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Gerolzhofen
Bierkeller: Ein Stück Stadtgeschichte hat sich verabschiedet
Ein Jahrhunderte alter Gerolzhöfer Bierkeller musste jetzt dem Neubau von Eigentumswohnungen weichen. Übrig blieben nur noch die spärliche Reste der beeindruckenden Gewölbe.
Große Teile eines historischen Bierkellers an der Schallfelder Straße mussten wegen des Neubaus von Wohnungen zerstört werden. Übriggeblieben sind nur noch kleine Reste der früheren Gewölbe.
Foto: Bertram Schulz | Große Teile eines historischen Bierkellers an der Schallfelder Straße mussten wegen des Neubaus von Wohnungen zerstört werden. Übriggeblieben sind nur noch kleine Reste der früheren Gewölbe.
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:40 Uhr

Auf dem Gelände der früheren Tankstelle Thomas an der Schallfelder Straße entsteht derzeit ein Neubau-Komplex mit zwei großen Mehrfamilienhäusern. Nachdem bereits das Tankstellengebäude und das östlich gelegene Eigenheim der Familie Thomas abgerissen worden waren, um den Bauplatz freizuräumen, sind die Bauarbeiten nun in die Tiefe gegangen. Beim Ausheben der Baugruben wurden weite Teile eines unterirdischen Bierkeller-Systems zerstört. Zu sehen sind jetzt nur noch die Reste der früheren Gewölbe.

Das Kellersystem links an der ansteigenden Straße in Richtung Schallfeld auf dem ehemaligen Gelände der Familie Thomas war vergleichbar mit den beiden Bierkellern am Förstersbergle, die heute noch bei Stadtführungen besichtigt werden können. Hinter dem Tankstellengebäude führte eine lange Treppe hinab in die kühle Tiefe. Von einem kleinen Platz gleich hinter der Eingangstüre gingen dann vier gewölbte Gänge ab, in denen sich die steinernen Fasslager bestens erhalten hatten.

Gänge und Eisbunker

Einer der langen Gänge endete in einem hohen, fast quadratischen Raum: der ehemalige Eisbunker. Hier wurden früher durch eine Öffnung in der Decke, in die ein Metallrost eingearbeitet war, die großen Eisbrocken durchgeschlagen und dabei zerkleinert. Die Eis-Quader hatte man im Winter auf einem zugefrorenen Seen geschnitten. Unten im Eisbunker hielt sich das "gecrushte" Eis dann über Monate.

So sah es in dem weitverzweigten Bierkeller-System unter der Tankstelle Thomas aus. Im Bild Museumsleiter Bertram Schulz bei einer Begehung.
Foto: Klaus Vogt | So sah es in dem weitverzweigten Bierkeller-System unter der Tankstelle Thomas aus. Im Bild Museumsleiter Bertram Schulz bei einer Begehung.

Die Funktion solcher Keller war klar: Hier wurde das frisch gebraute Bier in Fässern eingelagert. Da man früher noch keine Kühlmöglichkeiten durch Gas- oder Elektromotoren hatte, bedeckte man die Fässer mit dem groben Eis. Bei Bedarf wurden die Fässer dann in die Brauerei-Gaststätte unten im Stadtgebiet transportiert und angestochen. In der warmen Jahreszeit gab es aber auch den Bierausschank "auf dem Keller", also direkt über dem unterirdischen Lagerraum. Auch bei dem jetzt zerstörten Keller gab es früher einen solchen Biergarten, den Einheimische und Gäste noch zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts gerne besuchten.

Brauer-Familie Dauch

Ein Blick in die Geschichte des jetzt zerstörten Bierkellers, der nicht unter Denkmalschutz stand: Auf dem ältesten erhaltenen Katasterplan der Stadt Gerolzhofen aus dem Jahr 1833 ist das Kellergrundstück, auf dem ein kleines Kellerhaus zu erkennen ist, der alten Hausnummer 296 zugeordnet. Bei der Nummer 296 handelt es sich heute um das Anwesen an der Ecke Schallfelder Straße/Bleichstraße (heute Zahnarzt Dirk Seidenstücker).

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Schon ab dem Jahr 1787 ist hier ein Jörg Dauch erwähnt. Der Büttnermeister betrieb zu dieser Zeit bereits eine "geringe Wirtschaft". Sein Sohn, der Büttner- und Bierbrauermeister Johann Dauch, erhielt am 22. November 1819 von der Stadt die Brau-Konzession. Johann unterhielt auf seinem Grundstück allerdings keine eigene Brauerei, sondern braute sein Bier im kommunalen Brauhaus, am Ende des Bräugässles.

In solchen steinernen Rinnen lagen früher die Bierfässer. Zur Kühlung wurden sie mit zerstoßenem Eis bedeckt.
Foto: Klaus Vogt | In solchen steinernen Rinnen lagen früher die Bierfässer. Zur Kühlung wurden sie mit zerstoßenem Eis bedeckt.

