Aus der SPD kommt Kritik an den sogenannten Ankerzentren. Nach einem Besuch der Einrichtung in Schweinfurt spricht die Europaabgeordnete Kerstin Westphal von „konzeptionellen Schwächen“. Die Probleme, die es in Schweinfurt gab, als die Einrichtung noch Erstaufnahmeeinrichtung hieß, seien nach wie vor nicht gelöst, so Westphal. „Die Idee der Ankerzentren war, dass es schnellere Entscheidungen zum Status der Geflüchteten geben sollte. Das ist hier überhaupt nicht der Fall.“
Lob für die Helfer, Kritik an Seehofer
Ähnlich sieht es Michael Roth, SPD-Staatsminister im Auswärtigen Amt, der Westphal begleitete. Da es vonseiten des Bundesinnenministeriums noch kein Konzept für die Ankerzentren – auf deren Einrichtung sich Union und SPD im Koalitionsvertrag geeinigt hatten – gebe, wollte er sich ein Bild machen und sehen, was ein Ankerzentrum von einer Erstaufnahme unterscheidet. Sein Fazit: „Auf dem Weg zu schnelleren, unbürokratischen, rechtsstaatlichen Verfahrensstandards gibt es noch sehr viel zu tun.“ In seiner jetzigen Form könne er das Modell anderen Bundesländern nicht zur Nachahmung empfehlen. Innenminister Horst Seehofer (CSU) müsse nachbessern.
Nach einer kurzen Führung durch die Schweinfurter Einrichtung hatte die Leitung die SPD-Politiker zum Gespräch geladen. „Diakonie, Rotes Kreuz und die vielen ehrenamtlichen Helfer machen hier einen prima Job“, lobt Westphal. „Die Bewohner werden hier zwar ausreichend versorgt, ein Ort für einen längeren Aufenthalt ist das aber trotzdem nicht.“ Derzeit leben rund 780 Menschen in den ehemaligen Ledward-Kasernen. Die Einrichtung ist für 1500 Flüchtlinge ausgelegt.
Westphal durfte erst im zweiten Anlauf ins Ankerzentrum
Für zusätzlichen Ärger sorgte bei der SPD, dass der geplante Besuch des Ankerzentrums von der Regierung von Unterfranken zunächst abgelehnt worden war. Auf Nachfrage beruft sich die Regierung auf die in Bayern geltenden Verwaltungsvorschriften. Demnach seien Abgeordneten Behördenbesuche zwar zu ermöglichen. „Allerdings sollte vier Wochen vor Wahlen – um Konfliktsituationen zu vermeiden – auf Abgeordnetenbesuche verzichtet werden.“ Daher habe man Westphal „ausdrücklich angeboten, ihren Besuch auf einen Zeitpunkt nach der Landtagswahl zu verlegen“.
Als sich Westphal beim bayerischen Innenministerium beschwerte, wurde der Besuch genehmigt – unter Auflagen: Pressevertreter, Landtagsabgeordnete und aktuelle Kandidaten durften sie nicht begleiten. Westphal war unterdessen laut Regierung von Unterfranken die erste Abgeordnete, die die Einrichtung seit der Inbetriebnahme als Ankerzentrum besuchen wollte. In den Jahren 2015 und 2016 hatten mehrere SPD-Politiker sowie die Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber mit Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé (beide CSU) die damalige Erstaufnahmeeinrichtung besucht.