Der Kulturbetrieb in der Stadtbibliothek kann weitergehen. Und zwar bald und im früher gewohnten Umfang, also nicht mit der Personenbegrenzung von höchstens 29, die gleichzeitig in den Obergeschossen des Bürgerspitals sein dürfen. Einstimmig hob der Stadtrat nämlich seinen Mehrheitsbeschluss vom 24. Juni auf, durch den der Anbau einer Außentreppe als zweiter Rettungs- und Fluchtweg neben dem Treppenhaus im Gebäudeinnern auf der Südseite des Bürgerspitals verhindert worden war. Damit kommt die Treppe doch.
War das ganze Chaos und das jetzt deutliche Zurückrudern der Ratsrunde wirklich nötig? Insbesondere Burkhard Wächter (CSU) und Günter Iff (Freie Wähler) versuchten, ihr Abstimmungsverhalten im Juni zu erklären. Iff: Bereits in der Sitzung am11. Februar haben die Freien Wähler die Treppe abgelehnt und nach Alternativen gefragt. Am besagten 24. Juni sei das Thema plötzlich vom nichtöffentlichen Teil der Sitzung in den öffentlichen verlegt worden. Weil es für Tagesordnungspunkte im Nichtöffentlichen generell keine Unterlagen gibt, haben auch die von der Freien Wählern geforderten Informationen zu den Alternativen gefehlt. Deswegen habe man gegen die Außentreppe gestimmt.
Wächter: Fluchtweg über Nachbarhaus
Burkhard Wächter bezog sich auf die Nutzung des Anwesens Spitalstraße 12. Der Eigentümer habe seine Kooperation zugesichert, den zweiten Fluchtweg über dieses Haus zu führen. Von der Stadt sei nicht kommuniziert worden, dass diese Alternative nicht möglich ist. "Kein Stadtrat fordert, die Bibliothek zu schließen. Ich habe aber als Stadtrat die Pflicht, Informationen einzufordern und kritisch zu hinterfragen", begründete Wächter sein Verhalten. Letzteres sah auch Bürgermeister Thorsten Wozniak (CSU) so. Allerdings habe es bereits am 11. Februar einen Stadtratsbeschluss für die Installation einer Außentreppe gegeben (bei vier Gegenstimmen).
Eingangs hatte der Bürgermeister in ungewöhnlich scharfen Worten Teile des Stadtrats kritisiert. Sie hätten am 24. Juni die vorliegenden Planungen abgelehnt, aber keinen alternativen Vorschlag gebracht. Nach dem Beschluss vom Februar sei schon ein Planer beauftragt worden. Die Verwaltung habe den Beschluss also umgesetzt. "Die acht Gegenstimmen gegen die Treppenplanungen kamen von denen, die die Pläne entweder nicht kannten oder die gezieltes Störfeuer beabsichtigten." Nach dem Beschluss vom Februar mit einer Mehrheit für die Treppe sei es nicht Aufgabe der Verwaltung gewesen, Alternativen zu finden. "Was wir jetzt machen, kostet alles Zeit und Geld."
Schließung wäre unvermeidbar gewesen
Ohne Beschluss in dieser Dienstagssitzung müsse die Stadtbibliothek unverzüglich geschlossen werden, sagte Wozniak. Und dann noch ein klarer Hinweis: Nicht nur der Bürgermeister, sondern auch die Stadträte sind von der Haftung im Unglücksfall nicht ausgeschlossen, wenn ihr Verhalten eine vorsätzliche Gefährdung darstellt. "Ich sage das zu meinem Selbstschutz."
Die Grundhaltung des Stadtrats formulierte Tomas Vizl (Geo-net): "Wir wollen alle den Weiterbestand der Stadtbibliothek. Dazu haben wir auch eine neue Leiterin eingestellt." Die 8:5-Mehrheit am 24. Juni sei eine Zufallsmehrheit gewesen, da acht Stadträte gefehlt hätten. Außerdem habe der Planer relativ deutlich gesagt, dass die Treppe auf der Südseite des Spitals die beste Alternative sei. Auch Dritter Bürgermeister Markus Reuß (CSU) bekannte sich klar zur Bibliothek und zu einem Weiterbetrieb im früheren Zustand.
Ein Vorschlag von Johannes Roth (Freie Wähler), das Treppenhaus der benachbarten Musikschule zu nutzen, lässt sich laut Sandra Nagel vom Stadtbauamt nicht umsetzen, weil das Treppenhaus zum kirchlichen Teil des Bürgerspitals gehört. Wenn der zweite Fluchtweg da ist, gibt es immer noch eine Begrenzung der Personenzahl, die gleichzeitig in den Obergeschossen des Bürgerspitals sein darf. Die liegt dann aber bei 99, sagte Sandra Nagel zu einer Frage von Günter Iff. Viel Ärger hätte sich der Stadtrat sparen können, wenn er das Thema am 24. Juni einfach vertagt hätte anstatt gegen die Treppe zu stimmen, meinte Birgid Röder (Geo-net). Dazu Günter Iff: "Wenn wir solche Anträge stellen, werden sie meistens abgelehnt."
Reuß entlastet Verwaltung
Noch einmal Burkhard Wächter: "Mein Vorschlag war die Spitalstraße 12. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sich so viele mir anschließen." Indirekt widersprach Markus Reuß seinem Fraktionskollegen. Er war im Juni nicht in der Sitzung und überrascht, als er von der Ablehnung der Außentreppe erfuhr. Für ihn war die Verwaltung nicht in der Pflicht, Informationen zu Alternativen zu liefern, weil es in besagter Sitzung ja nur um die Außentreppe ging.
"Lieber eine hässliche Treppe am Haus, als es überhaupt nicht zu nutzen", meinte schließlich Zweiter Bürgermeister Erich Servatius (SPD). In den Fraktionen habe die Kommunikation nicht gestimmt, sagte Servatius in Anspielung auf eine Begehung mit den Fraktionsvorsitzenden, bei der Alternativen zur Außentreppe diskutiert worden waren. Die eigene Fraktion schloss Servatius nicht aus.
Burkhard Tebbe fühlte sich erst in dieser Sitzung gut informiert. Diese Informationen zu Alternativen hatte Sandra Nagel geliefert. Ein Fluchtweg über das Anwesen Spitalstraße 12 sei nicht möglich oder viel teurer, weil hier ein innenliegendes Treppenhaus Deckendurchbrüche erfordere. Außerdem ist in der Bayerischen Bauordnung nicht vorgesehen, dass ein Fluchtweg über eine andere Nutzungseinheit führt. Darüber hinaus würde der erste Rettungsweg gekreuzt, was ebenfalls nicht sein darf. Diese Variante würde 250 000 bis 300 000 Euro kosten.
Auch bei anderen innenliegenden Treppenhäusern im Nordwesten oder Südwesten des Gebäudes würden Deckendurchbrüche erforderlich machen, die die stabile Gebäudestruktur gefährden würden. Und ein neuer Sicherheitstreppenraum würde ebenfalls viel Platz und unabsehbar viel Geld kosten.
Treppe kann jederzeit abgebaut werden
Sandra Nagel berichtete am Ende, die Treppe sei reversibel. Das heißt, sie kann jederzeit wieder abgebaut werden, wenn das Haus in ferner Zukunft einmal anders genutzt werden sollte als jetzt. Die Treppe beginnt auf der Westseite des Spitals, wird um die Südwestseite geführt und reicht hinauf bis zu den Fenstern der Obergeschosse, durch die Besucher im Brandfall fliehen müssten. Die Treppe soll knapp 100 000 Euro kosten.