Jürgen Süß, Seniorchef im Hotel Ross, hat den Lockdown für die Gastronomie erwartet. Wie die Politik die Pandemie handhaben wolle, sei klar. Ob sie diese so wie geplant in den Griff bekomme, sei jedoch weit weniger gesichert. Die Gastronomie über einen Kamm zu scheren, sei kein Erfolgsrezept und vernachlässige, dass viele Betriebe die Situation beherrscht hätten. Andere dagegen hätten einige der vorgeschriebenen Maßnahmen nicht umsetzen können. Vielleicht habe es an strengeren Kontrollen gefehlt, meint Süß. Jetzt hofft er, dass die angekündigten Hilfen auch wirklich bei den Betrieben ankommen. Leid tun ihm die Beschäftigten, die mit 50 bis 60 Prozent des Lohns kaum leben könnten. Heruntergerechnet hat Jürgen Süß die Anzahl der täglichen Neuinfektionen auf die Einwohnerzahl in der Stadt und meint, dass ein Dutzend Infektionen am Tag eine Herausforderung sei, die auf die Reihe zu bringen ist.
Mike Mangold von der Fleischerei in der Spitalstraße schließt über den Winter sowieso zu – natürlich wegen der Corona-Pandemie, jedoch nicht wegen des neuerlichen Lockdowns. Bei den schon bislang gültigen Abstandsregeln sei ohne die Außengastronomie der Umsatz mit nur bis zu acht Gästen nicht rentabel. Auch verspreche der Aufenthalt bei den als notwendig eingestuften Lüftungsintervallen und bei Außentemperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt wenig Anklang. Tagsüber müsse das Geschäft brummen, dürfe nicht ausgebremst werden, denn am Abend sei in der Fußgängerzone kein Geschäft zu machen, so Mangold, der sich für zwei Tage in der Woche einen Job bei Edeka besorgt hat. Ab dem 11. November will er Enten und Gänse in der Küche der ehemaligen Gaststätte Mangold am Kornmarkt zum Mitnehmen zubereiten. "Das ist der Plan B. Einen Plan C habe ich nicht", sagt Mangold. Wiedereröffnung der Fleischerei soll 2021 sein, am 1. März.
"Das ist der Horror und eine Katastrophe", sagt André Arnold von der Rhön-Metzgerei in der Keßlergasse. Auch ihn trifft der Lockdown light ab November. Arnold rechnet mit einem Umsatzverlust im Imbissbereich von 80 Prozent, und für die gesamt Filiale nur noch mit der Hälfte der sonst für den November zu erwartenden Einnahmen.
Gut besucht ist um die Mittagszeit die Kleine Rösterei in der Rückertstraße. Stammkundschaft hat sich eingestellt. Diese will sich noch einmal verwöhnen lassen. Zumindest das freut Elke Hofmann, die mit dem neuerlichen Lockdown nicht gerechnet hatte. Für sie war die Absprache zwischen den Ländern und der Kanzlerin eine "deftige" Überraschung. "Wir haben doch alles getan", sagt sie. Trennwände sind in der Rösterei aufgestellt, die Anzahl der Stühle und Tische wurde reduziert, Heizpilze sind angeschafft und vieles mehr. Dass man zwischen Schweinfurt und Hamburg, zwischen Berlin und dem Dorfwirtshaus in Lindach nicht unterscheide, das sei nicht richtig, damit habe die Politik über das Ziel hinaus geschossen. Auch laufe etwas verkehrt, wenn man die, die Ordnung hielten, abstrafe, und bei Demonstrationen gegen die Corona-Regeln die Polizei zuschauen lasse, wenn eng an eng und ohne Maske protestiert werde.
"Ganz wenig" hält Ansgar Zänglein aus dem Dorfwirtshaus in Hambach von der Bekämpfung des Virus auf Kosten der Wirte. "Doch was soll man machen. Ich gehe nach vorne. Ich setzte auf das Essen auf Bestellung." Für den Transport hat er sich neue Verpackungen besorgt, die neben der Ente und den Klößen auch den Nachtisch fassen. Kaum begreifen kann er, dass die Bemühungen der Wirte nicht honoriert seien. "Wir alle haben hervorragend gearbeitet. Wir haben nicht nur Trennwände und vieles mehr angeschafft, sondern auch schlüssige Konzepte ausgedacht und realisiert." Doch das zähle nichts mit der Folge, dass privat mehr gefeiert werde und die Zahl der Neuinfektionen weiter steige, meint der Wirt aus Hambach.
