Schulen und Kitas sind geschlossen, Hochschulen gesperrt, Großveranstaltungen untersagt und die Läden dicht. Die bayerische Staatsregierung hat drastische Maßnahmen angeordnet, um Menschenansammlungen zu unterbinden und der Coronavirus-Pandemie entgegenzuwirken. Doch was ist mit den Ankerzentren, den Sammelunterkünften für Flüchtlinge? Dort treffen viele Menschen aufeinander. Sie wohnen in Mehrbettzimmern, teilen sich Gemeinschaftsküchen, nutzen gemeinsam Sanitäranlagen. Was passiert, wenn sich dort ein Bewohner mit dem Coronavirus infiziert?
"Daran ist gedacht", sagt der Sprecher der Regierung von Unterfranken, Johannes Hardenacke. Für den Fall einer Infizierung habe man in der unterfränkischen Ankereinrichtung bei Geldersheim (Lkrs. Schweinfurt) "vorgeplant" und auch aktuell für den Infektionsschutz der Bewohner Vorsorge getroffen. Für die öffentlichen Einrichtungen auf dem umzäunten Gelände greifen die gleichen staatlichen Anordnungen wie draußen. Die Kantine ist geschlossen, die Bewohner nehmen ihr Essen auf den Zimmern ein. Auch das Camp-Café und Kinderhaus sind nicht mehr geöffnet. Damit sind bis auf weiteres alle ehrenamtlichen Freizeitangebote in der Ankereinrichtung eingestellt. Im Camp-Café gab es verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten, Musikveranstaltungen, Bücher und Spiele.
Die Flüchtlings- und Integrationsberatung von Caritas und Diakonie ist nicht von den Einschränkungen betroffen. "Unsere Beratungsdienste finden mit erhöhten Sicherheitsmaßnahmen wie gehabt statt", sagt Uwe Kraus, der Leiter der Sozialen Dienste der Diakonie. So werde bei der Beratung auf ausreichend Abstand und darauf, dass sich nicht zu viele Menschen im Wartebereich befinden, geachtet.
Alle Neuankömmlinge werden separiert und getestet
Für Beunruhigung sorge die Corona-Pandemie unter den Bewohnern im Moment noch nicht, weiß Kraus von seinen Mitarbeitern vor Ort. Die Flüchtlinge kommen alle aus afrikanischen Ländern, seien aufgrund der Ebola-Epidemie, die 2014 in mehreren westafrikanischen Ländern ausbrach, sensibilisiert für gefährliche Viruserkrankungen. "Sie wissen, um was es geht und dass man vorsichtig sein muss." Die Stimmung könne sich aber auch ganz schnell ändern, wenn im Ankerzentrum der erste Corona-Fall auftritt und Quarantänemaßnahmen angeordnet werden müssten.
Für diesen Fall ist man gerüstet. "Spätestens als Italien betroffen war, wussten wir, jetzt wird es ernst", sagt der Leiter der Ankereinrichtung, Benjamin Kraus. Italien ist die Hauptzugangsroute der Flüchtlinge nach Deutschland. Deshalb werden seit dem 2. März auf Anordnung des Innenministeriums alle Neuankömmlinge gleich am Tor separiert und auf den Coronavirus getestet. Bis jetzt waren das 64 Personen. Außerdem wurden nachträglich alle Bewohner getestet, die ab dem 30. Januar in die Ankereinrichtung gekommen sind. Das waren weitere 70 Personen. Und auch die sechs Flüchtlinge, die in dieser Zeit schon in Gemeinschaftsunterkünfte weiterverteilt worden waren, mussten sich noch einen Test unterziehen. "Bis jetzt waren alle Ergebnisse negativ", ist Kraus erleichtert.
