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Schweinfurt
Bunker in Schweinfurt wird wegen des Ukraine-Krieges vorerst doch nicht verkauft
Eigentlich wollte Museumsinhaber Nils Brennecke den Hochbunker A10 am Hauptbahnhof erwerben. Durch den Ukrainekrieg hat der Bund den Verkauf aber gestoppt.
Nils Brennecke hat erfahren, dass die Schweinfurter Bunker im Bundesbesitz erst einmal nicht veräußert werden – wie hier der A10 unweit des Hauptbahnhofs.
Foto: Uwe Eichler | Nils Brennecke hat erfahren, dass die Schweinfurter Bunker im Bundesbesitz erst einmal nicht veräußert werden – wie hier der A10 unweit des Hauptbahnhofs.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:04 Uhr

Der feine Löschwassernebel verteilt sich im Wind über die Dächer. Auf dem benachbarten Firmengelände übt gerade die Werksfeuerwehr, mit Drehleiter, was sicher Zufall ist. Der Sprühregen erinnert daran, dass im Zweiten Weltkrieg echte Bomben gefallen sind, rund um den Hochbunker A10 in der Wohlfahrtstraße, unweit von Hauptbahnhof und der heutigen Schaeffler AG.

Der vierstöckige Klotz wurde kurz vor dem ersten schweren Luftangriff auf die Kugellagerstadt fertiggestellt. Ab Sommer 1943 hielt er dem Inferno stand, als einer von 13 Hochbunkern in der Stadt. Lange Jahre war der "Bahnhofsbunker" nur ein pittoreskes Überbleibsel der Stadtgeschichte, während andere Schutzbauten zum Penthouse oder Depot mutierten.

Eine Revitalisierung scheint nicht ausgeschlossen

Zusammen mit dem kleinen A1, im Nutzweg am Bergl, befindet er sich heute in Obhut der BImA, der "Bundesanstalt für Immobilienaufgaben". Seit Putins Invasion in der Ukraine scheint für den Staat eine "Revitalisierung" nicht ausgeschlossen. So bekam es Nils Brennecke mitgeteilt, Leiter des Deutschen Bunkermuseums in Oberndorf. Brennecke ist in der Ernst-Sachs-Straße stolzer Besitzer des Hochbunkers A8. Nun stand er kurz vor dem Erwerb des kleineren A10, für ein weiteres Projekt.

Ein Exposé der BImA lag bereits vor. Kurz nach Beginn des russisch-ukrainischen Kriegs flatterte eine freundliche Mail ins Haus, vom Verkaufsteam der BImA in Würzburg: "In Zusammenhang mit der politischen Entwicklung (…) sind der zivile Bevölkerungsschutz und der Bestand an öffentlichen Schutzräumen in den Fokus gerückt." Das Bundesinnenministerium habe den Verkauf aller bundesdeutschen Bunker an Privatleute gestoppt, zwecks Bestandsaufnahme: "Das offene Angebotsverfahren über die Hochbunker in Schweinfurt ist bis auf Weiteres vorübergehend ausgesetzt."

Der Plattenspieler im Bunker ist eindeutig älteren Datums.
Foto: Nils Brennecke | Der Plattenspieler im Bunker ist eindeutig älteren Datums.

Bunker-Enthusiast Brennecke kann den Rückzieher nicht so recht nachvollziehen. Der Schutzwert des 80 Jahre alten Luftkriegsveteranen in der Wohlfahrtstraße ginge in einem modernen Krieg gegen Null. Im Kalten Krieg gab es in den dortigen Schutzräumen noch offiziell Platz für 1400 Personen. Im Bunker A1 am Bergl waren es 350 Plätze. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs dachten die Zivilschützer eher an Industrieunfälle oder einen Super-GAU im Atomkraftwerk Grafenrheinfeld.

Die nahe Fabrik zog Luftangriffe auf sich

Laut "Schweinfurtführer", der sich online mit der Stadtgeschichte befasst, wurde der A10 ab 1941 hochgezogen, Filmaufnahmen zeigen den Bau. Die nahe Fabrik zog Luftangriffe auf sich, Bahnreisende fanden in der damaligen "Kirrdorfstraße" ebenfalls Unterschlupf. Die heutige Wohlfahrtstraße ist nicht groß, das Schadenskataster der Stadt verzeichnete allein hier fünf Bombentreffer.

Auch für die Notstromversorgung war im Atomschutzbunker gesorgt.
Foto: Nils Brennecke | Auch für die Notstromversorgung war im Atomschutzbunker gesorgt.

In den 1960er-Jahren wurde das Weltkriegsfossil für den Tag nach dem nuklearen Armaggedon umgebaut, die Bunkerwand aufgeschnitten und eine Notstromversorgung hineingehievt, in Form zweier MWN-Dieselgeneratoren, mit etwas über 230 PS. Auf vier Etagen gab es Stockbetten, Waschräume, Toiletten, eine Großküche, eine Vorratskammer sowie ein Krankenzimmer. Als 2007 die Schweinfurter Bunker aus der "Zivilschutzbindung" entlassen wurden, sei in die Aggregate Beton gegossen und der Tiefbrunnen zugeschüttet worden, sagt Brennecke und wundert sich erneut.

"Das war mein Lebensretter", erzählt Nachbar Hans-Georg Leimbach.

Man merkt dem Hobbyforscher und Sammler die historische Faszination an, die selbst Details auf ihn ausüben: Das umlaufende "Medici-Fries" unter dem Dach, ein Haken für die Tarnnetze, die zugemauerten Fenster, die vielleicht der Feindestäuschung, vielleicht zur Belüftung gedient haben. Vor Ort kommt Brennecke sofort ins Gespräch mit Zeitzeugen. "Das war mein Lebensretter", erzählt Nachbar Hans-Georg Leimbach. Zusammen mit der Familie fand er als Kind Zuflucht im Bunker, nachdem der eigene Luftschutzkeller einen Treffer erhalten hatte. Der Koloss wackelte in den Druckwellen, hielt aber stand, selbst ohne Stahlarmierung.

Als Atomschutzbunker sei er voll möbliert gewesen, erinnert sich Leimbach: "Alle paar Wochen wurde gelüftet". Auch eine Anwohnerin aus der Stephanstraße war im Krieg "Insassin", ihr Elternhaus wurde bei einem Bombenangriff zerstört. Vor ein paar Jahren hat Nils Brennecke das schummrige Bunkerinnere selbst fotografiert. Eine Radioanlage mit Mikrofon und ein vorsintflutlicher Plattenspieler sollten im Fall der Fälle die Stimmung heben. Zwischendurch gab es einen Brand, ganz ohne Feindeinwirkung: "Er ist großflächig verrußt". Kabel und Elektrogeräte sind nach einem mutmaßlichen Kurzschluss verschmort, bevor das Feuer von selbst wieder ausgegangen ist. In der "großen Politik" scheint die Glut derweil unbemerkt weitergeschwelt zu haben.

 
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