Im Jahr 1824 kaufte Johann Dauch von der Stadt ein Grundstück an der Schallfelder Steige und zwar "zur Erbauung eines Häuschens auf seinem Felsenkeller". Sein Gebräu lagerte Dauch dann entweder in einem Winterbierkeller direkt unter seiner Scheune in der Bleichstraße oder in den Sommermonaten im Eiskeller "außerhalb der Stadt, in Felsen gehauen".

Von Dauch bis Gradl

Wie ging es weiter mit der Brauerei Dauch? Johanns Sohn Michael Dauch übernimmt rund 25 Jahre später den Betrieb und erhält anno 1857 von der Stadt seine Brau-Konzession. Doch Michael stirbt bereits nach wenigen Jahren. Seine 36-jährige Witwe Margarethe heiratet daraufhin anno 1863 den zwölf Jahre jüngeren Büttner- und Brauergesellen Johann Georg Hofmann aus Aidhausen in den Haßbergen, der mutmaßlich als Geselle in der Brauerei Dauch gearbeitet hat. Doch auch diese Ehe ist nur von kurzer Dauer. Margarethe stirbt bereits am 25. Juli 1864. Der neue Brauereibesitzer Johann Georg Hofmann heiratet noch im gleichen Jahr Barbara Ullerich, die Witwe des Gerolzhöfer Bierwirts Kaspar Ullerich.

Nach mehreren Verkäufen kommt die Brauerei schließlich im Jahr 1876 an Adam Greß, der aus der Fuhrmanns-Familie Greß (die spätere Spedition) in der Bahnhofstraße stammt. Adam führt die Brauerei mit Geschick zu ungeahnter Blüte, so dass er schließlich im Jahr 1892 in der Nachbarschaft die Brauerei Georg Hellmerich an der Ecke Schallfelder Straße/Schuhstraße kaufen kann. Das Anwesen wird abgerissen und im Folgejahr 1893 entsteht ein prächtiger Gaststätten-Neubau, der heute noch steht.

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Adams Sohn Ludwig Greß fällt im Ersten Weltkrieg. Seine Witwe Theresia Greß heiratet daraufhin den Braumeister Ludwig Gradl. Fortan heißt die Gaststätte Gradl-Greß. Und der ehemalige Stammsitz auf der Nummer 296 wird verkauft. Wie lange der Sommer-Bierkeller der Brauerei Dauch/Hofmann/Gradl-Greß oben an der Schallfelder Straße genutzt wurde, ist unbekannt.

Gut zu erkennen ist, dass die aus Bruchsteinen gemauerten Gewölbe unten auf einer massiven Felsenschicht aufsaßen.
Foto: Bertram Schulz | Gut zu erkennen ist, dass die aus Bruchsteinen gemauerten Gewölbe unten auf einer massiven Felsenschicht aufsaßen.

Felsen als Fundament

Beim Ausbaggern des alten Kellersystems, mit dem sich ein Stück Stadtgeschichte verabschiedet hat, kamen aber einige interessante Details ans Tageslicht. Der Keller war tatsächlich teilweise "in Felsen gehauen", wie es in alten Urkunden im Stadtarchiv nachzulesen ist. In den Bereichen, wo der Bagger jetzt die Keller angeschnitten hat, sieht man deutlich, dass die aus Bruchsteinen gemauerten Gewölbe auf einer natürlichen Felsenbank aufsitzen. Auf diesem unerschütterlichen Fundament hat man dann bergmännisch die Tunnel vorangetrieben.  

In der Baugrube wurde im Erdreich eine Schicht angeschnitten, die ganz dicht mit Keramikscherben und anderem Abfall durchsetzt ist: die Reste eines historischen Schuttplatzes.
Foto: Bertram Schulz | In der Baugrube wurde im Erdreich eine Schicht angeschnitten, die ganz dicht mit Keramikscherben und anderem Abfall durchsetzt ist: die Reste eines historischen Schuttplatzes.

Reste eines Schuttplatzes

Und ein Zweites haben die Aushubarbeiten zum Vorschein gebracht: Im Erdreich gibt es eine Schicht, in der es über und über Keramikscherben, Reste von alten Kachelöfen und kleinere Tierknochen gibt. Dies sind die Überbleibsel eines ehemaligen Schuttplatzes außerhalb des Schallfelder Tors. Bereits beim Bau des neuen Mehrfamilienhauses durch die Wohnungsbaugenossenschaft an der Ecke der Steigerwaldstraße waren 2018 Unmengen an weggeworfener Keramik und historischem Hausmüll ans Tageslicht gekommen. Bislang war allerdings nicht bekannt, dass sich diese "Bötziggrube" – wie dieser Abfallplatz in alten Schriften bezeichnet wird – bis hoch zur späteren Tankstelle Thomas hinzog. Eine kleine Neuigkeit für die Stadtschichte Gerolzhofens.

 
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Kommentare
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  • K. H.
    Zu Gerolzho'n die Brauersleut
    Leben nicht mehr seit langer Zeit
    Nur die Geister von densölben
    Spuken nachts in den Gewölben...

    Lasst ihnen bitte einen Gang übrig, sonst werden die in den neuen Häusern niemals nicht glücklich werden!
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