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Schweinfurt
Ausbildungsmarkt in der Region Schweinfurt: Firmen suchen händeringend Nachwuchs
Einst bewarben sich Jugendliche um einen Ausbildungsplatz, heute umwerben Betriebe die Schulabgänger. Wie die Agentur für Arbeit mit dieser Entwicklung umgeht.
Nicht nur in den Bauberufen sieht es düster aus, wenn es um die Besetzung der Ausbildungsstellen geht. In den meisten Handwerksberufen gibt es mehr freie Stellen als junge Leute, die sich darum bewerben.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa | Nicht nur in den Bauberufen sieht es düster aus, wenn es um die Besetzung der Ausbildungsstellen geht. In den meisten Handwerksberufen gibt es mehr freie Stellen als junge Leute, die sich darum bewerben.
Helmut Glauch
Helmut Glauch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:57 Uhr

Thomas Stelzer, Leiter der Arbeitsagentur Schweinfurt, skizziert die Situation auf dem Ausbildungsmarkt für Stadt und Landkreis Schweinfurt für die Jahre 2021/22 so: "Auch wenn die Welt global gesehen unsicherer geworden ist, suchen die regionalen Betriebe händeringend nach Auszubildenden". Der Mangel an Bewerbenden sei mittlerweile in beinahe allen Branchen angekommen und zum Problem geworden.

Gemeinsam mit Thomas Schlereth, Teamleiter für die Berufsberatung an der Schweinfurter Arbeitsagentur, stellte Thomas Stelzer die regionale Jahresbilanz zur Situation auf dem Ausbildungsmarkt vor. Und auf diesem Markt können Jugendliche aktuell wählerisch sein, wenn sie sich für eine Ausbildung entscheiden. "Rein statistisch standen für einen Jugendlichen 1,8 Ausbildungsstellen zur Verfügung, viele blieben unbesetzt", so Stelzer.

Warum viele Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben

Eine Situation, die sich in den vergangenen 20 Jahren zugunsten der jungen Leute gedreht hat. So waren der Arbeitsagentur zuletzt in Stadt und Landkreis Schweinfurt 1671 Ausbildungsstellen gemeldet, denen 928 Bewerbende entgegenstanden, mehr als 750 Stellen blieben unbesetzt. Vor zehn Jahren hielten sich die Zahlen mit je rund 1500 freien Stellen und Bewerbenden noch ungefähr die Waage. 2004 bewarben sich noch 2186 junge Menschen um einen der seinerzeit 1322 Ausbildungsstellen.    

Thomas Schlereth (links), Teamleiter für den Bereich Berufsberatung, und Thomas Stelzer, Leiter der Arbeitsagentur Schweinfurt, stellten die Situation auf dem Ausbildungsmarkt in Schweinfurt und dem Landkreis vor.
Foto: Helmut Glauch | Thomas Schlereth (links), Teamleiter für den Bereich Berufsberatung, und Thomas Stelzer, Leiter der Arbeitsagentur Schweinfurt, stellten die Situation auf dem Ausbildungsmarkt in Schweinfurt und dem Landkreis vor.
Uns darf kein einziger Jugendlicher verloren gehen
Thomas Stelzer über die Bemühungen der Agentur für Arbeit, maßgeschneiderte Unterstützung bei der Berufswahl anzubieten

Der Wandel vom Stellen- zum Bewerbermarkt ist vollzogen, denn nun sind die Bewerber diejenigen, die umworben werden. "Uns darf kein einziger Jugendlicher verloren geht", betont deshalb Stelzer. Dafür, dass dies nicht der Fall ist, tue die Arbeitsagentur einiges, gehe nicht nur an die Schulen, sondern bis in die Einzelförderung hinein, um jungen Menschen bei der beruflichen Orientierung behilflich zu sein.

Neben Ausbildungsförderung und Übergangsmaßnahmen, die den Schritt ins Berufsleben erleichtern sollen, nannte er das von der Schweinfurter Agentur für Arbeit ins Leben gerufene "Berufsorientierungsnetzwerk an Mittelschulen". Ein "Leuchtturmprojekt in Bayern", für das aktuell im ganzen Agenturbezirk (neben Schweinfurt Stadt und Land die Landkreise Haßberge, Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld) 757 Plätze zur Verfügung stehen.   

Und solche Hilfestellungen seien immer häufiger nötig, denn die Verunsicherung, die viele Menschen angesichts der Probleme der Zeit erfasst hat, mache sich auch bei Jugendlichen bemerkbar. "Viele Jugendliche sind in ihrer Berufswahl sehr verunsichert", so Stelzer. So entschließen sich 19 Prozent aller, die eine betriebliche Ausbildung anvisierten, dann doch zum Verbleib im Schulischen, wiederholen die Klasse oder wechselten auf eine weiterführende Schule. Andere gehen in die Berufsvorbereitung, oder beginnen ohne Ausbildung zu arbeiten.

