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Schweinfurt
"Bin offensichtlich ausgerastet": Angeklagter gesteht vor dem Landgericht Schweinfurt, seine Frau getötet zu haben
Ein Streit zwischen einem Ehepaar eskaliert, wenig später ist die Frau tot. Was geschah an jenem Abend? Eine Rolle soll auch ein anderer Mann gespielt haben.
Der 71-jährige Angeklagte soll seine Ehefrau im Dezember 2021 heimtückisch ermordet haben. Er soll der Frau im Streit mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen und sie anschließend erwürgt haben.
Foto: Daniel Peter | Der 71-jährige Angeklagte soll seine Ehefrau im Dezember 2021 heimtückisch ermordet haben. Er soll der Frau im Streit mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen und sie anschließend erwürgt haben.
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:15 Uhr

Als das Telefon am späten Abend des 16. Dezembers 2021 klingelt, liegen er und seine Frau schon im Bett. Am anderen Ende der Leitung ist sein Vater, der im Haus nebenan wohnt. Er habe das erst für einen schlechten Scherz gehalten, sagt der Sohn jetzt vor Gericht, als sein 71-jähriger Vater am Hörer zu ihm sagt: "Ruf' die Polizei. Ich habe deine Mutter umgebracht."

Doch bevor der Sohn die Beamten ruft, geht er mit seiner Frau hinüber. Das Garagentor ist offen, der Vater steht schon da. Und in der Garage am Boden, "da lag meine Mutter", sagt der Mann, der gerade gegen seinen Vater aussagt. Die Ehe seiner Eltern sei eine Art Hass-Liebe gewesen, "sie konnten nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander". Doch dass sowas passiert, habe er nicht für möglich gehalten.

Ein hagerer, gebrechlicher Mann im Anzug sitzt schräg vor seinem Sohn auf der Anklagebank, er hält sich die Hand vors Gesicht. Links neben ihm sitzt seine Anwältin, rechts daneben sein Pfleger, ein medizinisches Gerät steht auf der Fensterbank des Gerichtssaals.

Dass dieser Prozess vor der 1. Großen Strafkammer als Schwurgericht kein gewöhnlicher ist, ist schnell klar. Hier sind keine Polizeibeamten, die aufpassen, dass nichts passiert, keine Handschellen oder Fußfesseln. Hier wird auch niemand aus der Haft vorgeführt.

Der Angeklagte 71-Jährige ist gesundheitlich schwer angeschlagen

Stattdessen wird der Angeklagte immer gefragt, ob es denn noch gehe, gesundheitlich. Dass er seine Ehefrau heimtückisch ermordet, ihr mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen und sie anschließend erwürgt haben soll, wie es ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, ist, wenn man ihn so da sitzen sieht, schwer vorstellbar.

Doch der 71-Jährige gesteht, seine Frau getötet zu haben. Es ist ganz still im Verhandlungssaal, als er anfängt, zu erzählen. Er sei heimgekommen vom Stammtisch in der Wirtschaft. Die Frau, sie leben getrennt im selben Haus in Euerbach (Lkr. Schweinfurt), habe er noch begrüßt, bevor er nach oben gegangen sei, um noch ein wenig fernzusehen.

Nach etwa 30 Minuten, "ich weiß es nicht mehr genau", sei die Frau zu ihm gekommen, sagt der Angeklagte. "Ich habe gesehen, dass sie getrunken hat." Die Frau sei Alkoholikerin gewesen, habe öfter Therapien gemacht.

Die Frau des Angeklagten hatte einen neuen Freund

Kurz darauf habe der 71-Jährige nach ihr sehen wollen, es sei zu einem Streit gekommen. Seine Frau habe seit einem halben Jahr einen Freund gehabt, er habe es notgedrungen akzeptiert. Es habe eine Vereinbarung gegeben, dass sie den neuen Freund zweimal die Woche sehen darf, doch das habe ihr dann nicht mehr gereicht.

"Ich habe gesagt: Zieh' doch aus. So tust du mir jedes Mal weh, wenn du gehst und nach zwei Tagen wiederkommst", sagt der Mann dann. Sie habe es verneint und so etwas gesagt wie: "Ich werde dir noch mehr wehtun."

Ein Unfall? Unglücklich gestürzt? Der Mann verneint

Was dann genau passiert ist, ist unklar. Dem Mann, so sagt er, fehlt die Erinnerung. "Ich weiß nur noch, in der Garage, wie ich über ihr gekniet habe." An den Händen habe Blut geklebt. Ob sie denn auch unglücklich gefallen sein könnte, fragt Oberstaatsanwalt Reinhold Emmert ihn, und der Mann antwortet: "Das kann man mit Unfall nicht mehr erklären. Ich war doch der einzige im Haus, der Hund war es wohl nicht."

Als die erste Streife an jenem Abend im Dezember 2021 kurz vor Mitternacht am Haus der Familie ankommt, ist der Rettungsdienst schon da. "Da ist nichts mehr zu machen", habe der Sanitäter zu ihm gesagt, erzählt ein Polizeibeamter vor Gericht. Auf dem Bett sitzt damals der Ehemann, Blut an der Hose, still.

"Ich habe nie mit dem Hammer auf meine Frau geschlagen, nie."
Angeklagter 71-Jähriger

Es dauert nicht lange, bis der Mann in der Tatnacht sagt: "Ich habe meine Frau im Streit erwürgt". Auf die Frage des Polizeibeamten, wo denn das Blut herkomme, habe der 71-Jährige gesagt, sie habe sich gewehrt. Der Mann sei aufgestanden, habe fast gelöst gewirkt. Eine Tatwaffe finden die Beamten in der Garage damals nicht.

In der Anklageschrift ist die Rede von einem Hammer, mit dem er seiner Frau auf den Kopf geschlagen haben soll. "Das mit dem Hammer glaube ich nicht", sagt der 71-Jährige im Gerichtssaal, redet etwas vor sich hin, was man nur schwer verstehen kann. Dann fährt er fort: "Ich habe nie mit dem Hammer auf meine Frau geschlagen, nie."

Der Sohn glaubt, der Vater sei überfordert gewesen

Er sei "nervlich am Boden" gewesen, erklärt der Angeklagte. Es sei einiges zusammengekommen. Verwaltungskram habe ihm zu schaffen gemacht, und das mit dem neuen Freund der Ehefrau. Ob er verletzt gewesen sei, fragt die Vorsitzende Richterin Claudia Guba. "Verletzt, ich weiß es nicht. Der Schalter war umgelegt. Hass glaube ich nicht. Ich bin offensichtlich ausgerastet."

Der Sohn sagt vor Gericht, er glaube, dass sein Vater überfordert gewesen sei mit allem. Es habe sich wahrscheinlich angestaut. "Aber dass der Stau so groß ist, hat keiner bemerkt." Er würde seinen Vater als ruhig und gelassen beschreiben, Schreierei habe es nie gegeben, Handgreiflichkeiten auch nicht. Und dennoch haben sie nichts gemacht, "was in einer Beziehung normal ist", sagt er.

"Warum haben sich ihre Eltern nicht einfach getrennt?", fragt Richterin Guba. Der Sohn antwortet: "Das frage ich mich schon jahrelang."

Die Verhandlung wird am Montag, 8. Mai, um 9 Uhr fortgesetzt. Dann soll unter anderem auch der zweite Sohn des Ehepaars vor Gericht aussagen.

 
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