Normalerweise stellt der Kunstverein im Kunstsalong keine Kunst bereits verstorbenen Künstler aus. Mit Johann Nußbächer macht er eine Ausnahme, die der Vorsitzende Stefan Muffert bei der Vernissage gut begründete. Kurz nach Nußbächers Tod erschien ein großer Artikel dieser Redaktion, in dem das Leben des Malers und Grafikers ausführlich beschrieben wurde. 40 Jahre hat er in der alten Schule von Lengfurt gelebt und gearbeitet. Dabei schuf er sich einen eigenen künstlerischen Kosmos. Die beiden Schwestern, Kerstin Nußbächer und Lena Treugut, räumten die inzwischen verkaufte Schule. Inventarisierten die Kunstwerke und brachten sie in ein Depot in der Nähe von München.
Der Kunstverein war nach Erscheinen des Artikels sofort Feuer und Flamme. Da fügte es sich, dass der neue Chef des Museums Otto Schäfer, Jan Soldin, aus Lengfurt stammt. So wurde die Idee einer Doppelausstellung geboren: Gemälde im Kunstsalong in der Kunsthalle, das großartige Druckwerk Nußbächers im MOS.
Gemäldeausstellung hat den Titel "Reale Fiction"
Die Gemäldeausstellung hat den Titel "Reale Fiction". Eigentlich ein Widerspruch in sich selbst. Für Muffert nicht. Es ist nicht eindeutig, was Nußbächer in seinen abstrakten Gemälden zeigt. Es lässt sich der Blick ins All oder auf die Erde von ganz weit weg oder auf eine Gletscherlandschaft erahnen. Der Betrachter muss sich auf diese Bilder, die sich durch eine besondere, rätselhafte Technik auszeichnen, einlassen, sie selbst für sich entschlüsseln.
Schon beim Eintritt stellt sich ein Aha-Erlebnis ein. Im Anschluss an drei Großformate folgt ein Tableau mit 75 Kleinformaten. Direkt gegenüber ist ein anderer Nußbächer zu sehen. Die Sammlung besteht aus unzähligen Fundstücken, Stoffen, Holz- und Metallgenständen.
Nußbächer hat nicht Kunst, sondern Grafik studiert und gleich im Anschluss die Leitung dieses Bereichs an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt erhalten. Er hat eine eigene Druckwerkstatt eingerichtet. Stark gefragt war seine Sommerakademie in Homburg und Triefenstein.
Eine Riesenanzahl von Grafikschränken gesichtet
Für die Ausstellung im MOS hat Soldin eine Riesenanzahl von Grafikschränken gesichtet und sich dann weitgehend für kräftige Schwarztöne, aber auch ein sattes Rot (Serie Saskatchewan) entschieden. Mit "Glaube, Hoffnung, Liebe" ist ein anderer Zyklus überschrieben. Dazu gesellen sich einige Unikate. Nußbächer hat die unterschiedlichen Techniken angewandt und die Grenzen der einzelnen Druckverfahren ausgelotet. "Seine Radierung bietet einen schier unendlichen Kosmos an gestalterischen Möglichkeiten, seriellen und individuellen Ideen in Kombination von Alt und Neu. Und dies macht die Handdruckverfahren spannend – gerade im Zeitalter der digital begünstigen Druck-Flut", so Soldin.
Weitere Infos unter johann-nussbaecher-kunstarchiv.de