65 Prozent der jährlichen Bewerber, im Bundesvergleich ist dies ein hoher Wert, beginnen in der Region tatsächlich eine Ausbildung. Auch die Tatsache, dass während der Pandemie über einen längeren Zeitraum keine Betriebs-Praktika möglich waren, schlage jetzt durch, denn häufig sei so ein Praktikum der Fuß in der Tür zur Berufswahl.

"Obwohl das Job-Angebot größer geworden ist, ist der Zugang zum Berufsleben für junge Menschen schwieriger geworden", fasst Stelzer die Situation zusammen. Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen, habe nach der Pandemie-Delle wieder das Vor-Corona-Niveau von 2019 erreicht, so die Arbeitsagentur. Verschärfend komme hinzu, dass manche Bereiche, wie die Gastronomie, nicht nur Fachkräftebedarf, sondern regelrecht Nachholbedarf habe, weil während der Pandemie viele in andere Branchen abwanderten.

Zahl der Schulabgänger verringert sich von Jahr zu Jahr

Erschwerend kommt hinzu, dass sich rein demografisch gesehen die Zahl der Abgänger über alle Schularten hinweg pro Jahr um etwa fünf Prozent verringert, was den Wettbewerb um diejenigen, die sich nicht für ein Studium, sondern für eine Ausbildung entscheiden, weiter verschärft. Dennoch raten Stelzer und Schlereth jungen Menschen, sich nicht auf einen Wunschberuf zu fixieren. Flexibilität erhöhe insbesondere für schwächere Bewerber die Chance auf eine Ausbildungsstelle.

Nicht nur der Markt gibt schwächeren Bewerbenden bessere Chancen, auch die Agentur für Arbeit unterstützt bei Problemen in der Ausbildung mit assistierenden Maßnahmen. Dennoch blieben schon aufgrund der sich vergrößernden Lücke zwischen Bewerbenden und Ausbildungsangeboten viele Stellen unbesetzt. Besonders groß sind die Azubi-Engpässe im Einzelhandel, im Verkauf, im Lebensmittelbereich, aber auch im Hoch- und Tiefbau. Im Bereich "Verkauf von Lebensmitteln" zum Beispiel war die Zahl der offenen Ausbildungsstellen gut 25 mal höher als die Zahl der jungen Menschen, die sich für so einen Beruf bewarben.

Nur noch in wenigen Berufen gibt es einen mehr oder weniger deutlichen Bewerberüberhang. Das gilt etwa für die Bereiche Verwaltung oder Softwareentwicklung und Programmierung. Auch Gartenbau, chemische Berufe und Holzbearbeitung sind offenbar im Trend, verzeichnen mehr Bewerbende als Ausbildungsstellen. "Viele junge Leute streben nach wie vor eine Ausbildung im Bereich Informatik oder im Büro an, obwohl hier die Chancen ungleich schlechter sind, als etwa im Einzel- oder Großhandel."

Warum viele Berufe heute viel angenehmer sind als ihr Image von gestern

Wichtig sei nun, das Image von Berufen wie etwa im Bau- und Ausbaubereich, in dem besonders schwer Nachwuchs zu finden ist, ins Hier und Jetzt zu holen. "Die meisten dieser Berufe sind bei weitem nicht mehr so körperlich anstrengend wie früher, weil es inzwischen viele Hilfsmittel gibt", so Thomas Schlereth. Auch die Aufstiegs- und Karrierechancen seien heute in solchen Berufen deutlich besser, ergänzt Thomas Stelzer. Eine Ausbildung sei heute auch eine gute Alternative zum Studium, denn immer öfter könne auch die Vergütung mit der von akademischen Berufen mithalten.   

 
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  • K. M.
    Was hat der Staat in den Zusammenhang, Personalmangel,mit der Einführung des lukrativen Bürgergeld vor?
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  • M. S.
    Der aktuelle Mangel an Auszubildenden ist ein Brett, an dem unsere Politiker seit dem PISA-Schock erfolgreich gebohrt haben. Als im Jahr 2000 Deutschland bei PISA schlecht abschnitt entschieden unsere Herrn Politiker damals, dass in Deutschland deutlich mehr Schulabgänger als bisher studieren müssen. Also stellten sie seitdem entsprechend die Weichen, und das mit Erfolg.

    Natürlich war dies nur auf Kosten der Ausbildungsberufe möglich. Die Politiker ernten also nun die erfolgreichten Früchte ihrer Suppe, die sie sich selbst damals eingebrockt haben.
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    Würden unsere Politiker seit vielen Jahren die Integration der Flüchtlinge nicht verschnarchen, hätten diese eine Ausbildung und müssten sich nicht mit dem beischaffen von Bierdosen beschäftigen. Auch in den Schulen ist die Vorbereitung auf das Berufsleben meiner Meinung nach nicht optimal. Es muss endlich begriffen werden, dass nicht alle Studierten ihren Traumberuf mit viel Kohle bekommen und ein Handwerksberuf wichtiger denn je ist, oft sogar besser bezahlt wird.
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