
An den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder höchstpersönlich hat Ulrich Martin geschrieben. Ebenso an Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und an Innenstaatssekretär Gerhard Eck. Und am Montag ging sein Brief auch noch an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Eindringlich bittet der Besitzer der kleinen Privatbrauerei in Hausen um "Ihre Hilfe", dass die Brauereigasthöfe von der sogenannten Novemberhilfe nicht ausgeschlossen werden. "Ohne die Unterstützung des Staates ist ein hoher Anteil unserer bayerischen Brauerei- und Wirtshauskultur in großer existenzieller Gefahr", schreibt Martin.
Brauerei-Kollegen im Umkreis bestätigen das. "Wenn wir das Geld nicht bekommen, wird es noch schwerer wie es ohnehin schon ist", sagt Max Göller, Inhaber der gleichnamigen Zeiler Brauerei. Noch deutlicher wird der Chef der Steigerwälder Traditionsbrauerei Bayer in Theinheim (Kreis Haßberge): "Für uns wird es dann äußerst schwierig, den Winter zu überstehen."
Was ist passiert? Die Bundesregierung hatte im Zuge des zweiten Lockdowns den gastronomischen Betrieben staatliche Unterstützung angekündigt. "Darauf hatten wir uns verlassen", sagt Max Göller. Ende November dann, als die Anträge gestellt werden konnten, sei in den "Häufig gestellten Fragen" der Bundesregierung plötzlich ein Passus aufgetaucht, dass Brauereigaststätten nicht als klassische Gastronomiebetriebe gelten würden. Als Mischbetriebe sind sie aber nur dann antragsberechtigt, wenn sie mindestens 80 Prozent ihres Umsatzes im gastronomischen Bereich erwirtschaften. Bei den meisten Brauereigaststätten ist das nicht der Fall, weil der Außer-Haus-Verkauf der Brauerei meist mehr als 20 Prozent des Umsatzes ausmacht. Bei Martin in Hausen sind es 23 Prozent, bei Bayer im Steigerwald über 30 Prozent.
Dehoga Bayern beklagt "offensichtliche Ungerechtigkeit"
Ulrich Martin hat vor 13 Jahren die damals schon lange Zeit geschlossene Brauerei und Traditionsgaststätte in Hausen übernommen, restauriert und wieder eröffnet. "Seitdem habe ich jeden erwirtschafteten Euro in den Betrieb gesteckt." 20 Arbeitsplätze hat er geschaffen. Das Gros arbeitet im "Wirtshaus". 80 Gäste können dort bewirtet werden. Für Feierlichkeiten gibt es den Saal mit 100 Plätzen. Und an lauen Sommerabenden können die Gäste sich im schönen Biergarten niederlassen. "Unter normalen Umständen sind wir ein lachender Betrieb", sagt Martin. Seit Corona jedoch ist alles anders. Die Gaststätte ist geschlossen. Es gibt zwar Essen zum Mitnehmen, aber den Verlust könne das nicht auffangen. "Ich will keinen Mitarbeiter entlassen müssen", versichert Martin und fordert deshalb die Politik auf, jetzt die kleinen Privatbrauereien nicht hängen zu lassen.

Eine "offensichtliche Ungerechtigkeit" beklagt auch der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Bayern und kommentiert die Haltung des Bundes mit völligem Unverständnis. Landesgeschäftsführer Thomas Geppert verweist auf die Sonderregelung für Gastronomiebetriebe, die ihre Leistungen auch im Außerhausverkauf anbieten. "Bis Corona waren gastgewerbliche Betriebe seitens der Politik aufgefordert, sich zusätzliche wirtschaftliche Standbeine zu schaffen, und dies soll diesen Vorzeigebetrieben nun ausgerechnet zum Verhängnis werden." Wenn Bäckereien und Konditoreien für ihre geschlossenen Cafés Hilfsgelder abrufen könnten, dann sei es nur recht und billig, auch den staatlicherseits stillgelegten Brauereigasthöfen in dieser für sie existenzgefährdenden Lage zu helfen.
Wirtschaftsminister Aiwanger hatte Hoffnungen auf Novemberhilfen gemacht
"Für die vielen Brauereigasthöfe ist das ein herber Rückschlag", zeigt sich auch Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes, gleichermaßen entsetzt wie enttäuscht. Erst vor wenigen Tagen sei Hoffnung aufgekeimt, dass die Brauereigasthöfe in den Genuss der für das Gastgewerbe geschnürten Hilfspakete kommen würden. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hatte nämlich den Brauern persönlich zugesichert, dass der Bund Mischbetrieben des Ernährungshandwerks November- und Dezemberhilfe zugestehen würde.

Für Stefan Stang, Hauptgeschäftsführer der Privaten Brauereien Bayern, ist das nur selbstverständlich. Denn die Brauereien könnten durch das ohnehin wenig gewinnträchtige Geschäft mit Flaschenbier die enormen Verluste, die der erzwungene Stillstand der gastgewerblichen Betriebsteile verursacht, bei weitem nicht kompensieren. Es fehlen ja nicht nur die Fassverkäufe an Festveranstalter oder private Kunden, sondern der gesamte Umsatz aus den Lieferungen an die Gastronomie.
"Das tut uns schon weh", fordert Max Göller deshalb eine Gleichbehandlung mit anderen Gaststätten oder Hotelbetrieben. "Wir leben ja davon, unser Bier in der Gaststätte verkaufen zu können, und das fällt jetzt komplett weg", versteht auch Michael Bayer die unterschiedliche Behandlung nicht. Die Brauereien seien das Markenzeichen der Brauereigasthöfe, und das solle ihnen nun zum Verhängnis werden.
Für Ulrich Martin könnte es gar noch schlimmer kommen, wenn ihm der Umsatz aus dem Essen-to-go-Geschäft während des ersten Lockdowns angerechnet werden sollte. Dann würde eine Rückzahlung der bereits gewährten staatlichen Hilfen drohen. Der Hausener Braumeister appelliert an die Politik, "die 80/20-Regelung baldmöglichst zu streichen und den Brauereigaststätten die dringend notwendige Novemberhilfe zu ermöglichen".
Und wenn nein, dann sollten sie wenigstens anteilig etwas Unterstützung bekommen.