Altes erhalten, wenn es möglich ist: Das ist nachhaltig. Dieser Gedanke passt zum neuen "Weltkind"-Unverpackt-Laden in Werneck, der in einem sanierten Sandsteinhaus aus dem 19. Jahrhundert beheimatet ist. Das Geschäftshaus für Bio-Lebensmittel, mit einem vegetarisch-veganen Bistro und einem Second Hand-Laden strahlt nicht nur die Würde des Alters aus, sondern auch die Idee der Umweltschonung. Am "Tag der Innenentwicklung" im Oberen Werntal, am 24. und 25. September, ist das Gebäude zu besichtigen.
Die Sandsteinfassade des sogenannten Feige-Hauses in der Julius-Echter-Straße 11 sieht prächtig aus. "Da musste nur der alte Mörtel in den Fugen entfernt und die Steine neu verfugt werden", sagt Hausbesitzer Christian Leben. "Die Fassade an sich ist vom Feinsten".
Ein "Schwesternhaus" zum Gebäude am Anfang der Straße
Das Haus von 1885 ist ein "Schwesternhaus" zum Gebäude am Anfang der Straße mit der Hausnummer 1. Auch das hat Leber vor Jahren saniert, sein Vermessungsbüro dort eingerichtet, ein Blumengeschäft ins Erdgeschoss geholt und eine kleine Veranstaltungsscheune kreiert. "Das war der gleiche Baumeister", hat der Fachmann herausgefunden, "wegen der identischen Baufehler", etwa bei der Statik.
Der in Werneck und Umgebung bekannte Fotograf Rudi Feige hatte in dem jetzt sanierten Haus einst sein Fotostudio und im Obergeschoss seine Wohnung. Nach seinem Tod verkauften die Erben das Gebäude an die Gemeinde. Diese wollte es für eine bessere Abbiegesituation aus der und in die Rudolf-Diesel-Straße abreißen lassen. Aber die damalige Bürgermeisterin Edeltraud Baumgartl ging auf Leber zu. "‘Es wäre eigentlich schade um das schöne Gebäude‘, hatte sie gemeint", so Leber. Zudem war das leer stehende Haus als "ortsbildprägend" eingestuft.
Mit der "Weltkind"-Genossenschaft als Mieter wurde er sich einig
Noch ohne Verwendungszweck kaufte Leber das Gebäude. Ein Freund machte ihn auf die Initiatoren des geplanten Unverpackt-Ladens aufmerksam, die für den Verkauf von Bio-Lebensmitteln ohne Müll ein Domizil suchten. Mit der neu gegründeten "Weltkind"-Genossenschaft als Mieter wurde er sich einig. "Das war auch im Geiste von Rudi Feige", erklärt Leber, ein Naturmensch, der den ökologischen Gedanken lebte. Daher auch der Gebäude-Name "Feige-Haus".
Gemeinsam mit der Genossenschaft sanierte Christian Leber das Haus, damit klar war, wo was gebraucht wurde. "Es ging alles Hand in Hand", bestätigt "Weltkind"-Vorstand Maria Oestreicher. "Es ist ein Vertrauensverhältnis untereinander. Und unsere Handwerkertruppe wusste, was nötig war, beispielsweise wo der Lastenaufzug hin sollte". Für diesen musste ein Durchbruch in den Keller geschaffen werden, um die größeren Lebensmittel-Gebinde wie Kisten und Säcke, die die Bio-Landwirte aus der Region anliefern, in den Unverpackt-Laden zu befördern. Denn die Kellertreppe ist sehr steil, sollte aber erhalten werden.
Wie überhaupt so viel wie möglich in dem alten Haus gerettet wurde: Holzfußböden, Bodenfliesen, Innentüren, Treppen. "Wegen der Lebensmittelkontrolle musste aber im Erdgeschoss im Laden, im Bistro und in der Küche neuer Boden verlegt werden", nennt Leber eine Notwendigkeit zur Änderung. Die neuen Fenster wurden nach historischem Vorbild eingebaut. Auch die gesamten Versorgungsleitungen mussten erneuert werden. Über zwei Gasthermen, im Keller und im Dach, wird das Gebäude beheizt.
Etliche Zwischenwände wurden im Erdgeschoss heraus genommen. Entstanden sind auf etwa 150 Quadratmetern ein großer Unverpackt-Laden, eine Kinderspielecke, eine Küche, ein Bistro mit Außenterrasse und eine Toilette. In dieser spiegelt sich die Bauzeit des Hauses wider: Sichtbar sind die Bruchsteine der früheren Außenwand, denn das Gebäude erhielt in den 1970ern einen Anbau, das heutige Bistro.
Eine Dachterrasse soll noch folgen
Dessen Dach war marode und wurde durch ein Flachdach ersetzt. Oben drauf soll noch eine Dachterrasse entstehen. Denn das 150 Quadratmeter große Obergeschoss birgt nicht nur drei originelle Räume für werthaltige Second-Hand-Kleidung für Frauen, Männer und Kinder sowie das Büro. Hier ist auch eine Art Wintergarten entstanden, ein separater, lichtdurchfluteter Behandlungsraum, den Daniela Seemann für ihre Reiki-Therapie als Untermieterin der Genossenschaft nutzt.
Zur besonderen Atmosphäre des Hauses passen die alten oder aufgearbeiteten sowie selbst gebauten Möbel: vom früheren Küchenschrank als Verkaufstheke bis zur Bank mit selbst genähten Kissen aus Sackleinen. Für die Aufhängung der Second-Hand-Kleider konstruierten einige "Weltkind"-Genossen aus alten Balken und Wasserrohren ein originelles System mit viel Charme. Ergänzt wird der einladende Raum mit Kronleuchter und gemütlicher Sitzecke.
Das Dachgeschoss, das derzeit als Lager und Besprechungsraum genutzt wird, könnte auch als Wohnung vermietet werden; die Leitungen dafür sind gelegt.
Auf etwa 350.000 Euro Gesamtinvestition beziffert Christian Leber sein Engagement für das Gebäude. Hinzu kommen die hohe Eigenleistung sowie die Kosten der "Weltkind"-Genossenschaft, etwa für Kücheneinbauten, für Möbel und Interieur. Verwirklicht ist in diesem Innenentwicklungsprojekt vor allem die Gemeinschaftsidee: "Dass das zusammen funktioniert", wie Leber sagt.