Adi Schön von der Kolping Service GmbH, die die Stadthalle betreibt, hat jetzt etliche Sorgen mehr. Die Entscheidung aus Berlin treffe, denn die Einnahmen aus einigen gut gebuchten Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der Disharmonie, die auf den November terminiert waren, würden fehlen. 2020 habe man noch verhältnismäßig gut gemeistert. Bei den Veranstaltungen im Fasching gab es den Virus zumindest in Schweinfurt noch nicht. Im Frühjahr habe man dann die Ausgaben mit der Kurzarbeit für die Beschäftigten drücken können und seither auf den Herbst gehofft. Daraus werde nichts und alle Vorzeichen stünden jetzt für ein sehr schwieriges Jahre 2021. Ein Jahr, in dem auch der Fasching keine Halle brauche.
Aber nicht nur die Gastronomie, auch die Kultur-Veranstaltungsbranche ist vom neuen Lockdown existenziell bedroht. Ralf Hofmann, Geschäftsführer der Agentur für Live-Marketing L 19, die zum Beispiel die Honky Tonks und die Stadtfeste organisiert, sagt: "Das war abzusehen." Seit Februar sei die Branche quasi im Berufsausstand. "Es ist eh schrecklich, schrecklicher wird nicht gehen." Hofmann hofft, dass die jetzt getroffenen Maßnahmen ausreichen und es Licht am Ende des Tunnels geben wird. Weitere Hoffnung: "Dass wir die Solidarität der Gesellschaft erleben."
Sänger und Songwriter Matthias Nürnberger, bekannt unter seinem Künstlernamen Matze Rossi ist wie viele Künstler coronabedingt neue Wege gegangen. Im März hat er hat er ein Wohnzimmerkonzert veranstaltet und ins Internet übertragen. 6000 Zuschauer waren dabei. Rossi hat sich jetzt in einem Post in seinem Facebook-Konto sehr differenziert geäußert ("Kannst Du gerne zitieren."). "Wenn die ersten Menschen aus dem eigenen Bekanntenkreis auf Intensivstationen behandelt werden und Freunde aus sozialen Berufen jetzt schon absolut am Limit arbeiten, kann ich auch nicht wirklich ruhigen Gewissens Konzerte spielen oder dazu beitragen dass Menschen sich auf engem Raum versammeln. Wütend macht mich, dass die Kulturschaffenden und auch die Kulturkonsumenten/innen und sozialen Berufe im Vergleich zu anderen Branchen schlicht und ergreifend vergessen und übergangen werden. Ich hoffe, dass wir alle gut durch diese Zeit kommen damit wir n. C. (nach Corona) wieder zusammen singen, lachen, tanzen und feiern können."
Jürgen Dahlke von der Disharmonie sagt: "Das ist eine Katastrophe." 24 Veranstaltungen waren im November geplant, sie fallen aus. Generell sei im November und Dezember normalerweise viel geboten in der Disharmonie. Die Künstler waren jetzt zufrieden, selbst nur vor 30 Leuten in der Disharmonie aufzutreten, sagt er: "Hauptsache spielen." Viel Arbeit haben man in die Umsetzung der Hygienekonzepte investiert, getüftelt, organisiert. Immer wieder hätten Besucher gesagt: "Bei Euch fühlen wir uns sicher."
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Hart trifft die Disharmonie auch der Wegfall der Auftritte von Zugpferden wie Urban Priol oder Erwin Pelzig, die Hunderte von Fans anzogen. . "Damit finanzieren wir das kleine Programm", sagt Dahlke. Kleinkunst, Jazz zeigt die Disharmonie, gibt Künstlern aus der Region eine Bühne. "Das ist ein nicht gewinnorientiertes Programm". Was die Disharmonie noch hart trifft: Zusätzlich zu den Einnahme-Einbußen kommen noch die Zuschuss-Kürzungen der Stadt. Dahlkes Hoffnung: "Das wir nächstes Jahr im kleinen weitermachen können." Für dieses Jahr sieht er schwarz.
Theaterleiter Christian Federolf-Kreppel ist schon in eine ersten Zusammenfassung von Stimmen aus Kultur und Gastronomie zu Wort. gekommen. Eine erneute Schließung sei für viele Mitarbeiter und Künstler eine Existenzfrage. Er sieht auch das komplette kulturelle Leben in Frage gestellt: Da entsteht ein Flurschaden, den man nicht einfach wieder herstellen kann."
Wo sind denn die ganzen Aluhüte wenn Politiker von Konzernen mit Beraterverträgen und Jobangeboten gekauft werden?
Wenn Freihandelsverträge die Rechte nationaler Parlamente einschränken (auf ewig völkerrechtlich bindend)?
Wenn die Finanzindustrie Gesetze vorgibt die wortwörtlich übernommen werden?