
Doris Thoms sitzt in der Bahnhofsmission Schweinfurt und badet ihre Füße in einer Wanne mit Wasser und pflegendem Zusatz; gleich bekommt sie eine Pediküre. Einen frischen Haarschnitt hat sie auch schon. "Mittlerweile erinnert sich die Friseurin schon an meinen Wunsch, ein Muster auf den Hinterkopf zu rasieren", sagt Thoms und lacht. Normalerweise kann sie sich solchen Luxus nicht leisten – einmal im Jahr macht es ihr der Beauty Day der Bahnhofsmission jedoch möglich.
Am Montag, 10. Juli, verhalf die Aktion zum siebten Mal Menschen, die wie Thoms aufs Geld achten müssen, zu einem kostenlosen Besuch bei einer Friseurin, Nagelkosmetikerin und Fußpflegerin. Von 10 bis 14 Uhr wurden am Gleis eins des Schweinfurter Hauptbahnhofs Haare geschnitten, Fingernägel lackiert und Fußnägel gefeilt. Während sich die einen verwöhnen ließen, vertrieben sich die anderen die Wartezeit mit Kaffee, Kuchen, Obst und einem Glücksrad mit kleinen Gewinnen. Die Stimmung war fröhlich und ausgelassen.
Ins Leben gerufen wurde der Tag vom ehrenamtlichen Team der Bahnhofsmission. Die Leiterin Susanne Brand erklärt: "Wir überlegen uns immer wieder Aktionen, um unseren Gästen etwas Gutes zu tun. Der Beauty Day kam beim ersten Mal so gut an, dass wir beschlossen, ihn regelmäßig anzubieten." Manchmal hätten die Menschen sogar schon vor 10 Uhr dafür angestanden. Laut Brand liege das aber nicht nur an dem kostenlosen Angebot.
Die Menschen erzählen von Altersarmut, Schicksalsschlägen oder Erkrankungen
"Hier haben die Menschen die Möglichkeit auf Gemeinschaft: Sie können gemütlich zusammensitzen, sich austauschen und neue Bekanntschaften machen. Der Beauty Day ist ein absolutes Highlight im Jahr und wie eine Art Sommerfest für uns alle", so Brand. Vor allem aber würden die Menschen hier gesehen und wertgeschätzt, was für viele nicht immer selbstverständlich sei.
Eine Dame, die anonym bleiben möchte, erzählt zum Beispiel von den geringschätzigen Blicken, die sie von fremden Menschen bekäme, wenn sie mit dem Bus von der Tafel nach Hause fahre. Oder wie sie manchmal beschuldigt würde, auf Kosten des Staates zu leben und faul zu sein. Dabei könne sie aufgrund einer schweren Erkrankung nicht mehr arbeiten. "Hinter jedem Mensch ist ein Schicksal und wenn es ihm schlecht geht, sollte man nicht noch nach ihm treten", fordert sie.
Auch andere Besucherinnen und Besucher erzählen von negativen Erfahrungen, manchmal sogar im eigenen sozialen Umfeld. Viele von ihnen haben mit Schicksalsschlägen oder schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen oder sind von Altersarmut betroffen.

So ergehe es beispielsweise einer 68-Jährigen, die ebenfalls anonym bleiben möchte. Sie hätte ihr Leben lang gearbeitet, trotzdem reiche ihre kleine Rente häufig nicht aus, um alle Kosten zu decken – erst recht nicht bei der aktuellen Inflation. Deshalb freue sie sich sehr über den kostenlosen Beauty Day aber auch den Anschluss zu anderen Betroffenen, den sie dort finde: "Ich habe nette Bekanntschaften gemacht, mit denen ich auch mal persönliche Gespräche führen kann."
Das ehrenamtliche Team möchte den Menschen helfen und ihnen etwas Gutes tun
Viele dieser Geschichten berührten Carina Hirsch aus dem Schweinfurter Friseursalon "Magic of Hair" sehr: "Ich bin in keinem Jahr mit trockenen Augen heimgegangen", berichtet die Friseurmeisterin, die mittlerweile viele der Besucherinnen und Besucher kennt. Sie ist seit dem ersten Beauty Day dabei und bezeichnet ihr Mitwirken als Ehrensache. "Ich freue mich, jemandem mit einem neuen Haarschnitt Licht ins Leben hauchen zu können."
Auch die Kosmetikerin Annett Schraud aus dem Wernecker Salon "Belami Beauty" beschäftigen die Schicksale dieser Menschen: "Es macht mich traurig, dass sich Rentner, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, heutzutage so etwas nicht mehr leisten können", sagt sie und schüttelt den Kopf. Um diesen Menschen etwas Gutes zu tun, arbeitet sie seit sechs Jahren ehrenamtlich auf dem Beauty Day.
Zum ersten Mal dabei ist Katharina Silvestro, die in Hambach eine Praxis für medizinische Fußpflege hat. Von der Aktion sei sie so begeistert, dass sie nächstes Mal wieder dabei sein möchte: "So trage ich meinen Teil dazu bei, Menschen zu helfen, die sich nicht viel leisten können. Man bricht sich schließlich nichts ab, wenn man mal ein paar Tage im Jahr ehrenamtlich arbeitet", erklärt sie und widmet sich anschließend Doris Thoms.

Als sie ihr die Füße abtrocknen will, muss Thoms lachen – sie sei kitzelig. Dann erzählt Thoms, dass sie jedes Jahr komme und den Menschen sehr dankbar sei, die solch eine Aktion mit ihrem ehrenamtlichen Engagement möglich machten.
Für sie sei der Beauty Day wie für viele der Besucherinnen und Besucher weit mehr als nur ein kostenloses Angebot für eine Kosmetikbehandlung: vielmehr ein Ort der Gemeinschaft, an dem ausnahmslos jeder Mensch willkommen ist und wertgeschätzt wird.