. Im Zuge der Machtübernahme 1933 wurden Parteien verboten, die Stadträte verhaftet und einige ins Konzentrationslager verschleppt.

Wichtige Funktionäre der nationalsozialistischen Partei und örtliche Unternehmensvertreter erhielten Stadtratssitze ohne demokratische Wahl durch das Volk, so Lenhard. Als Begründung für die Ehrenbürgerwürde diente den Machthabern das Stadion. Allerdings sei die Spende des Stadions nicht nur als selbstlose Tat des Spenders zu verstehen. Laut Lenhard waren sich die Nazis anfangs ihrer Macht nicht sicher. Auch in Schweinfurt seien etwa die Betriebsratswahlen 1933 abgebrochen worden, weil sich für die Kandidaten der NSDAP ein schlechtes Ergebnis abzeichnete.

Willy Sachs habe frühzeitig seine Gesinnung offenbart

Auf der einen Seite sei deshalb die Opposition unterdrückt worden. Auf der anderen Seite habe die Unterstützung durch bekannte Unternehmerspersönlichkeiten wie Willy Sachs eine öffentliche Legitimation geschaffen, die zur Stärkung der neuen Machthaber beitrug. Die Feierlichkeiten zu Einweihung das Stadions im Beisein von Hermann Göring und Heinrich Himmler, Reichsführer SS, seien deshalb "Machtdemonstration und Zeugnis der Verbundenheit von Willy Sachs mit dem NS-System", zitiert Lenhard den Historiker Dornheim.

Mit der erklärten Absicht, Sachs von einem "roten Betrieb in einen braunen zu verwandeln", habe Willy Sachs frühzeitig seine Gesinnung offenbart. "Er wandte sich damit gegen die demokratischen Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer, das Gefolgschaftsprinzip der Nazis und die Ausschaltung der Gewerkschaften waren durchaus in seinem Sinne", betont Lenhard. "Keine Ehrung für Willy Sachs" bedeute heute, "dass wir uns für demokratische Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer, starke Betriebsräte als Verhandlungspartner in den Betrieben und handlungsfähige Gewerkschaften einsetzen."

 
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  • P. T.
    Branca.....wahrscheinlich kennt Herr Norbert Lenhard die Geschichte doch nicht so gut.was wäre gewesen wenn er statt KUFI -Schäffler Betriebsrat bei ZFSachs gewesen wäre .würde er dann auch so Handeln.übrigens Die Firma Kugelfischer hatte auch russische Frauen als Zwangsarbeiter.mein Grossvater hat sie heimlich mit Brotzeiten versorgt.alle grosse Firmen waren irgendwie beteiligt.wäre besser sie würden das ganze etwas besser überdenken.
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  • K. M.
    Dieser Kommentar trägt nicht zur Diskussion bei und wurde daher gesperrt.
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  • U. L.
    Wenn man den Schenker verachtet, muss man auch das Geschenk zurückgeben. Was hier veranstaltet werden soll, ist pharisäerhaft. Haltung geht anders.

    Wenn das Zeichen, welches gesetzt werden soll, auch Wirkung entfalten soll, muss die Stadt der Familie Sachs das Geld, welches für die Errichtung des Stadions aufgewandt wurde, zurückgeben. Ein "schmutziges" Geschenk behalten, heißt dann am Ende doch, dem Schenker zu huldigen.
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  • R. S.
    ....sehr guter Gedanke. Prinzipiell müßte man das Willy-Sachs-Stadion einreißen, sozusagen das "Schandmal" beseitigen. Dann könnte man gleich weiter machen mit dem Georg-Schäfer-Museum.
    Konsequent zu Ende gedacht, wäre ein sofortige Umwidmung der Richard-Wagner-Str. und ein Aufführungsverbot für dessen Musik im Stadttheater unumgänglich, da Herr Wagner ein 100%iger Antisemit war, und v.a. seine Nachfahren bekanntermaßen sehr eng
    mit den Nazis waren. Hier anschließend muß dann ein Betriebsausflug von SPD, FW und Konsorten nach Bayreuth erfolgen - dort müßte man dann vorsprechen und den Abriß des
    Bayreuther Festspielhauses und konsequente Ablehnung als "Wagnerischen" einfordern.
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  • P. T.
    Branca....vollgetroffen .herr rolfstein.da sieht man wie viele den Mund aufmachen und sich wichtig tun.dabei denken diese gar nicht weiter.gut dass sie das ganze zu ende denken .hoffentlich kapieren es einige und fangen erst mal an das ganze zu überdenken und nicht los zu schießen.weil da wäre auch kugelfischer ehemaliger Arbeitgeber von Betriebsrat Lenhard betroffen jetzt schäffler.
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  • S. K.
    2020 (!) kommt man drauf, dass W. S. Nationalsozialist war und das mit dem Stadion ja deswegen eigentlich nicht geht....
    Da kann man ja echt gespannt sein, wen man man dann im Jahre 2100 hervorkramt...
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  • I. E.
    Ich maße mir hier kein Urteil an - und würde es begrüßen, wenn viele hier so scheinbar allwissenden es ähnlich handhaben würden!
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  • I. E.
    Das Ausschalten demokratischer Arbeitnehmerrechte sowie die Verdrängung von Gewerkschaften war im damaligen Unternehmertum sehr willkommen- das hätten sie auch mit jeder anderen Regierung verwirklicht, die ihnen die Möglichkeit dazu gegeben hätte- da haben fast alle Unternehmer damals freudig zugegriffen- und ganz ehrlich: das wäre heute doch nicht anders!
    Allein aus dieser Tatsache kann sicher keine Nazi-ÜBERZEUGUNG hergeleitet werden!
    Hier haben Kapitalismus ind brauche Macht ein sehr unheilige Allianz geschlossen- aber das hätte sicherlich fast jeder Unternehmer damals ähnlich gemacht!

    Auch der Bau des Stadions kann als „Bestechung“ der Machthaber in diesem Sinne der unheiligen Allianz gewertet werden- ich zahl euch das Stadion, dafür kann ich dann aus meinem Betrieb die unliebsamen Mitbestimmer entmachten- deshalb bin ich noch lange nicht überzeugt von eurer Ideologie, aber sie ist mir im Moment sehr nützlich!
    SO KANN man Willy Sachs auch interpretieren!
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  • D. K.
    Die demokratischen Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer werden auch bei uns immer noch bekämpft und Konzernchefs hofieren Diktatoren weltweit.

    Das läuft dann unter „wirtschaftliche Interessen.“
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  • I. E.
    Sehen Sie - und die braunen Machthaber boten damals die entsprechenden Möglichkeiten - Willy Sachs hat halt zugegriffen! Und dann der Stadt Dankeschön gesagt mit dem Stadion, so wie früher bei den Römern: Brot und Spiele!
    DAS IST EBENFALLS EINE DURCHAUS REALISTISCHE INTEPRETATIONSMÖGLICHKEIT - was jetzt stimmt - ich weiß es nicht!
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