"Ich werde verfolgt, ich fahre gerade von Gerolzhofen Richtung Schweinfurt und werde von sieben Rockern angegriffen. Die bremsen mich aus, ich werde gerade von denen eingekesselt." Die Szene, in der der Mercedes-Fahrer seine Panik via Freisprechanlage an die Schweinfurter Polizei meldet, während Front- und Rückkamera in seinem Wagen das Geschehen draußen dokumentieren, wird im Gerichtssaal Nummer 7 im Schweinfurter Justizgebäude gezeigt.
Sechs Angeklagte eines Schweinfurter Motorradclubs und deren Verteidiger, der Staatsanwalt und einige Zuschauer verfolgen die Filmaufnahmen aus dem Auto des Mannes, den die "Rocker" am 1. Mai 2021 auf der B286 zwischen Gerolzhofen und Schweinfurt anhalten und laut Anklage "maßregeln" wollen. Vorausgegangen war ein Fahrfehler des Autofahrers, der einen der überholenden Biker übersehen und beinahe in den Gegenverkehr gedrängt hatte.
Nach dem ersten Herunterbremsen des Autofahrers bis zum Stillstand steigen zwei der Motorradfahrer ab und gehen auf den Autofahrer zu. Der gibt Gas, rammt die Maschinen der beiden, sodass sie zur Seite fallen und versucht zu flüchten. Die "Rocker" holen ihn ein, bremsen ihn erneut aus, einige fahren wieder vor ihm, sie umzingeln sein Fahrzeug regelrecht. Der Mercedes-Fahrer wird immer panischer, versucht der Polizistin am Telefon zu beschreiben wo er gerade fährt – am Ende kreuz und quer im Schweinfurter Hafengebiet – und fleht um Hilfe durch Polizeistreifen.
Polizei findet den verängstigten Fahrer in seinem Auto
An einer Kreuzung treten zwei der Mitglieder des Clubs wieder den Kofferraum des Wagens, der linke Außenspiegel war vorher beschädigt worden. Der bedrängte Autofahrer fährt in seiner Not bei Rotlicht über zwei Kreuzungen, nicht ohne vorher im Telefonat mit der Polizistin zu fragen, ob er das jetzt darf. Dann endlich, etwa eine Viertelstunde nach dem ersten Ausbremsen, sieht man auf dem Video im Gerichtssaal den Mercedes-Fahrer anhalten. Die Biker fahren davon, als die Polizisten im Streifenwagen zu sehen sind und den verängstigten Mann in seinem Auto finden.
Schöner als durch die Videokameras des schwer genötigten Autofahrers lässt sich ein so ausgedehntes, dynamisches Geschehen in all seiner Dramatik und den Einzelheiten kaum dokumentieren. Die Verteidiger der Angeklagten suchen im Vorfeld ein sogenanntes "Rechtsgespräch" mit Richter und Staatsanwalt, um über den Rahmen der Sanktionen im Falle eines umfassenden Geständnisses zu verhandeln. So kommt denn auch ein "Deal" zustande: Geldstrafen zwischen 60 und maximal 120 Tagessätzen und Fahrverbot zwischen einem und maximal drei Monaten. Gegen vorher ergangene Strafbefehle hatten alle Angeklagten Einspruch eingelegt.
Amtsrichter verurteilt Rocker
Dank der Verständigung und der wohl durch die Bordkamera-Aufnahmen geförderten Geständnisse wird dem geschädigten Autofahrer und dem Polizeizeugen ein Auftritt vor Gericht erspart. "Man kann das Ganze als fortdauernde Nötigung sehen", sagt der Oberstaatsanwalt. "Die Führerscheine wären weg", läge der Vorgang nicht schon drei Jahre zurück. "So bleibt es im Bereich von Fahrverboten." Er fordert in zwei Fällen Geldstrafen von 70 Tagessätzen und für vier Angeklagte jeweils 120 Tagessätze, sowie zwei beziehungsweise drei Monate Fahrverbot. Die Verteidiger halten durch die Bank 60 Tagessätze und einen Monat Fahrverbot für ausreichend.
Der Amtsrichter verurteilt die "Rocker", je nach Tatbeitrag und individuellem Einkommen, zu Geldstrafen zwischen 1275 und 4200 Euro, sowie einem beziehungsweise zwei Monaten Fahrverbot. Gegen das Urteil sind Rechtsmittel möglich.
Was für ein Armutszeugnis für die Justiz!
Natürlich müssen den Tätern die Führerscheine entzogen werden….