Es gibt gute Nachrichten vom Nordturm des Steigerwalddoms in Gerolzhofen: Auch in diesem Jahr hat dort ein Wanderfalken-Paar im Nistkasten an der Ostseite des Turms gebrütet. Die seltenen und geschützten Greifvögel konnten ein Jungtier aufziehen.
Aufmerksamen Beobachtern wird es zu Beginn des Frühjahrs schon aufgefallen sein: Es gab wieder deutlich weniger Stadttauben auf den Dächern rund um den Marktplatz. Nachdem in den Wintermonaten die Anzahl der Tauben stetig zugenommen hatte, waren ab März plötzlich die meisten Tauben wieder verschwunden – ein deutliches Zeichen, dass wieder Wanderfalken in der Stadt sind. Denn Tauben stehen auf dem Speiseplan dieser Greifvögel ganz oben.
Zu den Beobachtern des "Luftverkehrs" in der Gerolzhöfer Altstadt zählen Christine und Jürgen Fehlbaum, die direkt am Marktplatz neben der Kirche wohnen und einen besten Blick hinauf zum Nistkasten am Kirchturm haben. Bereits im vergangenen Jahr hatten sie ein erstmals im Turm brütendes Wanderfalken-Paar wochenlang beobachten können und mit einem großen Teleobjektiv auch beeindruckende Fotoaufnahmen der Vögel geschossen.
Das Weibchen verschwand plötzlich
Damals hatten die neu eingetroffenen Wanderfalken die etwas kleineren Turmfalken aus dem Nistkasten am Nordturm vertrieben. Für die plötzlich obdachlos gewordenen Turmfalken hatte das Team des städtischen Bauhofs dann binnen weniger Tage nach Anleitungen aus dem Internet neue Nistkästen gezimmert, die am Weißen Turm, am Eulenturm und an der ehemaligen Trafo-Station an der Östlichen Allee aufgehängt wurden.
Im vergangenen Jahr hatte das Wanderfalken-Weibchen zwei Eier gelegt. Eines davon war aber offenbar unbefruchtet, denn es schlüpfte nur ein Jungvogel. Die Elterntiere kümmerten sich zunächst gemeinsam um das Junge, bis eines Tages das Weibchen nicht mehr erschien. Ihm war wohl während der Jagd etwas zugestoßen. Der weibliche Vogel war beringt gewesen. Christine Fehlbaum hatte mit dem Teleobjektiv sogar die Nummer auf dem Ring ablesen können. Recherchen im Internet ergaben, dass das Weibchen einst in Esslingen auf dem dortigen Kirchturm zur Welt gekommen war und dort auch den Ring am Fuß erhalten hatte.
Ein Küken schlüpfte
Nachdem das Weibchen plötzlich verschwunden war, übernahm im Sommer 2021 der männliche Vogel, der Terzel, alleine die weitere Aufzucht des Jungtiers. Es gelang. Nach einigen Wochen konnte ein kräftiger junger Wanderfalke den Nistkasten verlassen.
In diesem März nun ist zunächst ein Terzel – wohl der gleiche männliche Elternvogel vom vergangenen Jahr – oben am Turm erschienen. "Und ein paar Tage später kam ein neues Weibchen", hat Christine Fehlbaum beobachtet, die schon lange Jahre Mitglieder beim Landesbund für Vogelschutz ist. "Dann begannen die beiden mit der Familienplanung." Zwei Eier legte das weibliche Tier und um den 5. Mai herum schlüpfte schließlich ein Küken. Wieder nur ein Küken. "Das zweite Ei scheint auch dieses Jahr nicht befruchtet gewesen zu sein", sagt Fehlbaum. Normalerweise umfasst das Gelege eines Wanderfalken sogar drei bis vier Eier. Da ist es schon ungewöhnlich, dass an zwei Jahren hintereinander nur zwei Eier gelegt wurden.
Ein kleiner Wattebausch
Beide Elternteile fütterten – sehr zum Leidwesen der hiesigen Taubenpopulation – kräftig zu und ab dem 26. Mai war das Küken schon auf dem Abflugbrett des Nistkastens zu sehen. "Es entwickelte sich prächtig und trainierte täglich seine Flügel." Für die Vogelliebhaberin Fehlbaum ist es jedes Mal ein Wunder, "wie sie sich innerhalb von nur vier Wochen aus einem kleinen Wattebausch so ein prächtiger Wanderfalke entwickelt".
Am 9. Juni war es schließlich soweit: Der junge Vogel verließ die Plattform am Nistkasten und startete zu seinem ersten Flug. Sonderlich weit ging es da aber noch nicht. Erster Landeplatz war das Pfarrhaus in der Salzstraße. Dort ließ sich der junge Falke auf einem Fensterbrett nieder und guckte durch die Scheibe neugierig ins Innere. Pfarrer Stefan Mai konnte sich vorsichtig nähern und mit dem Handy tolle Nahaufnahmen vom Vogel machen. "Wir haben Scherze gemacht, dass der Falke sich sicher noch den Segen des Pfarrers abholen wollte", lacht Christine Fehlbaum. Später flog der Vogel zur obersten Treppe am Giebel des Alten Rathauses weiter.
Die Flugkünste trainiert
Rund vier Wochen lang war der Jungvogel noch in der Altstadt unterwegs. Er wurde weiterhin von seinen Eltern noch versorgt - und von den Fehlbaums beobachtet. "Seine Flugkünste wurden immer besser", hat Christine Fehlbaum von ihrem Logenplatz am Marktplatz aus sehen können. "Und dann hat er erstmals auch versucht, über der Stadt selbst eine Taube zu jagen, was aber noch misslang."
Inzwischen ist der Jungvogel weggeflogen und sucht sich ein eigenes Revier. Auch die beiden Elterntiere haben den Nordturm der Stadtpfarrkirche wieder verlassen. Ob sie auch im nächsten Jahr wiederkehren? Man weiß es nicht. "Ich hoffe aber, dass sie wieder kommen – sofern sie da draußen überleben", sagt Christine Fehlbaum.
Nachwuchs bei den Turmfalken
Auch von den Turmfalken gibt es gute Neuigkeiten zu berichten. In den Nistkästen am Eulenturm und an der Trafo-Station gab es ebenfalls jeweils Nachwuchs. Besonders in den frühen Abendstunden war das Dach des Weißen Turms ein beliebter Treffpunkt für die Jungvögel. Manchmal saßen dort bis zu fünf Turmfalken oder kreisten laut schreiend um den Turm.
Der Nistkasten an der Ostseite des Weißen Turms konnte allerdings auch in diesem Jahr nicht von den Falken genutzt werden. Dort hat sich ein Stadttauben-Paar breit gemacht, gegen das sich die zierlichen Turmfalken nicht durchsetzen konnten.