Politik besser zu erklären, lautet eine Forderung an die Ampel-Parteien der Bundesregierung. Weil das Thema Migration gerade in Euerbach, in der Nähe zum Ankerzentrum, präsent ist, wollte SPD-Bundestagsabgeordneter Markus Hümpfer über die aktuellen Maßnahmen der Regierung informieren. Das Angebot nahmen nur 17 Personen wahr, die allerdings deutlich ihre Meinung zur Migrationspolitik äußerten: von Zustimmung über Bedenken bis Ablehnung.
Zahlen, Daten, Fakten zu liefern, "um an den Stammtischen Hintergrundwissen" zu haben, war für Markus Hümpfer der Anlass für den Termin im katholischen Pfarrheim in Euerbach. Sachkenntnis vermittelte der Abgeordnete mit einer Power Point-Präsentation über die Fluchtursachen, Herkunftsländer, Asylverfahren, Abschiebungen oder Leistungen für Asylsuchende. Manches Vorurteil wurde damit zurechtgerückt.
Taschengeld für Geflüchtete künftig nicht mehr in bar
Im Schnitt sind Asylbewerber etwa drei bis vier Monate im Ankerzentrum, sagte Hümpfer, bis sie in andere Unterkünfte weiterverteilt werden. Aktuell sind in der Geldersheimer Einrichtung 1118 Personen. Sie erhalten 117 Euro Taschengeld, das künftig auf Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz nicht mehr in bar, sondern per Bezahlkarte ausgezahlt werden soll. Damit sollen Überweisungen ins Heimatland vermieden werden – als Abschreckung für Ankömmlinge. Was von einigen Besuchern als ein Baustein zur Lösung des Problems gewertet wurde.
Kritik aus der Zuhörerschaft an den vermeintlich zu hohen Leistungen für Asylbewerber, die ein finanzieller Anreiz seien, wehrte Hümpfer mit einem Hinweis auf Frankreich ab. Dort erhalten Geflüchtete mehr Geld pro Monat, allerdings für eine kürzere Dauer. Denn ein Asylverfahren dauert in Deutschland je nach Bundesland zwischen 16 und 32 Monaten.
Allerdings wurde von einem Besucher auch auf Dänemark verwiesen, das – sozialdemokratisch regiert – es geschafft habe, dass weniger Geflüchtete kämen. "Wir in Deutschland können nicht jedes Problem auf der Welt lösen", meinte er.
In Aufnahmelagern die Asylfähigkeit prüfen
Deutschland habe jüngst nicht nur ein Rückführungsverbesserungsgesetz verabschiedet, sondern mit der EU die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) vereinbart, erwiderte Hümpfer. Damit sind nicht nur eine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge sowie Strafzahlungen für Länder, die sich nicht beteiligen, beschlossen. Es sollen auch bereits an den Außengrenzen der EU in Aufnahmelagern die Asylfähigkeit geprüft werden. "Dadurch werden weniger ins Land gelassen", sagte Hümpfer. Allerdings brauche der Aufbau dieser Lager Zeit. "Man weiß aber seit 2016, was los ist", so ein Zuhörer.
Auf verschiedene, aktuell erfolgte Verschärfungen und Beschleunigungen des Asylverfahrens wies der SPD-Abgeordnete hin. Zudem dürfen Geflüchtete nun schon nach sechs statt neun Monaten arbeiten, was eine bessere Integration ermögliche. Mit einigen Ländern wurden Migrationsabkommen unterzeichnet, um Rückführungen zu erleichtern. Denn auch daran scheitern Abschiebungen: Dass die Länder ihre Einwohner nicht zurücknehmen.
Bessere Strukturen für unbegleitete Minderjährige gefordert
Hümpfer nannte 16.430 Abschiebungen im vergangenen Jahr. Auf Nachfrage nach den Ausreisepflichtigen eruierte Holger Schmitt, SPD-Kreisverbandsvorsitzender, die Zahl von 242.000, davon seien 60 Prozent abgelehnte Asylbewerbern. "Das ist ja eine Lachnummer", so der Kommentar des Fragestellers. Die Zahl der "unmittelbar Ausreisepflichtigen" beläuft sich laut Schmitt auf rund 48.700 (Stand Dezember 2023). Das sind Flüchtlinge, deren Asylbescheid abgelehnt ist, die aber aufgrund ihres Status eine Duldung haben.
Angemahnt wurde von der Euerbacherin Birgit Hirt, die sich in der Nachbarschafts- und der Flüchtlingshilfe engagiert, dringend bessere Strukturen für unbegleitete minderjährige Ausländer, die sogenannten UMAS. Die Schulen hier seien extrem überlastet. Er werde das Thema mitnehmen, versprach Hümpfer.
Als sich die Diskussion immer mehr um Fluchtursachen und die Verantwortung Deutschlands drehte, reichte es einem Euerbacher. "Das Thema brennt hier bei uns unter den Nägeln", meinte er. Es gehe doch darum, das eigene Kind ohne Angst zum Einkaufen zum Rewe schicken zu können, auf dem Spielplatz keine sexuelle Belästigung zu erleiden oder den Gartenstuhl über Nacht im Freien stehen lassen zu können.
Hümpfer bestätigt subjektives Empfinden der Unsicherheit
In Euerbach sei viel getan worden, es habe am Rewe ein Treffen mit Polizei, Bürgermeisterin, Supermarktleitung und Anker-Leitung gegeben, entgegnete Hümpfer. Aber es gebe ein subjektives Empfinden der Unsicherheit, gestand er zu. Die Polizei fahre auch vermehrt Streife im Ort.
Laut Polizei seien es aber nur wenige Personen, die die meisten Straftaten verüben, sagte SPD-Ortsvorsitzender Jochen Kraft. Und solche "Problemfälle" würden alle Asylbewerber verunglimpfen, bestätigte der Euerbacher Fragesteller. Was ihm fehle, sei, dass in solchen Fällen nicht durchgegriffen werde.
Markus Hümpfer fing die Diskussion wieder ein. "Man muss immer bedenken: Wir reden hier über Menschen", sagte er. Und Gerichte würden über die Einhaltung der Gesetze wachen. "Gottseidank haben wir eine Gewaltenteilung."
Dass der Abend trotz teils unterschiedlicher Vorstellungen ein gelungener war, bestätigten hinterher alle Besucher.