Lange hat die Feuerwehr Unterspiesheim auf diesen Moment gewartet: Am Freitagabend wird ihr während eines feierlichen Zeremoniells eine Vereinsfahne überreicht werden, pünktlich zur Feier ihres 150-jährigen Bestehens an diesem Wochenende. Der weite Weg zur Fahne verknüpft sich mit einer beachtenswerten Geschichte.
Ob es tatsächlich die erste Vereinsfahne der Wehr ist, das lässt sich rückblickend nicht zweifelsfrei feststellen. So schildern es der Vorsitzende der Feuerwehr, Julian Kiesel, und zweiter Vorsitzender Alexander Bönig im Gespräch mit dieser Redaktion. Was feststeht: Die überlieferte Fahne aus dem Jahr 1924 wird seit fast 70 Jahren nicht mehr verwendet. Das einfach gehaltene Tuch, das Ordensschwestern im Kloster "Maria Schnee" in Lülsfeld zum 50. Geburtstag der Wehr bestickt haben, ist bis heute erhalten.
Um den Verbleib einer möglichen "echten" Vereinsfahne, wie sie im Raum Gerolzhofen Bönig zufolge jede Feuerwehr besitzt, ranken sich in Unterspiesheim zwei unterschiedliche Erzählungen. Welche von beiden stimmt oder ob beide nicht eher Legenden sind, das weiß niemand so genau, meint Bönig.
Am Ende des Kriegs in Flammen aufgegangen?
Die eine Variante reicht in die Zeit des zu Ende gehenden Zweiten Weltkriegs zurück. Die auf Schweinfurt vorrückende US-Armee habe sich, so ist zu hören, im Frühjahr 1945 ein Artillerie-Duell mit einer bei der Unkenmühle bei Schwebheim stationierten Flak-Stellung der Wehrmacht geliefert. Verirrte Granaten hätten mehrere Gebäude in Unterspiesheim in Brand gesetzt. Dabei sei auch die Feuerwehrfahne in Flammen aufgegangen.
Die zweite Variante der Geschichte sieht die Fahne ebenfalls als Opfer eines Brands. Nur habe dieser im Jahr 1948 in der Scheune des damaligen Feuerwehrkommandanten Alois Ebner gewütet. Die Fahne sei dabei zumindest beschädigt, wenn nicht gar vernichtet worden. Jedenfalls verlor sich von da an jede Spur von ihr.
Was beiden Geschichten widerspricht, sind die Geschichtsforschungen von Harald Weber und Eric Dittmann. Sie haben die Geschichte der Unterspiesheimer Wehr intensiv recherchiert. Allerdings fanden sie keinerlei Unterlagen einer möglichen Fahne, weder zum Kauf, noch zur Weihe oder zu einer möglichen Restaurierung. Es ist also gut möglich, dass die Feuerwehr Unterspiesheim tatsächlich noch nie eine offizielle Vereinsfahne hatte.
Finanzielle Bedenken verhindern eine Anschaffung
Anläufe zum Kauf einer Fahne gab's dagegen mehrere, wie Bönig und Kiesel berichten. Beispielsweise sollte zum 125-jährigen Bestehen im Jahr 2001 eine Fahne angeschafft werden. Doch damals, wie schon ein paar Jahre zuvor, verhinderten vor allem finanzielle Bedenken, dass Ideen für eine Fahne umgesetzt wurden. Eine ordentliche, bestickte Fahne kostet immerhin einen Batzen Geld. Das ist heute nicht anders als früher. Der Kostenvoranschlag für die jetzt gekaufte Fahne lag bei 10.000 Euro.
Den nahenden 150. Geburtstag der Unterspiesheimer Wehr nahmen die aktuellen Vorsitzenden zum Anlass, das Thema während der Jahreshauptversammlung in diesem Frühjahr erneut zu platzieren. Dass sich die erst zögerlichen Mitglieder letztlich doch für eine Fahne aussprachen, lag maßgeblich an Ehrenmitglied Georg Seufert.
Dieser erzählte den Anwesenden unter anderem die Geschichte von der angeblich in den letzten Kriegstagen verbrannten Fahne. "Danach herrschte Stille im Raum", erinnert sich Bönig. Die Bedenkenträger waren verstummt.
Georg Seufert: "Das ergreift mich"
Dass Seufert nicht zuletzt wegen seiner Hauruck-Rede auch Pate der neuen Fahne ist, liegt auf der Hand. Der 85-Jährige war von 1964 bis 1972 selbst Kommandant in Unterspiesheim und ist mit der Wehr bis heute eng verwurzelt. Für ihn erfüllt sich mit der Übergabe der Feuerwehrfahne ein Herzenswunsch. "Das ist wie eine Befreiung für mich", sagt er. "Ganz ehrlich, das ergreift mich."
Er hat es selbst erlebt, dass Unterspiesheimer Feuerwehrmänner in den 1970er-Jahren teils schräg angeschaut, bisweilen verspottet wurden, wenn sie bei Festumzügen als einziger Verein ohne Fahne marschierten. Als Verein eine Fahne zu haben, das ist in Seuferts Augen kein Luxus, sondern selbstverständlich. "Eine Fahne in Ehren zu halten, das bringt aber auch Verantwortung mit sich", macht der altgediente Feuerwehrmann klar.
Wie die Fahne ausschaut, weiß bislang nur die fünfköpfige Gruppe, die die Fahne in Auftrag gegeben hat. Die Vorsitzenden verraten nur so viel: Das aufgestickte Motiv verbinde Altes und Neues in gelungener Weise.
Am Freitagabend lüftet sich das Geheimnis
Das Geheimnis lüftet sich, wenn am Freitag während des Festkommers mit geladenen Gästen Vertreter der Patenwehr aus Dingolshausen die Fahne ins Festzelt tragen und diese zur Weihe enthüllt wird. In Oberbayern beispielsweise, sagt Bönig, sei eine Fahnenweihe oft ein groß aufgezogenes Fest, das über Stunden geht und mitunter Tausende Gäste anlockt. Für Unterspiesheim habe man eine abgespeckte, dennoch würdevolle Zeremonie gefunden, mit Ehrenformation, Marschmusik und Treueschwüren.
Gefertigt wurde die Fahne innerhalb von fünf Monaten von der Firma Kössinger aus Schierling bei Regensburg. Sie wird die Unterspiesheimer Wehr fortan zum Volkstrauertag, zu Beerdigungen, zur Fronleichnams-Prozession und bei Festzügen begleiten. Finanziert wird der Kauf überwiegend durch Spenden der Mitglieder, von ein paar Firmen und der Sparkassen-Stiftung sowie der VR-MainBank. Den Rest zahlt der Verein. Die Gemeinde übernahm den Vitrinenschrank zur Aufbewahrung der Fahne.