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Schweinfurt
Ankerzentrum Schweinfurt: Wenn aus Notwehr ein Gegenangriff wird
Nach einer Massenschlägerei Mitte Oktober 2022 in der Unterkunft für Asylbewerber: Als erste standen nun die "Angegriffenen" vor Gericht.
Im Ankerzentrum für Geflüchtete bei Geldersheim (Archivfoto) kam es im Oktober 2022 zu einer Massenschlägerei mit mehreren Verletzten. Jetzt gab es die ersten Gerichtsurteile.
Foto: Silvia Gralla | Im Ankerzentrum für Geflüchtete bei Geldersheim (Archivfoto) kam es im Oktober 2022 zu einer Massenschlägerei mit mehreren Verletzten. Jetzt gab es die ersten Gerichtsurteile.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 10.02.2024 19:35 Uhr

Polizeikräfte aus ganz Unterfranken und einige aus Oberfranken, 33 Rettungsdienste, fünf Notärzte, zwei Feuerwehrautos: Riesenaufmarsch am Ankerzentrum bei Geldersheim (Lkr. Schweinfurt) Mitte Oktober 2022. Gegen 22.30 Uhr waren im Flur des Gebäudes 28 A fünf Asylbewerber aus Algerien ohne Vorwarnung mit Messern und Stöcken auf einen 23-jährigen Afghanen losgegangen, der sich gerade ein Getränk besorgt hatte. Einer der Angreifer versetzte dem Mann fünf Messerstiche in den Oberschenkel, Rücken und Brustbereich. Auf die Schreie des Opfers kamen ihm rasch mehrere Landleute zu Hilfe, drängten die Algerier zurück – und gingen dann ihrerseits zur Attacke über.

Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen weitete sich noch aus. Am Ende waren gut 30 Personen an der Massenschlägerei beteiligt, zwei landeten im Krankenhaus. Die Polizei bildete eine Ermittlungskommission, 17 Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet, gegen neun Beteiligte Untersuchungshaft angeordnet. Vier von ihnen – allesamt afghanische Staatsbürger – wurden nun aus Gefängnissen in Bamberg, Nürnberg, Aschaffenburg und Hof nach Schweinfurt in den Gerichtssaal gebracht, wo sie sich vor dem Schöffengericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu verantworten hatten.

Angeklagte gestehen

Der Staatsanwalt warf ihnen nicht vor, dass sie ihrem 23-jährigen Landsmann zu Hilfe geeilt waren, als dieser nach der Attacke durch fünf Algerier um Hilfe schrie und dabei körperliche Gewalt gegen die Angreifer anwendeten. Das – so sagte es später auch der Vorsitzende Richter – sei natürlich als Notwehr gerechtfertigt. Die Videoaufnahmen vom Flur des Gebäudes und vor diesem zeigten aber, dass sie anschließend zur Gegenattacke übergingen und etwa auf den Messerstecher noch einschlugen und traten, als dieser schon am Boden lag. Daran waren die vier Angeklagten im Alter zwischen 21 und 32 Jahren in unterschiedlichem Maß beteiligt.

Die Angeklagten, seit fünf Monaten in U-Haft, machten allesamt Angaben, räumten die Taten ein und entschuldigten sich. Ihre Anwälte betonten, dass die Gewalt eindeutig von der Gegenseite ausgegangen sei. Videosequenzen zeigten aber  auch Szenen, in denen die Verteidiger die Oberhand gewannen und nun auf die Algerier losgingen.

Haftstrafen auf Bewährung

Der Staatsanwalt sah die Anklage als erwiesen an und forderte Haftstrafen zwischen zwei Jahren und vier Monaten und dreieinhalb Jahren – keine davon im bewährungsfähigen Bereich. Die Verteidiger hielten das für völlig überzogen. Ihre Forderung jeweils: höchstens ein Jahr auf Bewährung und Aufhebung der Haftbefehle.

Das Gericht verurteilte drei Angeklagte zu eineinhalb Jahren und den vierten, der bei der Auseinandersetzung fast unbeteiligt war, zu neun Monaten Haft – jeweils auf Bewährung. Die gab es, weil der Angriff, für den offenbar kein Motiv zu ermitteln war, "von den anderen kam", so der Vorsitzende. Die Haftbefehle wurden aufgehoben. Und: Nachdem die Angeklagten wie der Staatsanwalt auf Rechtsmittel verzichteten, kamen die vier Männer auf freien Fuß.

Die algerischen "Angreifer" bei dieser Massenkeilerei standen noch nicht vor Gericht. Ihr Prozess soll im April folgen.

 
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