Gefährdete Personen sind separat untergebracht
Der Anker-Leiter macht sich aber keine Illusionen, dass das Coronavirus vor der Einrichtung Halt machen wird. Schließlich können die Bewohner ein- und ausgehen, und es gibt auch noch keine Besuchsverbote oder Zugangsbeschränkungen für Dienstleister. Ein Notfallplan für die verschiedensten Szenarien liegt deshalb in der Schublade. Vorbeugende Maßnahmen sind bereits umgesetzt. So wurden alle gefährdeten Personen – das sind Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen – vorsorglich in einem separaten Gebäude untergebracht. Dort wurde auch ein Arztzimmer eingerichtet, so dass Behandlungen vor Ort erfolgen können. Und für die Essensabholung in der Kantine gibt es eigene Besuchszeiten.
"Im Großen und Ganzen stoßen die Anordnungen auf Verständnis", sagt Anker-Leiter Benjamin Kraus. Er legt Wert auf Transparenz, hat deshalb Informationsblätter ausgegeben und Hygieneaushänge gemacht. Seit Donnerstag gibt es zudem einen "Corona-Newsflash", ein Infoblatt in Englisch mit allen aktuellen Corona-Nachrichten, das an der Poststelle im Verwaltungsgebäude ausgegeben wird. Es soll mehrmals wöchentlich aktualisiert werden.
Auf den "Worstcase", also den schlimmstmöglichen Fall, hat sich die Ankereinrichtung ebenfalls vorbereitet. So wurde die frühere Gemeinschaftsunterkunft, die eine eigene Zufahrt hat, zum Corona-Quarantänebereich erklärt. Dort waren bislang alleinreisende Frauen mit Kindern untergebracht. Sie mussten umziehen. Da das Ankerzentrum derzeit nicht einmal zur Hälfte belegt ist – aktuell sind es 597 Flüchtlinge, Betten gibt es für 1436 Menschen – war die Unterbringung kein Problem.
Alle Neuzugänge werden erst einmal im Quarantänebereich einquartiert
In diesem Quarantänebereich sind drei separate Gebäude nutzbar. In einem werden jetzt schon alle Neuzugänge einquartiert, bis ihr Corona-Testergebnis vorliegt. Insgesamt stehen hier zwölf Zimmer zur Verfügung, in denen bis zu 50 Personen isoliert werden können. "Wir versuchen, so lange wie möglich die Zimmer einzeln zu belegen", so Kraus. Bei den aktuell niederigen Zugangszahlen sei das auch möglich.
Weitere 50 Plätze stehen in einem zweiten Gebäude zur Verfügung. Diese werden für die Personen vorgehalten, die positiv auf das Coronavirus getestet werden. Das Haus hat einen eigenen Außenbereich, der von den anderen Gebäuden abgegrenzt ist. "Die größte Herausforderung für uns ist in diesem Fall dann die Unterbringung der Kontaktpersonen", meint Kraus. Denn ihre Zahl kann hoch werden. Für diese Personengruppe ist das dritte Gebäude vorbereitet. Maximal 156 Personen können dort hinein.
Und wenn das nicht reicht? Auch für dieses Szenario hat man einen Notfallplan. Aus Zeiten des Flüchtlingansturms 2015 stehen noch große Thermohallen auf dem Gelände. "Die haben wir in der Hinterhand." Auch zusätzliche Zelte könnten auf dem weitläufigen Gelände aufgestellt werden.
Der Bayerische Flüchtlingsrat indes sieht sich durch die Corona-Krise bestätigt in seiner Kritik an den großen Sammelunterkünften wie dem Ankerzentrum bei Geldersheim, denn sie würden das Risiko von Infektionskrankheiten "massiv steigern", heißt es im neuesten Newsletter. "Sobald die aktuelle Krise überstanden ist, müssen die großen Flüchtlingsunterkünfte zugunsten von kleinen dezentralen Unterkünften aufgegeben werden“, fordert deshalb Sprecher Alexander Thal.
"Wir sind gut aufgestellt", versichert hingegen Anker-Leiter Benjamin Kraus. Er räumt aber ein: "Es wird eine Herausforderung."
Wurde noch keine Unterweisung zu den geltenden Verboten durchgeführt?
Übrigens: meine Jungs würden bei diesem Wetter auch gerne kicken, aber wir untersagen ihnen dies wie es sich gehört...